Bea erblickte das Licht der Welt vor etwas mehr als einem Monat. Dass es ein weibliches Kalb wurde, war kein Zufall, sondern Kalkül. Bauer Roman Bohner aus dem bernischen Leuzigen liess Kuh Benita, Beas Mutter, Anfang 2014 mit Spermien von Stier X-ODYSSEY-ET besamen. Und zwar mit ausschliesslich "weiblichen" Spermien, die nur X-Chromosomen enthielten. Resultat ist Kuhkalb Bea.

Seit 2008 setzt Bohner Spermien ein, die nur weibliches Erbgut enthalten. In der Branche spricht man von "gesextem" Samen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Kalb auch das gewünschte Geschlecht hat, liegt bei 90 Prozent. Bohner lässt rund 40 Prozent seiner Kühe mit gesextem Sperma besamen. 26 "geplante" weibliche Kälber sind so gezeugt worden. Lediglich zwei Mal gab es ein männliches statt ein weibliches Kalb.

Besser planen, mehr Effizienz

Für "gesextes" Sperma muss Bohner zwar mehr bezahlen als für konventionelles. Das zahle sich aber aus, erklärt der 33-jährige Landwirt. Ein Vorteil sei die gezieltere Zucht, die durch das gesexte Sperma ermöglicht werde. "Ich hatte früher gute Kühe im Stall, von denen ich gerne ein Kuhkalb für die Zucht gehabt hätte. Doch es kam vor, dass diese nur Stierkälber geboren haben." Heute spielt der Zufall Bohner keinen Streich mehr. Dank dem gesexten Sperma kann der Landwirt gezielt mit seinen gesündesten und leistungsstärksten Kühen weibliche Kälber für die Milchproduktion "produzieren". Und damit den Zuchtfortschritt seiner Tiere beschleunigen.

Ein weiterer Vorteil ist die bessere Planbarkeit: Mit dem gesexten Sperma kann er ziemlich genau so viele weibliche Kälber zeugen lassen, wie er für die Milchproduktion benötigt. "Mit konventionellem Sperma hast du in einem Jahr vielleicht zehn Kuhkälber, in einem anderen Jahr vielleicht nur vier bis fünf", so Bohner. Das mache es schwierig, den Stall gleichmässig auszulasten.

Höherer Erlös


Die Geburt von Stierkälbern kann Bohner weitgehend vermeiden. Für ihn ist das gut, denn in seinem Stall stehen Red Holstein- und Holstein-Rinder. Diese geben zwar viel Milch, eignen sich aber nur bedingt für die Mast. Männliche Kälber sind deshalb wenig lukrativ für Bohner, weil sie nur geringe Fleischerlöse einbringen.

Weil Bohner dank des gesexten Spermas die Anzahl weibliche Kälber erhält, die er für die Milchproduktion braucht, kann er die restlichen Tiere mit Sperma eines Fleischrassestiers besamen lassen. Das ergibt Kälber, die mehr Fleisch ansetzen und damit einen höheren Erlös abwerfen.

Bauer Bohner ist kein Einzelfall. Immer mehr Bauern wollen die Bestimmung des Geschlechts ihrer Kälber nicht mehr dem Zufall überlassen. Swissgenetics, der grösste Schweizer Anbieter von Rindersperma, verzeichnet bei den Verkäufen von gesextem Samen jährlich zweistellige Zuwachsraten. Im Geschäftsjahr 2013/14 wurden rund 50‘000 Dosen verkauft, so viele wie noch nie seit der Einführung vor sieben Jahren (siehe Grafik). Damit macht gesextes Sperma rund 6 Prozent aller Samendosen aus, die Swissgenetics verkauft.

In den nächsten Jahren sei mit einem weiteren starken Wachstum zu rechnen, erklärt René Bucher, Kommunikations-Chef von Swissgenetics. Vor allem bei Bauern mit stark milchbetonten Rassen sei gesextes Sperma beliebt. "Ein grosser Teil der Viehzüchter hat erkannt, dass gesexter Samen als Bestandteil der Betriebsstrategie den Profit der Herde steigern kann", begründet Bucher die stark wachsende Nachfrage.

Labor für Spermientrennung eingeweiht

Swissgenetics hat auf den Trend reagiert und in Mülligen AG für knapp 2 Mio. Franken ein Labor gebaut, das die Produktion von gesextem Samen ermöglicht. Dieses wurde Ende November 2014 offiziell eröffnet. Betrieben wird es von der US-Firma "Sexing Technologies", der das Patent für die Spermientrennung besitzt (siehe Kasten).

Bis anhin musste Swissgenetics die eigenen Stiere ins französische Roulans bringen, um gesexten Samen produzieren zu können – eine aufwendige und kostspielige Prozedur. Gelohnt hat sich das nur für die besten Stiere. Dank dem eigenen Labor kann das Angebot an gesextem Sperma zukünftig ausgeweitet werden. Zudem kann Swissgenetics die im Vergleich zum konventionellen Sperma deutlich teureren gesexten Samen künftig kostengünstiger produzieren, deshalb hat der Marktleader die Preise Anfang November 2014 bereits gesenkt.

Bauer Bohner ist vom gesexten Sperma überzeugt, in der Zucht habe er damit Fortschritte erzielt. Nur einen Wermutstropfen gebe es: Die Befruchtungsfähigkeit des gesexten Spermas sei etwas tiefer als beim konventionellen. Bohner lässt sich dadurch aber nicht beirren: "Wenn eine Kuh nach der ersten Besamung mit gesextem Samen nicht trächtig ist und gut in die Brunst kommt, wird sie auch ein zweites Mal gesext besamt."

Michael Wahl, lid