Kartoffeln gibt es in der Schweiz fast genug, herkömmlich und biologisch angebaute. Und doch sind die rund 30 Sorten Biokartoffeln von Marcel und Sabine Heinrich aus dem inneralpinen Trockental Albulatal heiss begehrt, sowohl von privaten Konsumenten als auch in der Gastronomie. Bis es jedoch so weit war, musste ein langer, beschwerlicher, immer wieder die Richtung ändernder Weg zurückgelegt und zum Teil herbe Rückschläge in Kauf genommen werden.
Einheimische Produkte müssen erkennbar sein
Marcel und Sabine Heinrich konnten 2001 den Milchwirtschafts- und Viehzuchtbetrieb von Marcels Eltern in Filisur übernehmen. Während zwei Jahren wurde auf dem Betrieb wenig verändert, denn die jungen Leute wollten sich erst einarbeiten und neue Ideen und Pläne schmieden.
Bereits Marcel Heinrichs Eltern hatten schon während Jahren Kartoffeln angebaut und vor allem direktvermarktet. Als Marcel Heinrich einem Hotel bestellte Kartoffeln brachte, hiess ihn der Küchenchef, die Kartoffeln in einen Behälter zu leeren, in welchem schon eine Menge Kartoffeln lagen – Kartoffeln aus Holland. Das war für den Jungbauern ein Schock und ein Schlüsselerlebnis.
Marcel Heinrich wusste, wie viel Arbeit in seinem Produkt steckte, warum er den bestimmten Preis haben musste, und konnte nicht begreifen, dass sein Super-Produkt einfach mit ausländischen Kartoffeln gemischt wurde. So ahnte der Gast, welcher in diesem Restaurant ein Kartoffelgericht ass, nicht einmal, dass er vielleicht einheimische Produkte aus den Bergen zu sich nahm. Das wollte Marcel Heinrich unbedingt ändern.
Mit der alten Kartoffelsorte Parli gestartet …
An einer Tagung über den Bergackerbau mit dem Biologen Peer Schilperoord wurde Marcel Heinrichs Interesse und Neugier geweckt. Familie Heinrich begann, nicht mehr nur die üblichen Kartoffeln anzubauen, denn irgendwie musste man sich
doch von den herkömmlichen Kartoffelanbauern abgrenzen und das spezielle Produkt sichtbar machen.
Die alte Kartoffelsorte Parli schien geeignet und in Coop wurde auch ein Gross
abnehmer gefunden. Doch das Verständnis für diese speziellen Kartoffeln war nicht bei allen beteiligten Personen vorhanden.
… und dann auf das Patattibrot gesetzt
Mit dem Bäcker Claudio Stgier aus Tiefencastel konnte wieder ein neues Produkt mit Berg-
kartoffeln geschaffen werden: Das Patattibrot. Leider scheiterte auch diese Zusammenarbeit. Also musste wieder ein neuer Weg gesucht und gefunden werden, denn die Kartoffeln waren aus dem Leben der Heinrichs nicht mehr wegzudenken.
Die Heinrichs bauten weiter Pro-Specie -Rara-Kartoffeln an, zuerst ein paar hundert Kilo, später Tonnen. Diese Kartoffeln wurden vor allem direkt an die Kunden vermarktet. Erneut zeigte ein Grossabnehmer Interesse an diesem Nischenprodukt und das Angebot wäre verlockend gewesen, doch wie lange die Zusammenarbeit hätte dauern können, das wusste niemand.
Den nachhaltigen Weg eingeschlagen
Also entschloss sich Marcel Heinrich, mit Spitzenkoch Freddy Christandl, der von den Berg-
kartoffeln aus Filisur begeistert war und ein sehr grosses Beziehungsnetz hatte, zusammen zu arbeiten.
Es wurden ganz verschiedene Transportwege und Lagermöglichkeiten in verschiedenen Kühlhäusern ausprobiert und immer wieder gab es grosse Rückschläge. Doch jeder Rückschlag öffnete nach einiger Zeit wieder eine andere Möglichkeit. Heute werden rund vierzig Tonnen Kartoffeln verschiedener Sorten, vor allem mit Leerfahrten von Lastwagen aus dem Bündnerland, in die Lagerhäuser nach Wädenswil ZH und Zell LU gebracht.
Von dort aus wird die Feinverteilung organisiert, teilweise liefert Freddy Christandl die Bergkartoffeln direkt an die Gastronomen oder sie werden vom Engros Markt in Zürich aus an Kunden in der ganzen Schweiz ausgeliefert.
Kartoffel-Taxi ins Unterland
Weiter gibt es das Kartoffel-Taxi. Pendler in die Stadt Zürich und Umgebung nehmen kleinere Mengen mit und bringen sie den Privatkunden. So werden die rund fünfzig Tonnen Kartoffeln pro Jahr zu einem guten Preis an die Kunden verteilt. Dank des anständigen Preises können Heinrichs ihren vielen treuen Helfern auch einen angemessenen Lohn zahlen und erhalten daher auch eine hervorragende Leistung von ihnen.
Volle Konzentration auf den Anbau möglich
Weil inzwischen die Vermarktung und die Logistik des Transportes klappen und weil die Kunden die Bergkartoffeln mit der ganz speziellen Geschichte aus dem bündnerischen Albulatal begehren, können sich heute Heinrichs vorwiegend auf den Anbau, die Ernte und das Sortieren der Kartoffeln konzentrieren. «Der Anbau der alten Sorten ist nicht gerade einfach und braucht recht viel Erfahrung und Wissen», so Marcel Heinrich. «Doch es bereitet Freude, zu sehen, wie die Kartoffeln gedeihen und wie begehrt sie bei den Kunden sind.»
Vrena Crameri-Daeppen
Mehr Info zum Betrieb unter www.lasorts.ch