Statistisch gesehen gibt es in der Schweiz nach Angaben des Bundes alle zwei Tage ein Fischsterben. Dabei verenden Fische und Krebse per Definition durch eine rasche Änderung der Gewässereigenschaften, insbesondere der Wasserqualität. Zwar können auch natürliche Ursachen wie Trockenheit oder Murgänge ein Fischsterben auslösen, meist ist aber der Mensch dafür verantwortlich. Und am häufigsten passiert es nach einem Unfall mit Gülle.

Medienberichte zu Gewässerverschmutzungen mit Gülle sind meist harte Kost. Schon allein der Begriff der «Verschmutzung» lässt einem zusammenzucken – umso mehr nach dem emotionalen Abstimmungskampf rund um die Pflanzenschutz-Initiativen. Und wie oben erwähnt, richtet sich der Begriff «Fischsterben» nicht nach einer Menge von Tieren, die zu Tode kommen. Drastisch klingt es allemal.

Schnell reagieren ist doppelt sinnvoll

Darüber zu schweigen ist allerdings keine gute Idee, wie Marcel Meier vom Amt für Umwelt des Kantons Thurgau erklärt: «Wenn etwas passiert, sollte umgehend die Feuerwehr alarmiert werden.» Die Einsatzkräfte können durch Abpumpen, Gewässersperren und das Spülen mit Frischwassser das Ausmass der Schäden verringern, wenn sie rechtzeitig vor Ort sind. So besteht die Chance, dass nicht alle Wasserbewohner von der Gülle geschädigt werden. Das ist auch für den betroffenen Landwirt von Vorteil, da seine schnelle Reaktion strafmildernd sein kann.

Kosten gehen zulasten des Landwirts

«Eine Gewässerverschmutzung ist ein Offizialdelikt, das durch die Polizei angezeigt wird», erläutert Marcel Meier. Die Ahndung geschehe auf zwei Ebenen: Einerseits gibt es eine Busse, andererseits kann die Staatsanwaltschaft nach der Anzeige ein Verfahren eröffnen und es gibt einen Eintrag ins Strafregister. Die Rolle des Amts für Umwelt besteht laut Meier darin, den Sachverhalt aufzunehmen und einen Bericht zuhanden der Staatsanwaltschaft zu schreiben. Zeigt sich der betroffene Landwirt oder die Landwirtin kooperativ und hat schnell mit der Verständigung der Feuerwehr reagiert, wird das dort vermerkt. «Das kann die Busse beeinflussen», meint der Fachmann. Wie hoch diese ausfällt, lasse sich kaum pauschal sagen. Ausserdem muss der Verursacher für die Kosten aufkommen, was gemäss Vollzugshilfe des Bundes einerseits den Schaden durch vermindertes Ertragsvermögen für Fischer, aber auch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes und weitere Aufwände (z. B. für Untersuchungen) umfasst. Die Kosten für den Einsatz der Feuerwehr gehen ebenfalls zulasten des Landwirts.

Haftpflichtversicherung zahlt

Das Risiko einer Umweltbeeinträchtigung ist über die Betriebshaftpflichtversicherung abgedeckt. Dabei ist der Selbstbehalt zu beachten und der Einzelfall zu beurteilen, betont Andreas Stucki von der Emmental Versicherung: «Der Versicherer zahlt, wenn es sich um einen einzelnen, plötzlich eintretenden und unvorhersehbaren Vorfall handelt». Entsteht ein Gülleeintrag hingegen aufgrund einer generell nicht ordentlichen Betriebsführung (z. B. durch ein jahrelang unentdeckt gebliebenes Leck in der Güllegrube), ist das kein Versicherungsfall. 

