Es gibt Momente in meinem Alltag, da kann ich mit meiner Zeit anfangen, was ich will. Dann ertappe ich mich, wie ich alles abspule, was erledigt ist, um sicher zu gehen, dass ich wirklich Zeit habe! «Die Wäsche erledigt, der Kühlschrank voll, die Stallarbeit getan, das Haus geputzt    alles im grünen Bereich, ich war richtig fleissig! Ich hab es verdient zu tun, was mir Spass macht!»


Während ich darüber nachdenke, ob ich in meinem Roman lesen, die lange fertige Idee in meinem Kopf umsetzen, ein feines Dessert essen, einen Spaziergang durch den Wald machen, oder den Fernseher (der zu dieser Tageszeit, hurra, frei ist   (!) belagern soll, kommen sie! Ungefragt!

Wie Raben, die sich auf meinen Schultern niederlassen und mir in die Ohren krächzen: «Wie bitte? Du willst mitten am Tag fernsehen? Guck zuerst in deine Fensterscheiben! Lesen, bist du von Sinnen! Denk an deinen Keller, der braucht eine Entrümpelung, und wenn du gerade im Keller bist, ähm deine Kühltruhe, na du weisst schon   ! Ausserdem gibts ganz bestimmt keinen Waldspaziergang, bevor du deine Haushaltsabrechnung gemacht und zumindest einen Teil deiner Flickwäsche erledigt hast! So siehts aus! Hör auf zu träumen!»

Da stehe ich mit all diesen Gedanken. Ich nenne sie «Krähengedanken», weil sie laut, unangemessen und dunkel sind! Ohren zuhalten nützt etwa so viel, wie wenn ein kleines Kind sich die Augen verdeckt und meint, die anderen würden es nicht sehen! Und, was mache ich jetzt?


Was mache ich mit meiner Überverantwortlichkeit, meinem Gefühl von Wertlosigkeit, wenn ich «nichts» leiste, meiner Angst vor den Erwartungen anderer?


Vor einigen Tagen bin ich 43 geworden, und ich verrate Ihnen was: Ich liebe es, 43 zu sein! Es wird einfacher, meinen «Krähengedanken» entgegenzutreten, weil ich mich entschieden habe! Ich habe beschlossen, am Ende eines Tages nicht darauf zu schauen, was erledigt ist, sondern ob ich mich bei der Arbeit wohl gefühlt, und meine «Alltagsperle» gefunden habe.

Was kümmern mich meine Fenster (und die Meinung anderer darüber), wenn ich einen Film und einen Kakao mit viel «Nidel» genossen habe? Mit geniessen meine ich, mich bis in die Zehenspitzen zu freuen! Und warum ist meine Flickwäsche wichtiger als Zeit mit einer Freundin zu verbringen?


Neulich habe ich einen Waldlauf gemacht. Überall sah ich Spuren von Tieren und Menschen. Wenn ich versuchte, in Spuren zu treten, die vor mir jemand ging, merkte ich, dass es nicht funktionierte! Das Laufen war anstrengend und mühsam!

Als ich mir jedoch meinen eigenen Weg suchte, passierten zwei Dinge: Erstens war mein Weg zwar nicht einfacher, aber ich fühlte mich beim Laufen wohl, weil es mein Weg war! Und zweitens hinterliess ich im Schnee eine Spur, meine eigene zu mir passende Spur! Und das hat mich zutiefst befriedigt und mein Herz bis zum Rand mit Freude gefüllt!

Therese Looser