Die Betreuungsdienstleistungen, die Bauernfamilien in Form des betreuten Wohnens übernehmen, sind 
anspruchsvoll und vielfältig«, erklärt Karin Wyss, Vorstandsmitglied des noch jungen Vereins CareFarming (siehe Kasten), aus eigener Erfahrung. Sie engagiert sich für die familienintegrierte Betreuung von Menschen und betreut auf ihrem Hof in Mühleweg BE Kinder und Jugendliche.


Eine pädagogisch wertvolle Arbeit, die mehrheitlich unbeachtet bleibt. «Für mich bildet die Vereinsbildung einen ersten wichtigen Schritt, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, sich gegenseitig zu stützen und gemeinsam zu wachsen», erzählt Karin Wyss.


Spielgruppe und Kinderklub


Malerisch eingebettet in den sanften Hügeln des Emmentals liegt der Tierhof in Mühleweg. Dort wohnen Karin und Christian Wyss mit ihren drei Söhnen Florin, Daniel und Remo. «Als Familienbetrieb bewirtschaften wir eine Nutzfläche von knapp zwei Hektaren. Auf dieser Fläche produzieren wir Futter und Nahrungsmittel für Mensch und Tier», erklärt Karin Wyss. Ihr Mann ist gelernter Landwirt und Säger. Er arbeitet nebenbei in der Sägerei seines Bruders.


Während dem Gespräch sitzen wir vor dem Haus an einem rustikalen Holztisch mit einer herrlichen Rundsicht auf das Alpenpanorama, die Jurakette und das Mittelland. Soeben ist Lars, das heutige Hütekind von Karin Wyss, von seinem Mittagsschlaf erwacht. Verschlafen blinzelt er in die Herbstsonne, um sogleich mit Daniel herumzutollen, der einige Zwetschgen frisch vom Baum pflückt. Etwas später trifft Saïra ein und geht mit der Neuntklässlerin Jeanine, die regelmässig auf den Tierhof kommt, zu den Eseln.


Auf dem Hof sind immer viele Kinder. An drei Halbtagen leitet Karin Wyss eine Bauernhofspielgruppe, einen Kinderklub und bietet verschiedene Aktivitäten an, sei es Ferienpass oder Ferien auf dem Bauernhof. Karin Wyss hat viele Berufe, sie ist Pflegehelferin, zertifizierte Fachfrau für tiergestützte Therapie und Spielgruppenleiterin. Es ist ihre grosse Berufung, sich den Besonderheiten von Menschen und Tieren zu widmen. Neben unendlicher Geduld und viel Zeit besitzt Karin Wyss vor allem ein grosses Herz.


Einfühlungsvermögen und Geduld


Für das begleitete Wohnen von Jugendlichen arbeitet Karin Wyss mit einem Internat zusammen. Dieses vermittelt ihr die jungen Menschen, die für ein drei- bis achtwöchiges Time-out auf ihren Hof kommen. Gemeinsam wird eine Zielvereinbarung für den Aufenthalt vereinbart.


Oft bringen Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen einen schwierigen Rucksack mit. Es braucht viel Einfühlungsvermögen und Geduld, sie auf einem Stück ihres Weges zu begleiten. Dafür eignen sich die Strukturen und Aufgaben auf einem Bauernhof. «Zurzeit wohnt ein 16-jähriges Mädchen bei uns. Während des Time-outs haben wir sie

bei der Berufswahl unterstützt, Bewerbungen geschrieben und Schnuppertage vermittelt. Erfreulicherweise hat sie eine Lehrstelle als Köchin im Nachbardorf gefunden. Nach der Probezeit sucht sie ein Zimmer an ihrem Arbeitsort», erzählt Karin Wyss.

Jugendliche in digitaler Welt gefangen


Es ist nicht ganz einfach, die Jugendlichen einzubeziehen und zu motivieren. Vielen Jugendlichen fehlt der reale Bezug zur Umwelt und sie leben nur noch in der digitalen Welt. Umso wichtiger ist es für die persönliche Entwicklung, sich mit dem Leben und Arbeiten in und mit der 
Natur auseinanderzusetzen.

«Da kommt mir zugute, dass ich Lehrtöchter ausgebildet habe. Meistens beschäftige ich die Mädchen im Haus, wo sie ganz erstaunt feststellen, wie mein jüngster Sohn Remo in der Küche hantiert und sich als ‹Meisterbäcker, entpuppt. Und in der kleinen Bibliothek haben schon viele das Lesen wieder entdeckt», sagt Karin Wyss lächelnd.


Das Angebot weiter ausbauen


Bezüglich CareFarming hegt Karin Wyss weitere Pläne. Vorgesehen ist, dass im neu erworbenen Stöckli die kleine Drei-Zimmer-Wohnung renoviert wird: «CareFarming schliesst auch die Betreuung von Erwachsenen ein. Als Pfleghelferin habe ich in einem Altersheim gearbeitet und würde mich freuen, eine betagte oder leicht beeinträchtige Person zu betreuen. Ein Zimmer möchte ich dauernd vermieten und die beiden anderen für Ferien oder ein Wochenende anbieten.»


Ein weiteres Standbein ist seit zehn Jahren das tier- und erlebnispädagogische Angebot. Auf dem Tierhof leben Pferde, Esel, Schafe, Ziegen, Schweine, Hühner, Katzen, Tauben und nicht zu vergessen ein Insektenhotel. Neben Pferde- und Tierwochen organisiert die vielseitige Frau auch Kutschenfahrten für Erwachsene und verfügt über einen rollstuhlgängigen Planwagen.

Brigitte Meier