Precision Farming oder auch Smart Farming bedeutet unter anderem die ortsdifferenzierte und zielgerichtete Bewirtschaftung von landwirtschaftlicher Nutzfläche mit Hilfe von ausgeklügelter Technik: Mit GPS-Systemen ausgestattete und automatisch fahrende Traktoren, der Einsatz von Robotern in Gemüsekulturen, Sensoren in Gewächshäusern oder Drohnen für den Pflanzenschutz. Auch in der Tierhaltung kommt Smart Farming zum Einsatz – an vernetzte Computersysteme angehängte Melkroboter, die penibel die Milchleistung und die Qualität der Milch aufzeichnen oder Fütterungsroboter, die den Futterinput des Tieres genau aufzeichnen.

Der Einsatzbereich von Smart-Farming-Technologien ist immens und die ständig fortschreitende Digitalisierung bringt immer neue Tools, Systeme, Rechner, Programme und neu entwickelte Technik hervor: Gerade erst eingeführte Computer-Aided-Farming-Technologien werden wieder abgelöst oder erschliessen ganz neue Bereiche.

Entwicklung der Präzisionslandwirtschaft

Die technologische Entwicklung im Landwirtschaftsbereich begann vor rund 40 Jahren – sowohl beim Ackerbau wie auch bei der Nutztierhaltung. «Angetrieben von den vorher stattgefundenen Entwicklungen von in der Industrie eingesetzten Robotern, Lasertechnologien und den Technologien zur Tieridentifikation wurden die ersten automatischen Melksysteme in den 1980er-Jahren in England und den Niederlanden entwickelt», erklärt Dr. Nadja El Benni, Leiterin des Forschungsbereichs Wettbewerbsfähigkeit und Systembewertung am eidgenössischen landwirtschaftlichen Forschungsinstituts Agroscope. Es dauerte aber noch rund 20 Jahre bis Melkroboter auch kommerziell verfügbar waren. 1992 wurde der erste Melkroboter auf einem niederländischen Landwirtschaftsbetrieb in Betrieb genommen. Kurz darauf folgten kommerziell verfügbare Melkroboter in Deutschland und Dänemark. 1999 baute der erste Schweizer Betrieb einen Melkroboter ein.

Eine ähnliche Entwicklung hat die Präzisionslandwirtschaft im Bereich Ackerbau erlebt: An den ersten Technologien wurde in den 1980er-Jahren getüftelt, Anfang der 1990er-Jahre kamen erste mehr oder weniger ausgereifte Technologien auf den Markt. Im Ackerbau könne zwischen diagnostischen und applikativen Technologien unterschieden werden, sagt Nadja El Benni: «Diagnostische Technologien liefern sensorbasierte Informationen beispielsweise zur Erntequalität, Bodenfeuchte oder auch Ertragskarten. Applikative Technologien nutzen diese Information und setzen sie in einem Produktionsverfahren um, wie beispielsweise die teilflächen- oder pflanzenspezifische Ausbringung von Düngern oder Pflanzenschutzmitteln.» Dabei seien die informationsgebenden Technologien weltweit weiter verbreitet als die ausführenden Technologien.

Schweizer Verhältnisse beachten

Grundsätzlich sei Smart Farming in allen Bereichen der Schweizer Landwirtschaft möglich, sowohl im Pflanzenbau inklusive Spezialkulturen als auch in der Tierhaltung, sagt El Benni: «Die Forschungsprojekte von Agroscope mit verschiedenen Partnern aus der Wirtschaft und der Praxis zeigen dies auch auf. Es ist wichtig, die für die Schweiz relevanten Technologien zu identifizieren und auf die Schweizer Verhältnisse auszurichten und weiterzuentwickeln.» Dazu arbeite Agroscope zum Beispiel in Innosuisse-Projekten gemeinsam mit Praxispartnern an Lösungen, die auf die Schweizer Bedingungen angepasst seien, so El Benni.

Im Bereich Smart Farming sind heutzutage weltweit Traktoren mit GPS-gesteuerten Lenksystemen am weitesten verbreitet und in den meisten neuen Traktoren bereits beim Kauf integriert oder zumindest hardwaremässig vorbereitet. Bis dahin war es aber auch in der Schweiz ein langer Weg, erzählt Hanspeter Lauper – er ist Gründer und Geschäftsführer der Landag AG im Berner Seeland, die im Bereich Saaten, Getreideernte, Anbau und Bodenproben Smart-Farming-Lösungen anbietet. Vor rund 30 Jahren hat der gelernte Landmaschinenmechaniker nach diversen Weiterbildungen im Bereich Mechatronik zu unterrichten begonnen und dann aus Eigeninteresse erste eigene Gehversuche mit Smart-Farming-Technologien gemacht. «Während in Nordamerika bereits Mitte 1990er-Jahre die ersten Traktoren automatisch fuhren, hatten wir erst 2002 ein erstes GPS-Parallelfahrhilfe-System auf unserem Traktor installiert», erklärt Hanspeter Lauper, «funktioniert hat es allerdings nicht zufriedenstellend – erst seit ungefähr 2010 fahren unsere Traktoren wirklich automatisch.»

