Zeit ist eine physikalische Grössenart, welche die Abfolge von Ereignissen beschreibt. Sie hat also im Gegensatz zu anderen physikalischen Grös­sen eine eindeutige, unumkehrbare Richtung. Die wohl markanteste Eigenschaft der Zeit ist der Umstand, dass sie sich unaufhaltsam von der Vergangenheit in Richtung Zukunft zu bewegen scheint und dass es stets eine aktuelle und ausgezeichnete Stelle zu geben scheint, die wir Gegenwart nennen. In der heutigen Zeit sind wir oft gejagt von Terminen und Aufgaben, von Zeit- und Leistungsdruck. Zeit ist zum Luxusgut geworden, die Gegenwart wird oft nicht mehr bewusst wahrgenommen.

Dabei ist kaum etwas wichtiger, als sich bewusst Auszeiten zu nehmen. Es können kleine, aber auch längere Fluchten sein: einen eigens für die Familie, Freunde, den oder die Partner(in) reservierten Tag oder Abend, eine Pause bewusst geniessen oder vielleicht einmal wegfahren und etwas Abstand gewinnen und Ruhe finden.

An Weihnachten wird viel Abfall produziert

In Bereichen der Landwirtschaft oder des Gartenbaus geben die Jahreszeiten den Rhythmus an: aussäen, pflanzen, hegen und pflegen, ernten, schneiden und ruhen lassen. Die Natur macht es uns vor: Nach der Ruhezeit im Winter erwacht sie im Frühling zu neuem Leben, zu Strahlen und Kraft. Die Advents- und Weihnachtszeit kann eine solche Auszeit oder eben eine Ruhezeit sein: bewusst Zeit miteinander verbringen, Ruhe einkehren lassen, ausruhen und geniessen. Oft läuft es aber genau anders rum: Gros­se Hektik macht sich breit, bis alle Geschenke eingekauft sind, die Besuche organisiert, der Baum geschmückt und das Festessen geplant und gekocht ist. Und ganz nebenbei produzieren wir grosse Abfallberge: Über die Feiertage fallen locker 20 bis 30 Prozent mehr Abfälle an. Geschenkpapier – oft aus China importiert – landet auf direktem Weg im Abfall, Speisereste aus besonders kreativ zubereiteten Speisen oft ebenso, unpassende Geschenke finden den Weg in den Abfalleimer meist etwas später.

Ein Trend, dem ich seit geraumer Zeit bewusst entgegenhalte: Bei der Menüplanung achte ich auf saisonale pflanzliche Produkte und bemühe mich, nicht zu viel zu kochen. Bei den Geschenken achte ich auf Qualität statt Quantität. Dabei ist es oft schwierig, überhaupt ein geeignetes Geschenk auszuwählen, da es oft wenig unerfüllte materielle Wünsche gibt, die ich auch erfüllen kann und will. Seit einigen Jahren beschenken wir uns deshalb gegenseitig mit Zeit: Gemeinsam verbringen wir einen oder mehrere Tage an einem schönen Ort oder besuchen gemeinsam einen kulturellen Anlass, sei es ein Konzert oder ein Theater. Jede und jeder gönnt sich so selber eine Auszeit, entkommt zu einem grossen Teil dem vorweihnächtlichen Stress und Konsumrausch und schenkt den Lieben gemeinsame Zeit.

Das gemeinsam Erlebte bleibt in Erinnerung

Wenn ich auf die letzten Jahre zurückblicke mit Kindern, Familie, Beruf und Politik, sind es genau die gemeinsam genossenen Zeiten, die kleinen und grösseren Auszeiten, die mir in schönster Erinnerung geblieben sind. Es sind Geschenke, die ich mir selber gemacht habe, aber auch nachhaltige Geschenke, mit denen wir uns gegenseitig Freude, Zeit und lang anhaltende Erinnerungen geschenkt haben.

In dem Sinne wünsche ich allen schöne und besinnliche Festtage und vor allem ZEIT: Auszeit, Ruhezeit, Luxuszeit, Freizeit, gemeinsame Zeit!

Zur Person
Sandra Reinhart aus ­Amriswil ist Grüne-Kantonsrätin des Kantons Thurgau. Sie schreibt für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.