Sein Berufsleben verbrachte Hanspeter Limacher als Fabrikant von Fensterläden in der Nordwestschweiz. Der 1937 geborene Baselbieter hatte mit Landwirtschaft nichts zu tun. Doch in den letzten 20 Jahren pflegte er einen Garten mit vielen Obstbäumen. Sein Hobby begleitete er mit Fortbildungskursen. Und so erntete er jedes Jahr Kirschen, Zwetschgen, Pfirsiche und insbesondere Äpfel.

Auf 1200 Metern über Meer

2005 besuchte Hanspeter Limacher erstmals Madagaskar, und fortan hielt er sich oft mehrere Male pro Jahr dort auf. Vor zwei Jahren ist der tatkräftige Rentner ausgewandert und hat sich in der Stadt Antsirabe niedergelassen. Die Region liegt auf rund 1200 Metern über Meer und ist das wichtigste landwirtschaftliche Produktionszentrum des riesigen Inselstaates im Indischen Ozean. Das Potenzial ist gross. Dies dachte sich auch die Schweizer Entwicklungshilfe – die heutige Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) – vor 50 Jahren und pflanzte im Rahmen eines gross angelegten Projekts Obstbäume. 

Die Deza hat sich längst aus diesem Projekt zurückgezogen, doch die Bäume stehen noch. Nur wurden sie nie gepflegt. Das sah Hanspeter Limacher sofort, als er die Region um Antsirabe erkundete. 

Schweizer Süssmost

Die Bäume werfen zwar Obst ab, aber die Äpfel sind klein und die Ernte fällt gering aus. Der Zufall wollte es, dass sich auch ein ehemaliger Mitarbeiter der Caritas in Antsirabe niedergelassen hat. Der Freiburger Olivier Mauron kauft seit wenigen Jahren
Äpfel auf und verarbeitet sie zu Süssmost. Die beiden Auslandschweizer fanden sich schnell zu einem Projekt zusammen. 

Sie gehen in die Dörfer und Hanspeter Limacher zeigt den Bauern, wie man Bäume fachkundig schneidet. Sein Ziel: durch den Mehrertrag den zumeist bitterarmen Bauern einen Zusatzverdienst ermöglichen. «Es nehmen jeweils rund 20 Bauern an den Kursen teil», sagt Limacher. «Das Problem ist immer, einen Bauern zu überzeugen, dass ich an seinem Baum herumschneiden darf.» Die Bauern sehen, dass Ast um Ast weggesägt wird, und befürchten, dass die Ernte dann geringer sein wird. Doch schon im nächsten Jahr merken sie, dass zwar weniger Äpfel wachsen, diese aber grösser sind. Aus 20 Kilogramm Ernte eines Apfelbaumes werden so schnell einmal 30 und mehr Kilogramm in besserer Qualität.

Die Bauern besitzen keine Werkzeuge. «Sogar in Antsirabe, die zweitgrösste Stadt Madagaskars und Zentrum einer grossen
Agrarlandschaft, gibt es kein Geschäft, das vernünftiges Werkzeug verkauft.» 

Werkzeug herangekarrt

Hanspeter Limacher brachte Sägen und Astscheren aus der Schweiz mit, und inzwischen gibt es sie auch in der Hauptstadt zu kaufen. «Die Bauern haben auch keine richtigen Leitern», sagt Limacher. «Sie klettern auf den Baum, um die Früchte abzulesen. Oft nehmen sie bereits unreife Äpfel, weil sie Geld brauchen.» Inzwischen haben die beiden Schweizer sogar ein System einer Werkzeugvermietung aufgebaut. Die elementaren Baumpflege-Utensilien werden Vertrauensbauern zur Verfügung gestellt, die sie tageweise untervermieten dürfen.

