Die Ernährungssicherheit könne ohne genügend Importe nicht aufrechterhalten werden, war sich die Diskussionsrunde einig. Andererseits müssten die inländischen Produktionsgrundlagen, insbesondere das Kulturland und das Wissen um den Anbau, erhalten bleiben. Insbesondere beim Blick in die Zukunft.Zwar sei die Anbauschlacht vorbei, trotzdem sei es von Vorteil, eine produzierende Landwirtschaft zu haben, die mit Importen ergänzt wird.
Beschaffungsrisiko wird mit Importen ausgeglichen
Das würde, nach Ansicht von Ulrich Haudenschild mindestens, das Beschaffungsrisiko verteilen und das System weniger Störungsanfällig machen. Haudenschild ist Leiter der Geschäftsstellen Ernährung, Energie & Heilmittel beim Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung und macht sich in dieser Funktion Gedanken zu der inländischen Versorgungslage. Wie er sagt, sei diese bei den Lebensmittel gut. Wir würden, so seine Rechnung, pro Kopf etwa 3300 Kalorien konsumieren, obwohl wir zum Überleben im Durchschnitt etwa 2700 Kalorien pro Tag benötigten.
Höhe des Selbstversorgungsgrads abhängig von Berechnungsgrundlage
Wie hoch dabei der Selbstversorgungsgrad der Schweiz tatsächlich ist, hängt deshalb nicht zuletzt davon ab, mit welchem Referenzwert gerechnet wird. Rechnet man mit einem täglichen Bedarf von 3300 Kalorien, importieren wir 40 Prozent der im Inland konsumierten Lebensmittel. Sind es 2700 Kalorien pro Person und Tag wäre der Importanteil folglich um etwa acht Prozent tiefer.
Othmar Deflorin, Kantonschemiker des Kanton Berns, findet solche Rechenspiele überflüssig. "Ob der Selbstversorgungsgrad 50 oder 60 Prozent beträgt, ist irrelevant. Viel wichtiger ist, dass die Bevölkerung in Krisenzeiten versorgt werden kann". Auch Haudenschild ist der Meinung, dass derzeit der Markt die Verfügbarkeit der Lebensmittel sicherstellt. Für Krisenzeiten werde mit Pflichtlager und dem Erhalt der inländischen Produktionsgrundlage vorgesorgt, so seine These. Auch Christine Bühler, Präsidentin der Landfrauen, ist nicht der Ansicht, dass es die inländische Landwirtschaft alleine schafft, die Schweizer Bevölkerung zu ernähren.
Die Lebensmittel sind so sicher wie nie zuvor - doch der Konsument wirft sie weg
Othmar Deflorin sagt ausserdem, dass aus chemischer Sicht die Lebensmittel so sicher sind, wie nie zuvor. Man suche im Nanogrammbereich nach Schadstoffen, dabei sei in den Produkten oft soviel Zucker oder Fett, dass eigentlich die Inhaltsstoffe als problematisch eingestuft werden müssten. Allerdings würden die Informationen den einfachen Konsumenten kurzerhand überfordern. So müsse ein Produkt in erster Linie gut schmecken und zu einem vernünftigen Preis angeboten werden.
Dass damit aber auch die Wertschätzung der Nahrungsmittel reduziert wird, ist für Haudenschild klar. Man sehe das an den Lebensmittelverlusten, die zwischen Produktion und Konsum auftreten würden, präzisiert Deflorin. Dass die Verschwendung von Lebensmittel nicht skandalisiert wird, ist für ihn nicht überraschend. "Denn jeder ist von Food Waste betroffen". So sei auch das Interesse der Medien eher gering, aus der Verschwendung ein Skandal zu machen.
Christine Bühler indes betonte, wie wichtig die Ausbildung ist, um Lebensmittelverluste zu reduzieren. Ihrer Meinung nach müsste zu den Alltagskompetenzen, die in der Schule vermittelt werden, auch der Umgang mit Lebensmittel gehören. Sie zeigte sich deshalb enttäuscht, dass der Lehrplan 21 nur wenig davon wirklich aufnehmen kann.
Der mündige Konsument kauft "richtig" ein
So liegt es gemäss Michel Rudin zu einem guten Teil am Konsumenten, die richtigen Produkte zu kaufen. Rudin ist Geschäftsführer des Konsumentenforums und glaubt an einen mündigen Konsumenten. Dieser würde auch kurze Versorgungsketten, sprich inländische Produkte, bevorzugen. Wenn der Preis stimme.
hja