Grobfahrlässigkeitsverzicht schützt zusätzlich

Was sich lohnen könne, sei die Vereinbarung eines Grobfahrlässigkeitsverzichts, fährt Stucki fort. Damit wird vertraglich geregelt, dass die Versicherung auch dann ohne Leistungskürzung zahlt, wenn grobfahrlässig gehandelt wurde. Schon eine Kürzung von 10 Prozent schmerze, insbesondere bei teuren Schadenfällen. Der Prämienaufschlag für den Grobfahrlässigkeitsverzichts beläuft sich auf ungefähr 10 Prozent der Grundprämie. Bei Gülleunfällen ist die Kostenspanne laut Stucki gross, in seltenen Fällen werde die Millionengrenze geknackt. 

Was grobfahrlässiges Verhalten in diesem Zusammenhang heissen kann, sei schwer allgemein zu sagen, «Im Strassenverkehr liefe etwa das Überfahren einer roten Ampel darunter.» Meist finde man mit dem Versicherten eine Einigung, sonst entscheidet der Richter. Grobfahrlässigkeit werde vom Versicherer aber selten geltend gemacht, meint Stucki.

Schwere Fälle passieren beim Umpumpen

[IMG 3] Mit Absicht geht kaum jemand vor, wenn Gülle in Gewässer gelangt. Der Tatbestand lautet im Allgemeinen Fahrlässigkeit bzw. Missachtung der Sorgfaltspflicht. «Schwere Fälle gibt es vor allem beim Umpumpen», schildert Marcel Meier vom Thurgauer Umweltamt. In einem unbeaufsichtigten Moment überläuft ein Fass oder eine Grube oder es entsteht unbemerkt ein Leck. Dabei können mehrere 10'000 Liter Gülle auslaufen und über Schächte oder als Rinnsal in Bäche und Flüsse gelangen. Hektik und fehlendes Personal zur ausreichenden Überwachung identifizierte man bei einer Untersuchung 2014 im Kanton Luzern als die eigentlichen Ursachen von Gülleunfällen, wie das Bundesamt für Umwelt schreibt. Empfohlen werde daher ein klarer Arbeitsablauf und eine sorgfältige Kontrolle der Schieberstellung und der Zapfstellen.

Direktzahlungen können gekürzt werden

Als zweite Ursache nennt Meier das Nichtbeachten von Pufferstreifen, wenn also zu nahe an Bäche herangegüllt wird. An dritter Stelle stehe die Abschwemmung durch Starkregen. «Besonders in Hanglagen darf vor einem Gewitter mit starkem Niederschlag keine Gülle ausgebracht werden», betont der Beamte. Gesetzlich verboten ist das Güllen auf Böden, die den Dünger nicht aufnehmen können. Das gilt etwa für wassergesättigten, aber auch ausgetrockneten Untergrund. In allen Fällen drohen Kürzungen der Direktzahlungen. 

Neben der strafrechtlichen Aufarbeitung gehöre je nach Fall auch eine Beratung dazu. «Gemeinsam mit den Bauern überprüfen wir etwa, ob ein Schacht zu nahe an der Güllegrube gebaut ist und versetzt werden sollte», führt Marcel Meier aus.

Laut dem Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (LBV) geschehen im Kanton Luzern pro Jahr rund 20 bis 30 Unfälle beim Ausbringen oder Umpumpen von Gülle. «Hinsichtlich der Häufigkeit der Handlungen mit Gülle auf den Betrieben eigentlich erstaunlich wenig», bemerkt der LBV. Und trotzdem sei eben jeder Vorfall einer zu viel.

Technische Lösungen zur Prävention

Der Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (LBV) hat Dokumente und Informationen zum sicheren Güllen zusammengetragen. Folgende technische Lösungen werden genannt:

Füllstandmesser:Verhindern das Überlaufen beim Umpupmen durch automatisches Ausschalten der Pumpe. Damit lassen sich bestehende Anlagen gut nachrüsten. Das ganze System kostet ohne Montage rund 2000 Franken.

[IMG 4] AgroPilot: Überwacht beim Ausbringen den Pumpvorgang über Druck- und Durchflussmessungen. Bei fehlerhaften Schiebereinstellungen oder Lecks in Leitungen und Schläuchen kann das Pumpen per Handsender gestoppt werden. Nachrüsten möglich, ab 2000 Franken.

