Mit schlafwandlerischer Sicherheit bewege ich mich durch meine Morgenroutine. Aufstehen, anziehen, Kaffee machen, Kuhläger putzen, Milch leeren, Kälber tränken    Kurz gesagt, ich bin hundemüde und einiges an meinem Körper schmerzt, vor allem Arme und Hände machen sich bei jeder Bewegung bemerkbar.

Wen wunderts? Die Sonne liess wieder einmal Gnade walten und hat uns ein paar schöne Tage beschert. Da heisst es «a d Säck»! Weil aber der Boden nass ist, schwingen wir den Rechen und den Bläser an allen möglichen und unmöglichen Orten. Zum guten Glück rechen wir Streue und Emd und nicht Heu.


Ein Sonntag, Mitte Mai: die Familie ist versammelt und wartet auf das Mittagessen. Genügend Zeit also, um Maschinen betriebsbereit zu machen. Das Gras und das Wetter locken. Und dann geht es auf einmal, ohne grosse Beratung, Schlag auf Schlag. Der Älteste lässt das Mähwerk aufheulen, da schiesst der Jüngste bereits mit der Mähmaschine aus dem Tenn, die ersten Halme fallen. Die Heuernte ist eröffnet, uns bleibt, die Jungen zu ermahnen, Mithilfe sei vonnöten. Bis dato entwickelten sich alle Schönwetterperioden zu Arbeitsmarathonen.


Je länger der Sommer (!?) – Vegetationszeit käme dieser Jahreszeit wohl am allernächsten – desto unbeständiger das Wetter. Aus schönen Tagen wurden Tage mit «Regen möglich», entwickelten sich zu Tage mit «Regen in den Voralpen, Alpen und/oder im Osten» und endeten nicht selten im Dauerregen.


Ich habe auf der Alp wohl noch nie so viel Holz gebraucht für das Trocknen von Kleidung. Meistens war kurz nach Sonnenaufgang der erste Tenu-Wechsel angesagt. Zwischen Bergschuhen, Regenjacken, Socken und Hosen hindurch versuchte ich einen Blick auf das köchelnde Essen zu erhaschen.


Jede Woche starteten wir neu, mit der Hoffnung auf besseres Wetter; wir waren überzeugt, es müsse doch nun endlich anders kommen. Lostage verstrichen mit keiner anderen Gewissheit als der fortwährenden Unbeständigkeit. Wir waren uns alle einig, wir haben den «Leck mer   ». Da wäre Futter, welches unbedingt weg sollte, nicht nur, weil es sich gelb verfärbt, sondern weil bald die Kühe von der Alp zurückkehren. Da ist eine Belüftung, die kein schwer eingebrachtes Futter mehr duldet und die Hangneigung, die kein Fahren zulässt und aus Pneus Skis werden lässt.


Und dann sind wir eingeladen worden und verbrachten ein Wochenende im Berner Oberland. Schon bei der Anreise begrüssten uns bräunlich verfärbte Heuwiesen. Nicht da und dort, sondern weit herum. Stotzig die Wiesen und, wie könnte es anders sein, viel zu nass, um sie mit Maschinen zu bewirtschaften, auch wenn dann die Sonne einmal kurz vorbeischaute. Jedes freie Plätzchen in den Ställen ist belegt mit feucht-nassem Futter.


Wir werden ganz schnell ganz zufrieden. Dankbar für die Tage, die es uns ermöglichten, das Heu und das erste Emd unter Dach und Fach zu bringen. Dankbar für die Mithilfe unserer Kinder, obwohl sie alle selbst in einem strengen Arbeitsalltag eingebunden sind. Dankbar, dass der Regen gnädig war und uns nicht Hab und Gut vor der Nase weggeschwemmt hat.

Daniela Rutz