LID: Herr Brunner, hinter uns liegt ein Winter, der keiner war. Wie haben sich die milden Temperaturen auf die Forstarbeit ausgewirkt?


Markus Brunner: Statt Schnee und Frost gab es im Mittelland, Jura und in den Voralpen vor allem Regen, sodass die Waldböden vernässten und aufweichten. Vielerorts konnten wir nicht mehr mit den Ernte- und Transportmaschinen in den Wald fahren, weil dies die Böden nachhaltig verdichtet hätte; die Holzernte musste über lange Zeit eingestellt werden. So blieb diesen Winter mancher Baum stehen, obwohl er für die Fällung angezeichnet war. Die Holzerei kam grundsätzlich teurer und budgetierte Erlöse blieben aus.

Holz liegt im Trend. In den letzten 13 Jahren ist der Holzeinsatz bei Gebäuden laut BAFU um 27 Prozent gestiegen. Zudem wird wieder mehr mit Holz geheizt. Für die Waldeigentümer eine erfreuliche Entwicklung.

Das stimmt, es ist eine erfreuliche Entwicklung. Es wird wieder mehr mit Holz gebaut, insbesondere der mehrgeschossige Holzbau ist auf dem Vormarsch. In den letzten Jahren wurden Brandschutzvorschriften derart angepasst, dass man heute bis sechsstöckige Gebäude auch im urbanen Bereich aus Holz bauen darf. Auch bei Umbauten liegt Holz im Trend. Neben dem lachenden gibt es aber ein weinendes Auge. Der Anteil Schweizer Holz ist in diesem Bauvolumen nicht im erwünschten Mass gestiegen, wie wir das erhofft haben.

Warum?

Es gibt eine Reihe von Faktoren. Zu schaffen macht der Holzbranche der Euro-Wechselkurs, der der ausländischen Konkurrenz einen Vorteil verschafft. Aus den Euroländern wird deshalb viel importiert. Diese Benachteiligung durch eine Senkung der Produktionskosten wettzumachen, ist nicht von heute auf morgen möglich, teilweise sogar unmöglich. Denken Sie nur an unser Relief, in Hanglagen ist und bleibt die Holzernte kostspielig. Ein weiterer Punkt ist, dass die Holzbauweise, bei der einfach Bretter und Balken zum Einsatz kommen, rückläufig ist. Heute kommen immer mehr weiterverarbeitete Produkte zum Einsatz, beispielsweise verleimte Mehrschichtträger. In diesem Bereich besteht in der Schweiz Nachholbedarf. Wir hoffen, dass in die inländische Weiterverarbeitung investiert wird.

Im 2012 wurde so wenig Nadelstamm-Holz geerntet wie seit 30 Jahren nicht mehr. Die Holzindustrie bangt bereits um ihren Rohstoff.


Diese Sorgen nehmen wir sehr ernst. Es ist uns wichtig, dass die Abnehmer ausreichend versorgt werden. Der Mangel ist aber zu relativieren. Wir machen Umfragen bei Sägewerken. Diese ergaben, dass die Versorgung in der Regel ausreichend ist. Allerdings kann es sein, dass jahreszeitlich mal Engpässe auftreten, wie eben nach diesem milden Winter. Insgesamt wird deutlich mehr Nadelholz gefällt, als Sägewerke in der Schweiz verarbeiten. Wir exportieren nach wie vor sehr viel nach Italien, Österreich und Frankreich; 2012 betrug der gesamte Stammholzexport, gemessen in Tonnen, etwa das Siebenfache des Stammholzimports.

Warum wird nicht mehr Holz geschlagen?


Die Holzpreise sind in den letzten Jahren auf einen Tiefpunkt gesunken; sind die Preise tief, ist auch der Anreiz zum Holzen klein, das gilt besonders für Privatwaldeigentümer. Denn vielerorts vermag der Holzerlös die Erntekosten nicht mehr zu decken, wo dies früher der Fall war. Grössere Betriebe können etwas grosszügiger rechnen und auch mal holzen, damit die eigene Forstequipe ausgelastet ist. Die meisten Waldeigentümer haben in der Schweiz auch nicht mehr die ökonomische Notwendigkeit, von der Holzproduktion leben zu müssen – wir sprechen hier vom sogenannten "Geringfügigkeits"-Phänomen.

Die Mehrheit der Forstbetriebe schreibt rote Zahlen. Warum?


