"Drei Wochen nach dem Umzug vermutete der Käser aufgrund der Milchqualität, dass wir jetzt im neuen Stall seien." Das war für den Altbüroner Philipp Lingg Beweis genug, dass sein Konzept aufgeht. Ein Blick in den offenen Stall bestätigt das Bild: Die Kühe liegen wiederkäuend auf der Kompostliegefläche, einige bewegen sich gemütlich zum Fressgitter oder nähern sich neugierig den Besuchern. Philipp Lingg und Alexandra Stutz berichten von ihren Erfahrungen seit dem Umbau.
Problemfälle verschwinden
Der Betrieb Lingg liefert die Milch seiner 30 Kühe an die nahe Käserei Ebersecken. Zuvor, im alten Anbindestall, waren Probleme mit Reduktasen oder erhöhtem Säuregehalt aufgetreten. Diese hatten sich mit dem Wechsel des Aufstallungssystems ebenso schnell verflüchtigt wie Mortellaro-Erkrankungen. Laut Aussage des jungen Betriebsleiters betrug deren Anteil vorher bis zu 50 Prozent, aktuell stelle er keinen einzigen Fall mehr fest. Die Zellzahlen blieben währenddessen – auf zufriedenstellendem Niveau – ungefähr gleich.
Leistung vor Luxus
"Wir haben das Maximum aus dem bestehenden Stall herausgeholt", fasst Philipp Lingg zusammen. Nicht im Sinne der neuesten Ausstattungs-Trends oder technischer Spielereien, sondern in Sachen Preis-Leistung. Bei Linggs nüchterner Argumentation wird schnell klar, wie gründlich er sein Bauvorhaben überdacht hatte.
Vor sechs Jahren übernahm er den elterlichen Betrieb, im Sommer letzten Jahres ging dann der An- und Umbau vonstatten. "Ich hätte durch die Aufstockung der Kuhplätze mehr Gülleraum benötigt. Durch die Kompostliegefläche konnten wir diese Kosten sparen", berichtet er. Durch den stützenfreien Bau stehe einer Umnutzung zudem nichts im Wege.
Die Kühe fressen von beiden Seiten am Futterband, der stationäre Mischwagen dient dessen Bestückung. Das Befüllen des Futtermischers wiederum erfolgt mittels Kran im Heuraum gleich oberhalb. "Weil ich keinen fahrbaren Mischwagen brauche, reduziert sich auch gleich der Energieverbrauch", rechnet Lingg vor. Auch das Futter zuschieben entfällt, das tun die Kühe gegenseitig.
Einheimische Rohstoffe
Stroh-Tiefstreuställe in Neuseeland, Kompostställe in Österreich, Erfahrungsgruppen in der Schweiz – Philipp Linggs offenes Blickfeld sorgte für Inspiration und Wissenstransfer über die Landesgrenzen hinaus. Dann stellte sich die Frage nach dem Einstreumaterial. "Grosse Mengen Stroh importieren will ich nicht. Aber Sägemehl wächst sozusagen im Dorf", findet der 30-Jährige. Ein- bis zweimal täglich bearbeitet der Landwirt die Fläche mit dem Grubber, von Zeit zu Zeit bringt er mit dem Frontlader frisches Material. Durch die Prozesswärme bleibt die Unterlage grösstenteils trocken. "Man muss ein 'Gspüri' entwickeln für die Bearbeitung und das Material. Alle Umwelteinflüsse sind direkt spürbar."
Vorteil Winter
Unter einem simplen Pultdach (16 mal 26,5 Meter) befinden sich nun die Liegefläche sowie der Verbindungsgang zum alten Stall. Wände sucht man vergeblich, ein Windschutznetz auf einer Längsseite sorgt für den nötigen Witterungsschutz. "Die Kühe haben maximale Freiheit", freut sich der Meisterlandwirt. Zudem gewöhnen sich die Rinder besser ein, wenn sie vom Aufzuchtlaufstall nicht in Anbindehaltung wechseln müssen. Ein einziger Nachteil ist dem Bauern aufgefallen: "Dass die Liegefläche im Sommer zusätzlich Wärme generiert, ist nicht optimal." Wenigstens spende das Dach Schatten und der grosse Deckenventilator helfe dem Hitzestress etwas ab.
Das nächste Projekt
Die Melkeinrichtung ist ebenfalls mit Bedacht gewählt – ein Butterfly-Melkstand für sechs Kühe. Optimale Platzausnützung, günstige Bauweise und die Verwendung von vorhandenen Bauteilen waren die schlagenden Argumente. "Zugegeben, zuerst habe ich dieses System belächelt. Doch die grosse Flexibilität ist ein wichtiger Pluspunkt", räumt der Landwirt ein. So können während des Melkens Einzeltiere gewechselt werden und ein pneumatisches Tor regelt den Einlass der Kühe.
Alexandra Stutz, welche neben ihrer kaufmännischen Arbeit nach Möglichkeit im Landwirtschaftsbetrieb hilft, ergänzt: "Das Melken möchte ich noch lernen. Im neuen Melkstand fällt mir das jetzt sicher einfacher." Überhaupt schätzt sie, dass mit dem Umbaunun viele Arbeitsschritte einfacher und kräftesparender von der Hand gehen.
ag
Artikel aus der BauernZeitung vom 24. November: Lernen Sie die BauernZeitung jetzt 4 Wochen kostenlos kennen und gewinnen Sie einen Reisegutschein im Wert von 3000 CHF