Jedes Frühjahr entwickelt unsere Firma ein Strategiepapier zum Thema «Effiziente Weidebewirtschaftung im Jahr XXXX». Alle Mitarbeiter liefern Erfahrungen aus den vergangenen Jahren, Erkenntnisse aus dem Status quo und Visionen für die laufende Saison, und gemeinsam entwickeln wir einen Vorgehensplan. Anwesend sind auch immer Mutter Natur und Vater Schöpfung, die sich aber regelmässig nicht zu Wort melden und so eine verlässliche Prognose verunmöglichen. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Eindämmung der Verunkrautung.



Status quo: Unser Betrieb weist einen grösseren Anteil an Weiden aus, die Mehrheit mit einer Neigung von 35 bis über 50 Prozent. Sie liegen verstreut, bilden also nicht eine Parzelleneinheit mit dem Mutterbetrieb. Beweidet werden sie von unserem Vieh, vornehmlich von der jüngeren Generation, die leichter ist und damit die Trittschäden bei ungünstiger Witterung in einem vertretbaren Rahmen hält.



Vision: Beweidung in einem Ausmass, das dem Wachstum und der Verbreitung von Unkraut, Dornengewächsen und Disteln in grösstmöglichem Mass Vorschub leistet, damit möglichst wenig Mäh- und Entsorgungsarbeiten, Distelrupfaktionen und chemische Unkrautbekämpfung während der Vegetationszeit nötig sind.



Erstes Communiqué: Die warme, sehr trockene Witterung im April verhinderte einen frühen Weidegang, da kaum Gras wuchs. Vorteil: Auch Dornen und Co. sind kaum gewachsen. Wir planen, den Mai zu nutzen, um ein gutes Fundament für die Vision zu legen.



Zweites Communiqué: Der Mai brachte unerwartet kalte, sehr nasse Witterung, immer wieder versetzt mit Schnee, der eine Beweidung unter dem Aspekt der Effizienz verhinderte. Vieh in drei Ställen zu füttern und teilweise am Brunnen zu tränken entspricht nicht dem Ziel des Jahresplans und ist in hohem Masse unwirtschaftlich.



Drittes Communiqué: Trotz schlechten Aussichten im Mai war es möglich, den grössten Teil der Weide in einer ersten Runde gut abzugrasen, bevor der Haupt-harst des Viehbestands seinen Sommeraufenthalt auf der Voralp antrat. Trotzdem, oder gerade wegen der idealen Witterung im Rest Mai und Juni zeigt sich ein überdurchschnittliches Wachstum der unerwünschten Vegetation. Die Mitarbeiter sind sich (murrend) bewusst, dass Einsätze mit der Rückenspritze, Fräse, Mähmaschine, Gabel und Rechen unvermeidbar sind. Probleme verursacht das Zeitmanagement, da das Heuen und die bevorstehende Alpfahrt viel Zeit in Anspruch nehmen und die Wetterverhältnisse nicht immer ideal (!) sind. Eine Weide konnte von zwei Mitarbeitern in einem je sechsstündigen Einsatz chemisch behandelt werden. Die Kosten übersteigen bereits den budgetierten Aufwand!



Aussichten: Bald müht sich die Arbeiterschaft an den Hängen mit dem unvermeidlichen Distelmähen oder Rupfen, schleppt schwere Rückenspritzen hin und her, um den Plagegeistern Herr zu werden. Frust breitet sich aus, weil alle dem Jahresplan hinterher jagen und das Überstundenkonto überstrapaziert wird.



Konflikte sind vorprogrammiert, die Finanzhaie sitzen allen im Nacken und heizen die angespannte Situation noch an. Sollte sich Mutter Natur in der zweiten Jahreshälfte unkooperativ und launisch verhalten, könnte die Strategie zu Fall gebracht werden, und das Jahresziel würde um ein Vielfaches verfehlt. Kurz: die Praxis entspricht nicht der Theorie!

Hat noch irgendjemand Fragen in Sachen Biodiversität?


Daniela Rutz