Als Mittel gegen das Bauernsterben, so wurden die Betriebsgemeinschaften angepriesen. Doch seit dem Höchststand im Jahr 2008 mit knapp 1000 Gemeinschaften nimmt die Zahl kontinuierlich ab. Auf der Suche nach den Gründen.


Drei Auflösungsgründe


Nicht erstaunt über den Rückgang an Betriebsgemeinschaften  (BG) zeigt sich Hans-Rudolf Kneubühl. Er ist seit knapp 40 Jahren Berater am Inforama Seeland in Ins BE und Experte auf dem Gebiet. Im Rahmen seiner Beratungstätigkeiten hat er über 100 Betriebsgemeinschaften zur Seite gestanden und bei der Gründung geholfen. «Als ich an der heutigen HAFL studiert habe, waren Betriebsgemeinschaften für die Allermeisten absolutes Neuland. Das Thema hat mich sofort fasziniert», erinnert er sich.


Auch er hat den rückläufigen Trend beobachtet. Für ihn kommen drei Gründe für die Auflösung in Frage:


  • Menschliche Gründe
  • Nicht einhalten der vertraglichen Bestimmungen
  • Fehler oder fehlende Angaben im Vertrag


Vor allem die menschlichen Gründe seien zu Beginn der Beratungen nicht genügend berücksichtigt worden. «Früher wurde beim ersten Treffen der Vertrag erstellt und unterzeichnet, heute wird das erst beim letzten Gespräch erledigt.» Der Fokus in den Gesprächen vor der Gründung liege darin, herauszufinden, ob «die zwei Grinne passe», wie er sich ausdrückt.

Mit gezielten Fragen versucht er, die zwei potenziellen Partner auf mögliche Konflikte aufmerksam zu machen. Noch vor zehn Jahren habe man dem zu wenig Beachtung geschenkt. Laut seiner Erfahrung scheitern die meisten BG, weil die Partner nicht miteinander reden können. Deshalb hat er über die Jahre die Bausteine für ein gutes Klima in der Gemeinschaft gesammelt.


Vertrag muss alles regeln


Ein weiteres Augenmerk gilt den Verträgen. Neue Regelungen müssen zwingend im Vertrag festgehalten werden. «Es spielt keine Rolle, wenn 20 Nachträge gemacht werden. Hauptsache, der Vertrag ist aktuell», betont Hans-Rudolf Kneubühl. Der Vertrag soll zudem so detailliert wie möglich sein. So müssen beispielsweise die ausserbetrieblichen Tätigkeiten geregelt werden, die Aufteilung der Kosten für Strom, Wasser und Telefon. Die Regelung bei baulichen Massnahmen ist ebenfalls von grosser Bedeutung, da es sich oft um grössere Beträge handelt (beispielsweise ein gemeinsamer Neubau).


Nicht zuletzt ist im Vertrag die Auflösung zu regeln, insbesondere auch die Auflösung vor Vertragsende. «Die Auflösung ist im Vertrag oftmals nur allgemein festgehalten. Das kann zu Unstimmigkeiten führen», weiss Kneubühl. Diese Unstimmigkeiten machen die Runde und sind mitunter ein Grund für die zunehmende Kritik an Betriebsgemeinschaften.

Alle Rollen klären

Dass die Skepsis gegenüber BG und BZG in den letzten Jahren zugenommen hat, merkt man auch am Inforama. «Die vorzeitig aufgelösten Betriebsgemeinschaften geben Kritikern weiteren Nährboden», analysiert Hans-Rudolf Kneubühl die Entwicklung der vergangenen Jahre. Auch er hat die schlechte Stimmung wahrgenommen, aber wehrt sich dagegen: «Man darf nicht alle über einen Kamm scheren». Aber es sei klar, eine BG stellt die Partner vor grosse Herausforderungen. Jede Entscheidung muss besprochen werden. Mit der Selbstständigkeit ist es dann erst einmal vorbei. Ein Aspekt, der abschreckt. Doch auch innerhalb einer Gemeinschaft besteht die Möglichkeit, dass jeder Partner seinen Verantwortungsbereich zugeteilt erhält. Für diesen kann er weniger oder mehr autonom Entscheidungen fällen. «Auch dieses Modell hat sich in der Praxis sehr bewährt», wirft Kneubühl ein.


Dass oftmals die Frauen der BG-Partner am Scheitern schuld sein sollen, lässt der Berater nicht gelten. Das Einzige, was Frauen falsch machen könnten, sei, ihre Ehemänner im negativen Sog zu unterstützen, anstatt gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Für Kneubühl gehören die Partnerinnen deshalb bereits ab dem ersten Beratungsgespräch dazu. In der Praxis übernehmen die Frauen oft die Betreuung der Buchhaltung. «Aber auch wenn die Frauen keine fixe Aufgabe in der BG haben möchten, ist das in Ordnung», führt er aus. Hauptsache, die Rollen seien geklärt.


Andere Formen möglich


Das eine gut funktionierende BG keine Selbstverständlichkeit ist, hat unterdessen in der Branche die Runde gemacht. «Viele ehemalige Betriebsgemeinschafts-Partner raten Interessenten davon ab», bedauert Hans-Rudolf Kneubühl. Denn eine Zusammenarbeit kann durchaus sinnvoll sein. Aber: «Es muss nicht immer eine Betriebsgemeinschaft sein!» Er bezeichnet die Betriebsgemeinschaft als Mercedes der Zusammenarbeitsform. Es gebe aber noch viele andere Formen der überbetrieblichen Zusammenarbeit. So können gemeinsame Angestellte eine mögliche Alternative sein, oder den gemeinsamen Auftritt mit den Produkten an einem Markt.

Eine solche Zusammenarbeit sei quasi ein Testfeld, auf dem man unkompliziert ausprobieren könne, inwiefern man zusammenpassen würde. Denn: Diese Formen sind im Gegensatz zu Betriebsgemeinschaften und Betriebszweiggemeinschafen nicht bewilligungspflichtig und bieten daher eine gute Gelegenheit. Denn bevor sich zwei Landwirte oder mehrere zusammentun, müssen sie ihre Zahlen offenlegen.


Budget wird gerechnet


Vorausgesetzt, das Zwischenmenschliche passt. Wann ist die Gründung einer Gemeinschaft empfehlenswert? «Wenn beide Betriebe auch alleine überlebensfähig sind», ist Hans-Rudolf Kneubühl überzeugt. Denn ansonsten überlebe auch die BG nicht. In einem ersten Schritt wird das Budget der potenziellen Gemeinschaft gerechnet. Daraus erhält man Hinweise, wie es später aussehen könnte. Sinnvoll ist eine Gründung auch dann, wenn beide Familien vom Einkommen leben können. Daher muss die Betriebsgemeinschaft auch eine gewisse Grösse haben.


Julia Overney