Am 21. Januar findet am Inforama Rütti im bernischen Zollikofen zum vierten Mal der Junglandwirtekongress statt. Neben vormittäglichen Referaten bieten am Nachmittag vier Seminare die Möglichkeit zum fachlichen Austausch: «Betriebsstrategien – Wege zum Erfolg» heisst das Hauptthema der Tagung. Mario Baumgartner von der Junglandwirtekommission, Ressort «Internationales», stand auf seinem Betrieb im 
St. Galler Rheintal vorab zu einem Gespräch bereit.  


Mario Baumgartner, wo stehen Sie mit Ihrer Betriebsstrategie in fünf bis zehn Jahren respektive wo wollen Sie mit Ihrem Betrieb hin?


Mario Baumgartner: Momentan bewirtschaften wir unseren Betrieb in einer Generationengemeinschaft. In fünf bis zehn Jahren werde ich den Betrieb 
sicherlich von meinem Vater übernommen haben. Wir werden unseren Weg mit Industriegemüse in der vorgelagerten Verarbeitungsstufe weitergehen, denn dieser Weg hat sich für uns bewährt. Mit unserer Ausrichtung sind wir zufrieden.


Seit 2011 findet sich auf Ihrem Betrieb kein Vieh mehr. Bereuen Sie diesen Schritt?


Nein. Seit Kindesbeinen an hatte ich es nie so mit den Tieren. Während meiner landwirtschaftlichen Grundbildung kümmerte ich mich im zweiten Lehrjahr auch um Mastmunis. Diese Arbeit machte mir soweit nichts aus, aber ich zog die Arbeit auf dem Feld immer vor. Diese interessierte mich mehr, und man sollte schliesslich auch derjenigen Arbeit nachgehen, die einem am besten zusagt. Dann wird sie gut erledigt.


Zusammen mit zwei anderen Parteien investierten Ihre Eltern 2007 in eine Biogasanlage. Weshalb?


Ungefähr zehn Landwirte liefern uns ihren Hofdünger. Zudem geben verschiedene Gemeinden ihre Grüngutabfälle, diverse Altersheime ihre Küchenabfälle und die Industrie Speiseabfälle und Ausschussmaterialien zur Vergärung in unsere Anlage. Ebenso gehen natürlich auch unsere Rüstabfälle in die Biogasanlage. Im Gegenzug produziert diese neben Energie auch Gülle, welche wir wieder auf unserem Betrieb nutzen können. So schliesst sich der Nährstoffkreislauf teilweise. Ebenso ist der ideologische Wert sehr wich
tig. Meiner Meinung nach ist es

wesentlich, dass man das Hofpotenzial – sei dies mit Bezug auf Nährstoffe oder andere Energien – zu einem guten Teil wieder abrufen kann.


Ihre Biogasanlage ist eine gemeinschaftliche Investition. Sollten verschiedene Betriebe prinzipiell enger zusammenarbeiten?


Sicher. Leider muss ich sagen, dass noch zu wenig kooperiert wird. Unsere Feldspritze zum Beispiel gehört zwei Parteien. Eine gemeinsame Investition erlaubt die Anschaffung von qualitativ hochstehenden Maschinen, die aufgrund der Kostenaufteilung und der besseren Auslastung letztlich pro Hektare günstiger sind. Leider fehlt es oftmals an der Kommunikation untereinander. Schnell wird heute zwar telefoniert oder eine E-Mail verfasst, aber letztlich kommt der persönliche Austausch unter den Landwirten viel zu kurz. Viele Arbeiten führen doch alle Bauern in etwa zur gleichen Zeit im Jahr aus. So könnten sich die verschiedenen Betriebe beispielsweise bei der Heuernte gegenseitig mit Maschinen und Arbeitskraft unterstützen.

Als Sie dannzumal Landwirt lernten, hatten Sie das Glück, dass Ihre Eltern bereits einen Betrieb bewirtschafteten. Was raten Sie jungen und motivierten Personen, die Landwirt lernen wollen ohne einen elterlichen Betrieb im Rücken zu haben?


Wichtig ist sicherlich, dass eine gute Ausbildung vorhanden ist. Nur mit einer landwirtschaftlichen Grundbildung ist es bestimmt schwieriger, einen Betrieb zu finden, als wenn zusätzlich noch eine Weiterbildung – zum Beispiel eine Schulung zum Meister oder eine Betriebsleiterschule   absolviert wurde. Wenn ein Landwirtschaftsbetrieb keinen Nachfolger vorweisen kann, ist es für den Betriebsleiter meistens trotzdem von grosser Bedeutung, dass ein kompetenter Nachfolger gefunden wird, der den Hof erfolgreich weiterführen kann. Wenn jemand trotz fehlendem Familienbetrieb unbedingt Landwirt lernen will, existiert bestimmt die Chance, einst einen geeigneten Hof zu finden. Regionale Unterschiede im Angebot sind natürlich zu berücksichtigen.