Noch viele Synergien ungenutzt

Die Smart-Farming-Technologien haben die Schweiz also schon länger erreicht und damit auch viel Fortschritt und Optimierung mit sich gebracht. Andererseits bringen die sich immer neu erfindenden Technologien neue Herausforderungen mit sich. Viele Synergieeffekte für «smarte» Lösungen blieben nach wie vor ungenutzt, sagt Nadja El Benni: «Beispielsweise sind Technologien und Daten zum Teil noch ungenügend miteinander verknüpft, um einen echten Mehrwert aus der Digitalisierung zu ziehen.» Und zuletzt ist es eine Kunst, überhaupt die richtigen Daten herauszuziehen und weiterzuverarbeiten.

Tatsächlich liege die Herausforderung aktuell vor allem noch in der Datenverarbeitung, sagt auch Hanspeter Lauper. Die zunehmende Digitalisierung der Landwirtschaft bringt nämlich auch eine grosse Flut an Daten und Informationen mit sich. «An der bei uns am weitesten entwickelten Maschine sind rund 16 Elektronikrechner/Computer, die beim Einsatz alle miteinander über den sogenannten CAN-BUS vernetzt sind – und alle liefern nicht nur Daten, sondern haben auch gleichzeitig Datenbedarf», erklärt Hanspeter Lauper. Aktuell gebe es darum viel Entwicklung bei den sogenannten Cloudsystemen, auf denen all diese Daten zentral geführt und verarbeitet werden.

Hohe Ansprüche an Mitarbeitende

Auch seien die Ansprüche an den Fahrer oder «Operator» gestiegen: Traktorfahren zu können alleine reiche nicht mehr, es brauche computer- und digitalaffine Personen, die in dem Bereich sehr viel Knowhow und Genauigkeit mitbrächten, meint Hanspeter Lauper. Das Management sei extrem herausfordernd und es müsse sehr genau gearbeitet werden: «Die Vernetzung zwischen Maschine, den verschiedenen Datencomputern, unserem Büro und zuletzt dem Landwirtschaftsbetrieb muss perfekt funktionieren. Die vielen Schnittstellen bringen aber auch viel Raum für Fehler mit sich – das fängt schon bei der Namensgebung bei einer Erstvermessung eines Feldes an: Wenn da beispielsweise ein Feld falsch beschriftet wird, ist der Fehler innert kürzester Zeit in jeder vernetzten Anwendung und eine optimale Datensortierung ist nicht mehr oder nur noch sehr aufwändig und zeitintensiv möglich. Eine einheitliche Datenablage ist das A und O.»

Neben dem Datenmanagement ist in der Schweiz auch die Auslastung von Smart-Farming-Technologien eine Herausforderung – besonders im Ackerbau. Die Schweiz hat eine kleine Struktur und die kostenintensive Smart-Farming-Technik wird in Ländern mit grösseren Strukturen wie den USA, Kanada oder Neuseeland in Bezug auf Einsatzstunden und Fläche besser ausgelastet. «Wer nicht genug Auslastung hat, wird nie effizient», sagt Hanspeter Lauper und rechnet vor: «Wenn wir einen neuen Mähdrescher für rund 500’000 Franken kaufen, vergehen etwa 15 Jahre, bis wir den mit der hiesigen Auslastung wieder austauschen – in Nordamerika ist derselbe Mähdrescher in 3 bis 4 Jahren durch.»

Und da sich die Technik schnell entwickelt, erfolge der Wechsel auf eine erneut bessere Technik in Ländern mit grossen Strukturen und hoher Jahresauslastung entsprechend schneller. Eine Hardware-Generation hat eine Zykluszeit von zirka 7 Jahren – Software wird laufend erneuert und heutzutage bei führenden Herstellern zwei- bis dreimal jährlich in Form von Updates auf den neuesten Stand gebracht.

Vernetzung ist noch ungenügend

Heute sind die einzelnen Bausteine für ein digitales gesamtbetriebliches Management in der Schweiz bereits vorhanden, sagt Nadja El Benni: «Allerdings ist die Vernetzung noch ungenügend, der Wert der Daten ist noch nicht gehoben und damit ist auch der Mehrwert der Digitalisierung für das Betriebsmanagement noch wenig greifbar.» Agroscope arbeite aber unter anderem mit der Swiss Future Farm daran, den Wert der vielen verfügbaren Daten – sei es im Ackerbau oder in der Tierhaltung – in einen echten Mehrwert umzuwandeln und so Entscheidungsgrundlagen für ein datenbasiertes Betriebsmanagement zu schaffen.

Dass man beispielsweise im Ackerbau mit Smart Farming die Rendite stark erhöhen könne, sei eine Illusion, sagt Hanspeter Lauper. Bereits jetzt würde fast das Maximum aus dem Boden geholt. Allerdings sei mit Smart Farming eine Effizienzsteigerung möglich: Smart Farming hilft langfristig durch präzisen Einsatz und damit mit beinahe null Verschwendung von Samen, Pflanzenschutz etc. ökologischer und ökonomischer zu produzieren. «Es ist möglich, mit gleich viel Input mehr herauszuholen oder mit weniger Input gleichviel herauszuholen», sagt Hanspeter Lauper. Eine ertragreichere Landwirtschaft bringt Smart Farming also nicht unbedingt – aber einen optimierten Einsatz aller beteiligten Ressourcen wie Mensch, Natur oder Maschine.