Die Schweiz ist kein Land der Zufälle. Was gemessen werden kann, wird hierzulande gemessen und was man vorschreiben kann, wird vorgeschrieben. Das gilt in besonderem Masse für die Landwirtschaft. Messen kann man den Nährstoffbedarf von Pflanzen, vorschreiben eine Düngerbilanz.
Deshalb müssen (bis auf wenige Ausnahmen) alle Bauern, die in den Genuss von Direktzahlungen kommen wollen, eine Nährstoffbilanz rechnen, die Suisse-Bilanz. In dieser Bilanz werden Nährstoffinput und Nährstoffoutput des Betriebs einander gegenüber gestellt. Doch so akribisch die Aufstellung auch erfolgt: Das Ergebnis ist mit grossen Unsicherheiten behaftet, weil viele Werte geschätzt werden müssen.
Auch die Ergebnisse von Bodenproben, mit denen der Nährstoffgehalt im Boden erfasst und daraus eine optimale Düngungsempfehlung abgeleitet wird, sind nicht über alle Zweifel erhaben. Eine Auswertung von zigtausenden Analyseergebnissen durch die Forschungsanstalt Agroscope kam zum Schluss, dass „die Qualität der zur Verfügung stehenden Daten als ungenügend beurteilt werden muss.“ Die Forscher konnten sich anhand dieser Daten zwar ein Bild über den Phosphorgehalt von etwa 10% der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Schweiz machen. Sie mussten aber feststellen, dass es dabei zu unerklärlichen Widersprüchen kam – je nach verwendeter Analysemethode. Warum, ist nicht ganz klar.
Düngung nach Gespür
Die Bauern düngen also aufgrund von Zahlenwerten, die mit grosser Unsicherheit behaftet sind. Dazu kommt, dass die Nährstoffgehalte der in der Schweiz häufig zum Einsatz kommenden Hofdünger wie Mist und Gülle beträchtlich schwanken können. Zudem wird die Nährstoffverfügbarkeit im Boden von vielen Faktoren beeinflusst. Selbst bei käuflichen Handelsdüngern kann man sich nicht vollständig darauf verlassen, dass wirklich drin ist, was draufsteht: Tests zeigten, dass in beinahe jedem fünften Fall der tatsächliche Nährstoffgehalt von der Deklaration abwich.
So gesehen ist es fast schon erstaunlich, dass die Nährstoffversorgung der Pflanzen in der Schweiz überhaupt funktioniert. Vielleicht verlassen sich die Bauern ja nicht so sehr auf Zahlen, sondern düngen nach „Gefühl“? Falls das so ist, haben sie offenbar ein gutes Gespür: Mangelerscheinungen oder Anzeichen massiver Überdüngung sieht man in der Schweiz nämlich selten.
Eveline Dudda, lid