Die meisten Betriebe sind darauf angewiesen, aus dem Holzverkauf wenigstens so viel Profit zu schlagen, dass die übrigen Kosten gedeckt werden können. Bei den tiefen Preisen gelingt das oft nicht. Der Schlüssel liegt also unter anderem bei Zusatzerträgen aus sogenannten Nichtholz-Waldleistungen. Grundsätzlich muss ein Unternehmen, und dazu sind auch Forstbetriebe zu zählen, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in zwei Richtungen zu stossen versuchen: einerseits den Aufwand senken und andererseits zusätzliche Einnahmen generieren. Kein leichtes Unterfangen. So gibt es zum Beispiel Gemeinden, wo die Forstkommission vorschreibt bzw. die Einwohner verlangen, dass Strassen in einem Topzustand sein müssen. Das führt zu wahnsinnigen Strassenunterhaltskosten, was aus holzerntetechnischer Sicht nicht nötig wäre, die aber der Rechnung des Forstbetriebs belastet werden. Andere Forstequipen helfen noch ein bisschen bei Gemeindearbeiten mit. Mancherorts wird aufwändige Waldpflege betrieben, da müssen wir uns wohl künftig gründlich fragen, ob es nicht auch mit weniger Pflegeintensität geht, respektive ob gewisse Waldbau-Methoden wirklich sinnvoll sind. Selbstkritisch muss man sagen, dass die Forstbetriebe teils noch immer klein sind, und dass durch Zusammenschlüsse und Kooperationen noch einiges drinliegen könnte, denken wir an Maschinenauslastung oder die Fixkostenbelastung pro Hektare Wald durch betriebliche Grundinfrastrukturen wie Werkhöfe. Da müssen wir uns mit den Sägewerken vergleichen, die angesichts des zunehmend internationaleren Wettbewerbs und steigenden Kostendrucks einen massiven Strukturwandel durchgemacht haben. Die Anzahl Betriebe nimmt jährlich ab, und das Hauptvolumen des Einschnitts wird heute je länger je mehr durch relativ wenige mittlere und grosse Werke bewältigt. Auf der Kostenseite gibt es in der Waldwirtschaft also sicher noch Optimierungsmöglichkeiten.

Bauern werden für Leistungen, die sie für die Gemeinschaft erbringen, entschädigt. Braucht es das auch in der Waldwirtschaft?

Flächenbeiträge nach dem Giesskannenprinzip wollen wir nicht. Wir wollen aber die erwähnten Nichtholz-Waldleistungen, die im Interesse der Öffentlichkeit oder bestimmter Nutzer erbracht werden, nach marktwirtschaftlichen Prinzipien auf Basis von Leistungsverträgen verkaufen. Wenn beispielsweise verlangt wird, dass mehr Reservate ausgeschieden werden müssen, soll das auch entschädigt werden.

Ein weiteres Sorgenkind ist das Laubholz. Die Holzindustrie will in erster Linie Nadelholz, in den Wäldern stehen aber mehr und mehr Laubbäume. Buche landet deswegen meist als Brennholz im Ofen.


Bund und Kantone haben in den letzten Jahrzehnten aus ökologischen Gründen den Umbau auf Laubholz gefördert. Was dabei vergessen ging, war, was mit dem Holz gemacht werden soll. Erschwerend kommt hinzu, dass der Laubholzmarkt schwieriger geworden ist. Viele Verarbeiter im Bereich Laubholz sind verschwunden. Laubholz ist aufwändiger zu ernten und zu verarbeiten. Bei einem Nadelholzschlag sind 80 Prozent des Stammholz-Anteils sägefähig. Bei einer Eichen-Bestockung sind es vielleicht 30 Prozent. Zum Glück wird viel geforscht, um neue Verwendungsmöglichkeiten zu finden. Es gibt neue, vielversprechende Produkte. Aber auch hier müssen Marktrealitäten beachtet werden. Technisch spannende Laubholzprodukte allein nützen nichts; sie müssen bezüglich Preis und Leistung gegenüber Nadelholzprodukten bestehen können. Brutal gesagt entscheidet der Markt bzw. der Käufer, wie innovativ ein neues Produkt wirklich ist.

Der Bund will im Rahmen des Aktionsplans Holz unter anderem die Verwertung von Laubholz fördern. Gleichzeitig importierten die SBB Bahnschwellen aus Buchenholz aus dem Ausland. Das musste Sie doch ärgern.


Das hat uns natürlich gestört. Wir und die Verarbeiter haben uns mittels politischen Vorstössen gewehrt. Wir stellen fest, dass man im öffentlichen Beschaffungswesen wenig flexibel ist. Klar darf man bei der Ausschreibung als Bedingung nicht einfach Schweizer Holz verlangen. Was man aber verlangen könnte: Kurze Transportwege, eine gute Ökobilanz, sozial faire Arbeitsbedingungen bei der Produktion. Das wäre WTO-konform. Die Stadt Bern hat es vorgemacht: Die hat die Pflastersteine aus der Schweiz bezogen und nicht aus China, wie das oft gemacht wird.

Michael Wahl, LID