«Obwohl ich eine glückliche und zufriedene Bäuerin bin, bleibt mein Traumberuf Krankenschwester, wie ich als Kind sagte», erzählt Rita Kälin-Wyss, Bäuerin vom Tempelhof in Augst BL. Denn sie habe nie von einem anderen Beruf geträumt. Sie möge Senioren, Kranke, Kinder und fühle sich zu Menschen, die Unterstützung benötigten, hingezogen.
Keine Bauerntochter
Rita Kälin wuchs mit vier Geschwistern auf in einer nichtbäuerlichen Familie in Neuendorf. Zu ihrem Leidwesen konnte sie wegen eines Ekzems nicht Pflegefachfrau werden und durchlief die zweijährige Ausbildung als Familienpflegerin. Danach arbeitete sie drei Jahre auf diesem Beruf. Vermittelt wurden die Mitarbeiterinnen von einer Frau, die ihr Büro in der Stube eingerichtet hatte, wo kein Computer stand und ein Telefon an der Wand hing.
«Alles klappte stets wunderbar», staunt sie heute noch. Sie lobt diese Zeit, als sie bei verschiedensten Familien in der Nordwestschweiz mehrmonatige Einsätze durchführen durfte. Oder als sie ein paar Wochen in einem Pfarrhaushalt die verunfallte Pfarrköchin ersetzte. Noch heute pflege sie Kontakt zu Leuten, bei denen sie arbeitete und die sie als Familienmitglied betrachteten. Schliesslich hatte sie ihr eigenes Zimmer im Haus.
Am Wallierhof der Liebe begegnet
Doch über alles stellt sie die Zeit, in der sie als Interne die Kantonale Hauswirtschaftliche Schule am Wallierhof absolvierte. «Ich war 19, kannte keine Sorgen, hatte riesigen Fun, wie wir heute sagen, mit den Kameradinnen – und lernte den 20-jährigen Stefan Kälin von Härkingen kennen», blendet sie zurück.
Und lacht: «Damals waren wir jungen Frauen natürlich rigoros getrennt von den jungen Männern, indem wir in einem anderen Trakt wohnten als sie.» Später kehrte sie zurück an den Wallierhof und bestand 1992 die Bäuerinnenprüfung.
2000 den Tempelhof in Pacht übernommen
1985 übernahm Stefan Kälin einen Hof in Neuendorf SO in Pacht. Nach der Heirat 1987 zog sie zu ihm. Stefan Kälin, im Dezember 2012 als Präsident des Bauernverbands beider Basel gewählt, übernahm mit ihr 2000 den Tempelhof in Pacht. Mit ihren drei Buben Michael (26), Patrick (25) und Dominik (21) konnten sie damals in ein neu erstelltes Bauernhaus ziehen.
Alle drei wollten Polizisten werden. Sie beabsichtigten nämlich, wenn sie frei hätten, Papi auf dem Hof zu helfen. Jetzt ist der Älteste Automatiker und bildet sich weiter zum Betriebstechniker HF; der Zweite ist Polymechaniker und absolviert die Technikerschule, und der Dritte Baumaschinenmechaniker. «Keiner wollte Bauer werden», stellt Rita Kälin nüchtern fest, «wir haben ihnen in der Berufswahl total freie Hand gelassen.»
Bilden Lehrlinge aus
Seit acht Jahren bilden Kälins Lehrlinge aus. Erstens weil sie fanden, sie sollten einem jungen Menschen diese Möglichkeit bieten, und zweitens, weil eine weitere Kraft auf dem Hof nötig war. Rita ist zuständig für drinnen und Stefan für draussen. Bei Arbeitsspitzen hilft sie tatkräftig auf dem Betrieb mit. Kälins sind noch der einzige Milchwirtschaftsbetrieb in Augst, pflegen rund 100 Hochstammbäume mit Stein- und Kernobst und eine Kirschenanlage und halten 90 Legehennen.
Aktiv beim Baselbieter Bäuerinnen Apéro
Der Direktverkauf ist ein wichtiger Betriebszweig. Die Bäuerin verkauft grundsätzlich nur Produkte vom eigenen Hof. Seit die Freundin ihres ältesten Sohnes, eine Innenarchitektin, ihr Hof-ladenhäuschen neu konzipiert habe, würde sie mehr verkaufen. Am Freitag bäckt Rita Brot und Zöpfe.
Als Hobby bläst sie Alphorn, hält fünf Weideschweine, fünf Zwergrassehühner und fünf Schafe. Sie macht mit beim Baselbieter Bäuerinnen Apéro und kann nicht genug schwärmen von den drei geschäftsführenden Frauen. Sie ist überzeugt, dass manche junge Bäuerin mit Kindern froh ist um den Zustupf, den sie mit einem Einsatz zu Hause verdienen kann.
Überhaupt, ihre Bäuerinnenkolleginnen! Sie ist Vorstandsmitglied bei der Sektion Liestal und gerne mit ihnen zusammen. «Um Probleme, die wir Bäuerinnen haben, wirklich zu verstehen», sagt sie, «braucht es eine andere Bäuerin.»
Benildis Bentolila