ProfiPilot:Komplettüberwachung der Ausbringung und Fernsteuerung mit Touch-Display in der Fahrerkabine. Bei Fehlern wird der Vorgang abgebrochen. Das System kostet mindestens 6000 Franken.

Sicherheitsschellen für Kupplungen:Verhindern das unbeabsichtigte Lösen einer Schlauchkupplung. Zwischen 50 und 100 Franken pro Stück.

Rückschlagklappen: Für Bodenleitungen mit grossen Höhendifferenzen, verhindern bei einem Leck oder einem Defekt die Entleerung in die falsche Richtung. Der Preis variiert je nach Ausführung, erhältlich bei Gülletechnikern.

Weitere Informationen finden Sie hier 

Sicherheit dank «Gülle-Susi»

Zur Prävention von Gülleunfällen gehört auch die Wartung der Anlage. Im Winter seien Pumpe, Schieber, Zapfstellen, Schläuche, Druckfässer usw. wie alle anderen Maschinen zur warten, schreibt der LBV. Was es im Jahresverlauf zu beachten gilt, illustriert die «Gülle-Susi»:

S: Service im Winter durchführen. Das umfasst z. B. die Kontrolle der Pumpe auf eine funktionstüchtige Fernsteuerung, die Dichtigkeit von Schlauchkupplungen und die Überprüfung der Schläuche auf Risse.

U: Umwelt beachten bei der Ausbringung während der Vegetationszeit (Gewässerabstand von drei Metern gemessen ab Böschungskante einhalten, nicht auf gefrorene, schneebedeckte, durchnässte oder ausgetrocknete Böden güllen).

S: Sicherheit der Mitarbeitenden und Lernenden gewährleisten, indem sie richtig in die Arbeit eingeführt werden. Die Verantwortung für die Güllearbeit liege immer beim Betriebsleitenden.

I: Im Herbst nach der Leerung des Güllebehälters bei einer Inspektion diesen auf Risse und Lecks überprüfen

Eine Checkliste zur «Gülle-Susi» finden Sie hier. 

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Das passiert im Gewässer

Laut der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) können schon wenige Tropfen Gülle pro Liter Wasser für Fische tödlich sein. Sie ersticken, weil das Ammoniak ihre Kiemen verätzt. Je länger sie dem verschmutzen Wasser ausgesetzt sind und je grösser die eingetragene Menge Gülle, desto schlimmer. Betroffen sind bei einem Gülleunfall aber nicht nur Fische, sondern auch Flusskrebse und andere Wasserorganismen. Ausserdem führt der Dünger zu unnatürlichem Algenwachstum, was den Sauerstoffgehalt des Gewässers senkt. Gibt es zu wenig Sauerstoff, können wiederum Fische verenden. Im Uferbereich kann die Vegetation und damit der Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten Schaden nehmen.

Nach natürlichen Ereignissen wie Hochwasser oder extremer Trockenheit erholt sich der Bestand Beobachtungen zufolge deutlich schneller, als wenn das Fischsterben durch Menschen verursacht worden ist. Bei intensiven Verschmutzungen könne es viele Jahre oder gar Jahrzehnte dauern, bis sich ein Gewässer regeneriert hat. Je nachdem, wie gut vernetzt ein Wasserlauf ist und wie viele Tiere für eine Wiederbesiedelung bzw. den Aufbau neuer Populationen noch vorhanden sind, ist laut dem Bundesamt für Umwelt eine Regeneration auch innert weniger Jahre möglich. Bleibt der Lebensraum intakt, kehren Würmer und Krebse innerhalb von rund zwei Jahre zurück.

Bei der Wiederherstellung legt man heute den Schwerpunkt auf die Selbstregeneration von Gewässern. Um die genetisch gut angepassten Lokalpopulationen zu erhalten, sei die Wiederan- oder Umsiedlung dem Besatz mit Zuchtfischen vorzuziehen.