Sie fühlte sich schon kurz nach dem Aufstehen wieder müde, war oft gereizt und hatte plötzlich Gedächtnisprobleme, und das mit Anfang 40. «Das machte mir Angst», erinnert sich die Berner Bäuerin Regula W. (Name der Redaktion bekannt). Als ihr Mann ihr zudem sagte, dass sie des Nachts nicht nur schnarchte, sondern auch Atemaussetzer hatte, vereinbarte sie einen Termin beim Hausarzt. Nach einer Überweisung zu einem Lungenarzt und einer Reihe von Untersuchungen stellte sich heraus, dass Regula W. an Schlafapnoe leidet.[IMG 2]
«So läuft es häufig», weiss Rebeka Brun, Fachverantwortliche Atemstörungen im Schlaf bei der Lungenliga Zentralschweiz. «Die Betroffenen leiden und/oder die Partnerin oder der Partner macht sie auf starkes Schnarchen und Atemaussetzer aufmerksam.» Der Leidensdruck sei oft schon länger da. «Manche Betroffene bauen ihre Schlafdauer aus. Andere schleppen sich nur durch den Tag, sind froh, wenn am Abend nichts los ist, und isolieren sich so.»
Grosse Dunkelziffer
Über 150 000 Menschen in der Schweiz leiden an Schlafapnoe, mindestens. «Wir gehen davon aus, dass deutlich mehr Menschen betroffen sind, aber keine Diagnose haben», erklärt Rebeka Brun weiter. So schätzt das Inselspital Bern, dass rund sieben Prozent der Frauen und dreizehn Prozent der Männer unter einer mittelschweren Schlafapnoe leiden. «Im Alter steigt auch das Risiko bei Frauen», sagt Lorenz Epprecht. Er ist am Universitätsspital Zürich Oberarzt der Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie. «Zusätzliche Risikofaktoren sind Übergewicht, regelmässiger Alkoholkonsum sowie anatomische Anomalien wie vergrösserte Mandeln, ein fliehendes Kinn oder eine grosse Zunge.»[IMG 3]
Die Obstruktives Schlafapnoe ist eine Erkrankung, bei der es während des Schlafs immer wieder zu Atemaussetzern kommt, die von wenigen Sekunden bis über eine Minute dauern können. «Die Messgeräte registrierten bei den Untersuchungen bei mir im Schnitt 52 ‹Ereignisse› pro Stunde», erzählt Regula W. aus ihrer Erfahrung. «Dazu zählen Atemaussetzer und Flachatemphasen.»
Während der Atemaussetzer ist die Sauerstoffzufuhr verringert, was den Körper in Alarmbereitschaft versetzt. Betroffene werden unbewusst kurz wach, schnappen mit verstärkten Atemzügen nach Luft und schlafen weiter. Doch für den Körper ist der Schlaf alles andere als erholsam. «Der Körper ist ständig unter Stress», sagt Rebeka Brun. Zudem kann eine unbehandelte Schlafapnoe schwerwiegende Folgen haben wie etwa Bluthochdruck, einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall sowie ein erhöhtes Unfallrisiko aufgrund der Tagesmüdigkeit.
Didgeridoo oder Alphorn
Bei leichteren Fällen von Schlafapnoe hilft manchmal eine Gewichtsreduktion, der Verzicht auf Schlafmittel und Alkohol, nicht auf dem Rücken zu schlafen oder eine Stärkung der Rachenmuskulatur. So ergab eine Studie der Universität Zürich, dass Didgeridoo-Spielen bei Schlafapnoe helfen kann. «Das dürfte auch mit Alphorn-Spielen funktionieren», meint Rebeka Brun. «Doch man muss wirklich regelmässig üben.»
Am häufigsten wird Schlafapnoe mit CPAP-Geräten therapiert. Dabei tragen die Betroffenen zum Schlafen eine Nasen- oder eine Mund-Nasenmaske. Durch einen Überdruck hält das Gerät die Atemwege während der Nacht offen. «Die Masken sind wirksam, doch sie stören viele Patientinnen und Patienten beim Schlafen», so Lorenz Epprecht.
Für Menschen, bei denen ein CPAP-Gerät nicht zum Einsatz kommen kann, gibt es Alternativen. «Dazu gehören Unterkieferschienen, operative Verfahren wie die Entfernung der Gaumenmandeln und/oder Straffung des weichen Gaumens und Zungenschrittmacher», sagt Lorenz Epprecht. Der Zungenschrittmacher wird operativ unterhalb des Schlüsselbeins unter der Haut gesetzt und wird mit einem Nerv unter dem Kiefer verbunden. Der Schrittmacher gibt beim Einatmen einen schwachen Stromimpuls ab. Durch die Stimulation bewegt sich die Zunge leicht nach vorn und im hinteren Mundbereich entsteht mehr Platz. Dadurch normalisiert sich die Atmung beim Schlafen.
Nicht ohne Kontrolle
Beim (Online-)Kauf von Unterkieferschienen, die nicht individuell angepasst werden, rät Lorenz Epprecht zu Vorsicht: «Diese können Druckempfindlichkeiten und Schäden am Kiefergelenk verursachen.» Solche Schienen könne man probeweise ausprobieren. «Doch es sollte für eine langfristige Lösung immer eine ärztliche Kontrolle erfolgen.»
Für eine erste Abklärung, ob eine Schlafapnoe vorliegt oder nicht, bietet sich allenfalls der «Schlaf-Check» an, ein kostenpflichtiges Schlafscreening der Lungenliga Zentralschweiz. Während zwei Nächten misst ein Screening-Gerät verschiedene Vitalwerte. Die Daten werden analysiert und man erhält eine individuelle Auswertung des Schlafs.
Regula W. erlebt wieder erholsame Nächte, seit sie sich für das CPAP-Gerät entschieden hat. «Ich komme mit der Nasenmaske gut klar», erzählt sie. «Am Anfang war es zwar ein Fremdkörper, und ich schlief unruhig. Doch da ich die Maske konsequent jede Nacht trug, gewöhnte ich mich bald daran.» Nach rund drei Wochen spürte die Bäuerin und Mutter von zwei Kindern eine Wirkung: «Ich hatte wieder mehr Energie, fühlte mich nicht mehr so erschöpft und überreizt.»
Weitere Informationen: www.schlaf-check.ch