Anfang Februar durfte Paula Räss ihren 60. Geburtstag feiern. Und Ende April werden es 30 Jahre sein, dass sie mit Albert Räss – weit herum bekannt als «Kälis von der Furgglenalp» – verheiratet ist.


«Interessant, wie die Wege gehen», sinniert Paula Räss, die ursprünglich aus dem urnerischen Schattdorf stammt. Ausbilden liess sie sich zur Handarbeitslehrerin. Sie hat damit ihr geliebtes Hobby zum Beruf gemacht. Neun Jahre lang unterrichtete sie. Dann unternahm sie Reisen und absolvierte die Bäuerinnenschule. «Ich fühlte mich immer zum Bauernstand hingezogen», erinnert sich Paula Räss.


Der Altersunterschied ist gross

So verwundert es nicht, dass sie eine Beziehung mit einem Bauern einging. Mit einem fröhlichen Lachen erzählt sie von der ersten Begegnung mit ihrem Mann. «Ich ging eine Woche lang als Begleitperson mit einer Schulklasse auf die Alp Furgglen, und da lernte ich Albert kennen.»

Es habe schnell gefunkt zwischen ihnen. Nach zwei Jahren heirateten sie. Zwischen den beiden liegen 17 Jahre Altersunterschied, aber das habe sie nie als Nachteil empfunden. Sie hätten es sehr schön miteinander, so Paula Räss.


Das Ehepaar hat vier mittlerweile erwachsene Söhne. Ihr Hof liegt erhöht zwischen Appenzell und Eggerstanden mit einem herrlichen Blick in den Alpstein. «Das schönste Fleckli, auf dem man leben kann», schwärmt Paula Räss, die mit Leib und Seele Mutter und Bäuerin ist.

Grosse Freude bereitet es ihr, dass drei Söhne Bauern geworden sind. Ihr ältester Sohn ist mit dem Down Syndrom auf die Welt gekommen. Er arbeitet in einer geschützten Werkstätte und hilft daheim seinem Bruder im Stall.  


Anfang Juni geht es hinauf auf die Alp Furggelen


Auf dem Hof packt Paula Räss überall dort an, wo es nötig ist. Heuen, Zäunen, Milchgeschirr waschen oder Traktor fahren, sie könne überall eingesetzt werden. Jedes Jahr freut sich Paula Räss auf die Alp­zeit.

Zirka Anfang Juni geht es jeweils hinauf auf die Alp Furgglen, 1500 m ü. M. Sie ist im Besitz einer Genossenschaft und wird seit 63 Jahren von Familie Räss bewirtschaftet. In der dritten Generation ist seit 2012 der Sohn von Paula und Albert Räss dafür zuständig.


«Solange es uns braucht, gehen wir aber noch hinauf zum Helfen», sagt Paula Räss. Arbeit gibt es mehr als genug. Gesömmert wird das Vieh von 14 Bauern - das sind über 20 Kühe und rund 90 Stück Jungvieh. Dazu kommen jeweils noch einige Ziegen. Die Milch der Furgglenalp wird auf der Nachbarsalp «Rainhütten» zu Käse verarbeitet.


Auf der Furgglenalp besteht auch die Möglichkeit zu übernachten, was vor allem von Familien genutzt wird. Die Besucher können den Sennen bei der Arbeit zuschauen, frische Milch, Käse oder Alpenbutter zum Frühstück geniessen. Wenn es die Umstände erlauben, bietet Paula Räss auch einfache Mahlzeiten an wie Chäsmagronen mit Apfelmus oder Fenz (eine alte Sennenspeise aus Gries).


Ein neuer Lebensabschnitt steht bevor


Auf Paula und Albert Räss wartet nun ein neuer Lebensabschnitt. Am 1. Mai zügeln sie in ein Haus unweit des Hofs. Von diesem «Stöckli» aus haben sie aber direkten Sichtkontakt zum Hof, den der Sohn übernommen hat.

Auch hier gilt: Wenn die Eltern gebraucht werden, stehen sie bereit. «Für Albert wäre es schlimm, nicht mehr helfen zu können», sagt Paula Räss. Trotz seiner 77 Jahre sei er noch sehr fit und könne gut mit anpacken. «Auch ich bin allzeit bereit – und sonst wird es mir auch nie langweilig», sagt Paula Räss lachend.


Ihr grösstes Hobby sei noch immer das Handarbeiten. So näht sie für ihren Mann und die Söhne die Hemden und die braunen Hosen selbst. Dann singt sie in einem Chor mit, ist Helferin in einer Freizeitgruppe für erwachsene Behinderte und besucht regelmässig Leute im Pflegeheim.

Zudem ist sie Freiwillige im Hospiz-Dienst Appenzell, wo sie schwer kranke und sterbende Menschen und ihre Angehörigen begleitet. «Zeit schenken braucht so wenig», umschreibt Paula Räss ihre Motivation.

Vreni Peterer