In den Grünland- und damit tierbetonten Regionen war das anders. Präsenz bei den Tieren und die Weiderei, neben dem Eingraset und Heuet, verlangte geradewegs nach Bauten nahe der Futterflächen. Das waren meist keine grossflächigen Betriebe, denn Tiere ermöglichen Wertschöpfung auch auf wenig Land.

Das nutzten findige Bauern und die «Bahnhofbauern» entstanden, später auch «Tierfabriken» genannt. Vor allem in der Ostschweiz und in der Zentralschweiz, dort wo das Wissen um die lukrative Schweinehaltung traditionell am verbreitetsten war. Sie brauchten kein Land, sondern eben nur den Bahnhof für die Anlieferung von Kraftfutter für die Schweine.

Die bodenunabhängigen Betriebe kamen bald unter Beschuss. Seitens der Politik bei der Raumplanung, seitens des Gewässerschutzes wegen der vielen Gülle ohne genügende Ausbringungsmöglichkeiten. Vielen Bodenunabhängigen machte das Gewässerschutzgesetz den Garaus, anderen die DGVE-Limiten und später die ausgeglichene Nährstoffbilanz. Für den Rest sorgte das Raumplanungsgesetz mit Art. 24 beziehungsweise die Raumplanungsverordnung mit Art. 34 und 36: In der Landwirtschaftszone hat mehrheitlich bodenunabhängige Produktion keinen Platz, beschied die Politik.

Der Begriff «innere Aufstockung» hat in der Zentralschweiz und vor allem im Kanton Luzern seit Jahrzehnten eine besondere Bedeutung. Nur dank dieser konnten sich die eher kleinflächigen Betriebe überhaupt erhalten. Der Strukturwandel war deutlich geringer als in anderen Kantonen. Behörden und Berater brüsteten sich damit und Luzern wurde so zum Schweinekanton: Viele Bauern setzen hier, neben der Milch, auf Schweine. Und nun liegt das Geflügel im Trend. Aber wie viel «bodenunabhängig» darfs denn sein, damit «innere Aufstockung» noch landwirtschaftszonenkonform ist?

Das regelte bisher pragmatisch Art. 36 Abs. 1 der erwähnten Raumplanungsverordnung: Entweder muss der Deckungsbeitrag (DB) der bodenunabhängigen Produktion auch nach dem Bau von Anlagen für die bodenunabhängige Tierhaltung kleiner sein als jener aus der bodenabhängigen. Oder wenn das Trockensubstanzpotenzial (TS) des Pflanzenbaus einem Anteil von mindestens 70 Prozent des Trockensubstanzbedarfes des Tierbestandes entspricht. Kompliziert? Einfach heisst das: Man muss mehr Geld mit den bodenabhängigen Zweigen verdienen oder genügend eigenes Futter produzieren können.

In den meisten Kantonen gibt es deswegen kaum Diskussionen, beide Bedingungen 
sind meist erfüllt. Nicht so in Regionen, wo eben Schweine und Geflügel grosse Bedeutung haben. So konnte in Luzern meist nur wegen des TS-Kriteriums eine Baubewilligung überhaupt erst erteilt werden. Damit ist nun Schluss, wurde jüngst in Gerichtsurteilen festgehalten: Nur nach dem DB-Vergleich sei das zulässig, die bisherige Verordnung gar «bundesrechtswidrig», beschied die Justiz an die Adresse des Bundesrates. Seither gehen die Wogen hoch in der Region: Blockierung von Strukturentwicklung und unsachgemässe Entscheide seien das.

Ein Funke in einem schon schwelenden Pulverfass und zunehmend Zielkonflikte: Tierwohl oder Luftverbesserung? Eigenproduktion oder Import von irgendwo? Wer Ammoniakemissionen abbauen muss und statt von Milchvieh auf emissionsarme – weil mit technischen Massnahmen lösbar – Schweine- oder Geflügelhaltung setzen will, darf dies nun nicht mehr. Und wer in Siedlungsnähe seine Stallgerüche auslagern will, kommt in Konflikt mit dem Landschaftsschutz oder mit geomorphologischen Objekten. Auch wer Gemüse unter Folien anbauen will, gilt als bodenunabhängig. Einen Stopp der Zersiedelung und Kulturlandschutz wollen auch die Bauern, dabei aber gleichwohl auf Marktbedürfnisse reagieren und sich unternehmerisch verhalten. Ein 

Umdenken tut not. Die Raumplanung soll auch die Marktrealitäten berücksichtigen. Widersprüche zu Umweltauflagen machen da nicht Sinn. Der Begriff bodenabhängig muss flexibler gehandhabt werden, nicht nur wirtschaftlich. Da ist die Politik gefordert. Denn die Landwirtschaft soll weiterhin in der Landschaft Platz haben.

Josef Scherer

Diese Analyse finden Sie in der BauernZeitung vom 23. März. Lernen Sie  die BauernZeitung jetzt 4 Wochen kostenlos kennen und gewinnen Sie einen Reisegutschein im Wert von 3000 CHF.