Worin sehen Sie die grössten Herausforderungen für die Schweizer Landwirtschaft?


Die Landwirtschaft wird mit mehreren Herausforderungen konfrontiert werden. So betrifft uns etwa die Agrarpolitik: Ich denke 2017 bis 2021 wird der Weg weitergehen, der eingeschlagen wurde. Kleine Anpassungen wird es geben. Was 2022 und fortfolgend kommen wird, steht noch in den Sternen. Herausfordernd wird auch der Umgang mit allen Anspruchsgruppen. So üben etwa Umweltverbände und Tierschutzorganisationen vermehrt Druck auf die Landwirtschaft aus. Ebenso interessant ist die Frage, wohin sich die Agrarmärkte bewegen. Was passiert beispielsweise auf dem Milchmarkt? Auch für Bauern, die nur indirekt durch den Milchpreis betroffen sind, stellt sich immer wieder die Frage: Kann ich etwas produzieren, ohne dass ich meine Existenz gefährde?

Provokativ gefragt: Braucht es in der Schweiz überhaupt noch eine Produzierende Landwirtschaft?


Ganz sicher. Eine Produzierende Landwirtschaft hat hier
zulande bestimmt eine Zu-kunft. Qualitativ hoch stehende Schweizer Nahrungsmittel werden nachgefragt. Insbesondere regionale Produkte wird es auch künftig geben. Die Frage ist nur, was es alles braucht. In der Schweiz haben wir einige Produkte mit einem Selbstversorgungsgrad von über 100 Prozent. Meines Erachtens müssen wir einen Weg finden, um diese Produktion zu drosseln. Eine Fabrikation zu Weltmarktpreisen muss und kann für die Schweiz nicht die Lösung sein. Bei speziellen Produkten kann das vielleicht funktionieren, aber nicht bei einem konventionellen Erzeugnis. Andere Länder mit anderen Strukturen können natürlich viel günstiger produzieren.


Stichwort «Weltmarkt»: Wie stehen Sie zum Freihandel respektive zu einer Öffnung?


Eine gewisse Anpassung wird kommen. 2017 beispielsweise fällt die Zuckerquote in der EU, was den Druck auf die Schweizer Zuckerrübenproduktion erhöhen wird. Aber auch andere Produkte werden unter Druck gesetzt werden. Wie es etwa mit der Verkäsungszulage weitergehen wird, ist auch schwierig zu sagen. Ein bestimmter Strukturwandel in der Schweiz wird irgendwann einsetzen.

Inwiefern kann die Schweizer Landwirtschaft auf dem internationalen Markt mithalten?

Die Schweiz ist im internationalen Vergleich sehr klein. Wir können nicht in Richtung Massenproduktion gehen, um mit unseren Erzeugnissen den ausländischen Markt zu bedienen. Die Schweiz kann sich aber auf den Spezialitäten-Bereich konzentrieren, um gewisse Nischen zu füllen. Hierfür hat die Schweiz meiner Meinung nach genügend Kulturland. Auch bei innovativen Erzeugnissen beispielsweise im Bereich von Convenience-Produkten sehe ich Chancen für uns. Diesbezüglich sind aber nicht nur die Bauern gefordert, sondern auch die nachgelagerten Verarbeiter und Betriebe.


Könnten Sie einen Wunsch an die Konsumentinnen und Konsumenten richten, wie würde dieser lauten?


Schweizer Produkte haben einen bestimmten Wert. Darum sind sie auch teurer. Ich wünsche mir diesbezüglich eine noch grössere Wertschätzung. Man darf nicht vergessen, dass die Schweizer Landwirtschaft doch viel für die Allgemeinheit leistet. Die Landwirtschaft weist viele vor- und nachgelagerte Stufen auf. Und ein jeder ist irgendwie von ihr betroffen, nur schon der Skifahrer, der wegen der Schweizer Landwirte seine Fahrt über gepflegte Hänge sicher geniessen kann. Solche Dinge sind meiner Meinung nach etwas in Vergessenheit geraten. Aber genau diese Anstrengungen wirken auch im Ausland nach und machen die Schweiz etwa als Tourismusdestination so attraktiv.


Interview Curdin à Porta


Weitere Informationen zum Junglandwirtekongress: www.junglandwirte.ch