In den Kursen werden die Werkzeuge vorgestellt, erklärt und im praktischen Teil dann eingesetzt. «Theoretisches Erklären ist zwar gut, aber nur in der Praxis sehen die Bauern konkret, wozu die Werkzeuge dienen», kommentiert der Fachmann sein Vorgehen. Die beiden Schweizer predigen ebenfalls, die Früchte länger am Baum zu lassen.

Olivier Mauron schliesst inzwischen sogar Verträge mit den Obstbauern, denen er Werkzeug und Vorschuss liefert. Er misst mittlerweile bei der Abnahme auch den Zuckergehalt des Obstes. Obst ergibt einen idealen Zusatzverdienst für die Bauern, die sonst Reisfelder bestellen und ein paar Zeburinder halten. 

Obst bringt Sicherheit

Die ländliche Kriminalität in Madagaskar nimmt stetig zu. So kann schnell einmal ein Rind gestohlen werden; oder Vanille, das schwarze Gold Madagaskars, wovon eine kleine Menge einen sehr grossen Geldwert hat. «Obst ist ein sicheres Produkt», meint Hanspeter Limacher. «Es wäre zu viel Aufwand, mit gestohlenen Äpfeln reich zu werden.» In der Region um Antsirabe gibt es keine reinen Obstbauern. Normalerweise besitzt ein Bauer ein paar Dutzend bis ein paar hundert Bäume. Zudem haben viele Bauern Bienenstöcke aufgestellt und nutzen den Honig für den Eigenverbrauch oder den Verkauf. Meist sind die Bauern nur Pächter und müssen sich noch als Taglöhner verdingen, um ihre grossköpfige Familie durchzubringen.

Oliver Maurons kleine Mosterei hat im Februar und März Hochsaison. Dann liefern die Bauern ihre Ernte. Oft sind diese mit Ochsenwagen einen oder zwei Tage unterwegs. Der in Fünfliter-Boxen abgepackte Apfelmost findet in Madagaskar einen sehr guten Absatz und ist inzwischen auch in der Hauptstadt Antananarivo und in der Hafenstadt Tamatave erhältlich. Zum letzten 1.-Augustfest servierte sogar die Schweizer Botschaft das gelbgoldene Getränk. Mauron produziert inzwischen um die 3000 Liter Apfelsaft. 

Breite Angebotspalette

Im tropischen Madagaskar wachsen Obst- und Fruchtsorten aller Art. Von herrlichen Mangos bis Litschis; von Ananas bis Papaya; nebst Orangen auch Bananen, Erdbeeren, Kaki und viele mehr. Erst in neuerer Zeit begannen ein paar wenige Unternehmen, diese Bioprodukte auch als Fruchtsäfte zu vermarkten. Noch heute werden die Fruchtgetränke aus Südafrika in Getränkekartons importiert, und kaum ein Restaurant serviert frisch gepresste Fruchtsäfte. Dies gilt auch für den im Land beliebten Saft der Stachelannone, der als Corossol bekannt ist. 

Hanspeter Limacher macht sich Sorgen um die Zukunft der Apfelbäume: «Mittelfristig besteht das Problem, dass es kaum neue Baumplantagen gibt. Der Bestand ist 40 und mehr Jahre alt.» 

Ratschläge angenommen

Während seiner Baumschneidetourneen rät er den Bauern zu Neupflanzungen. Sie hören inzwischen auf seine Ratschläge und nennen ihn ehrfurchtsvoll den Baumflüsterer. Dass diese allerdings neue Baumplantagen pflanzen werden, bezweifelt Hanspeter Limacher. Doch immerhin kann er ihnen eine Erntesteigerung ermöglichen und hätte dazu gerne eine Arbeitshilfe aus der Schweiz. Denn Limacher geht auf die 80 Jahre zu und da wird der manuelle Einsatz etwas schwieriger. Doch seine Ratschläge sind in einem Land, in welchem die Weisheit der Alten hoch geschätzt wird, sehr willkommen. 

Franz Stadelmann, Madagaskarhaus Basel