Mit ihrem Mann spricht Sabrina Schlegel französisch, mit dem Mitarbeiter Italienisch, mit den Kühen Schweizerdeutsch. Sie geht durch den Stall und klärt gleich noch einige Fragen, während des Fotoshootings harkt sie nebenbei ein paar Liegeflächen. Herumstehen hat sie nicht auf dem Programm. Aber dann führt sie zwei Treppen hoch in das Stallbüro – der Ausblick auf130 Milchkühe ist fantastisch – und zeigt: Genau hinhören und präzise antworten, das kann sie sehr gut. Sie setzt sich an den Tisch, schaltet das Handy auf lautlos und nimmt sich Zeit für die Fragen der BauernZeitung.

Betrieb mit 95 Hektaren LN

Sabrina Schlegel erzählt, wie sie vor fünf Jahren die Stelle als Betriebsleiterin auf dem Grundhof antrat, hochschwanger damals, zusammen mit ihrem Mann. Der Betrieb im aargauischen Unterbözberg fällt auf mit gegen 400 Tieren, 95 Hektaren LN, als Aktiengesellschaft organisiert im Besitz der Unternehmensgruppe Suhner.

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«Natürlich kenne ich alle Tiere mit Namen», erklärt Sabrina Schlegel den Besucherinnen, die täglich durch den Stallvisite-Betrieb spazieren, «Sie schaffen es ja auch, 130 Menschen auseinander zu halten.» Mit einem charmanten Lächeln begegnet sie auch Vorurteilen von Berufskollegen: «Nein, ich kann nicht einfach die Hand hinhalten und bekomme alles. Das Kostensenken war schon beim Einstellungsgespräch ein Thema. Wenn ich etwas brauche, muss ich vor dem Verwaltungsrat sehr genau belegen können, was diese Investition bringt.»

Karussell gegen AMS gewechselt

Seit Sabrina Schlegel die Chefin im Stall ist, stieg die Anzahl Kühe um rund 60 Prozent, die Milchmenge hat sich mehr als verdoppelt. Das Melkkarussell wurde durch zwei Melkroboter ersetzt, diese Investition hat sich bezahlt gemacht, obwohl das Karussell noch nicht abgeschrieben war. «Die Milchleistung ist um 15 Prozent gestiegen und wir sind bei der Arbeit viel effizienter geworden.»

Bessere Grundfutterqualität war ein weiterer Erfolgsfaktor. «Früher waren wir drei Tage lang am Mähen. Heute macht das ein Lohnunternehmer viel effizienter.»

Optimierungspotenzial sieht die Betriebsleiterin bei der Ausgeglichenheit ihrer Herde: «Da arbeite ich dran. Wir haben heute Erstlaktierende mit 7000 kg und solche mit 12 000 kg Milch, diese Varianz macht die Fütterung schwierig.»

 

Betriebsspiegel Grundhof AG

  • Betriebsleiterin: Sabrina Schlegel, angestellt von der Hofbesitzerin Suhner AG
  • Standort: Unterbözberg AG, 550 m ü. M.
  • LN: 95 ha, (50 ha Grünland, 20 ha Mais,25 ha Ökofläche)
  • Tierhaltung: 130 HO- und RH-Milchkühe (rund 1,3 Millionen kg Jahresmilch, Verkehrsmilch für Emmi), 250 Mastschweineplätze, sieben Iberico-Mutterschweine zur Fleischproduktion für die Direktvermarktung, einige Kleintiere.
  • Weiteres: Direktvermarktung eigener Milchprodukte und Fleisch im Hofladen, über «Buur on Tour» und an Gastronomie.
  • Arbeitskräfte: Sabrina Schlegel und ihr Ehemann, zwei Mitarbeitende (total 350 Stellenprozente), ab nächstem Jahr zwei Lernende.

Direktzahlungen gibt es nur beschränkt

Im Stall stehen Holstein und Red Holstein. Zehn Prozent der Kühe werden gesext besamt, der Rest wird zugekauft. «Ich will den Stall und die Infrastruktur möglichst mit laktierenden Kühen auslasten und nicht mit Aufzuchttieren», sagt Sabrina Schlegel. Denn sie stemmt hohe Strukturkosten; es wirkt nach, dass der Stall im Jahr 2012 als Vorzeigestall gebaut worden war. Direktzahlungen bekommt der Betrieb als AG nur beschränkt. Die Betriebsleiterin rechnet die Vollkosten jedes Jahr. «Mit BTS- und RAUS-Beiträgen würde die Milchproduktion rentieren», so viel darf sie zu den Zahlen sagen.

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Und was ist die grösste Herausforderung auf diesem umfangreichen Betrieb? Sabrina Schlegels Antwort überrascht: «Die Mitarbeiterführung.» Zum Glück hat sie reiche Erfahrung aus der Zeit, in der sie bei einem Futtermittelhersteller ein Team mit 15 Personen leitete. Da ist das Grundhof-Team überschaubar mit vier Personen und 350 Stellenprozenten, Betriebsleiterin inklusiv.

«Natürlich kenne ich alle Kühe mit Namen.»

Grundhof-Betriebsleiterin Sabrina Schlegel räumt mit Vorurteilen auf.

Lieber melken statt Concours

Nach ihrem Agronomiestudium an der ETH hat die gebürtige Ostschweizerin schon reichlich Praxiserfahrungen gesammelt, unter anderem als Beraterinin der Nidwaldner Landwirtschafts- und Umweltdirektion. Sie ist keine Bauerntochter, «aber in meinem Fotoalbum siehst du mich schon als Kind immer mit Kühen». Als Teenager ging sie auf einem Hof reiten. Bald fand sie das Rindvieh spannender als die Pferde und der Chef fuhr allein auf Concours, während sie seine Kühe molk.

Heute haben Sabrina Schlegel und ihr Mann Yannick Decrausaz drei Kinder im Alter zwischen drei und fünf Jahren. Im Haushalt teilen sie sich die Arbeit. Auf dem Betrieb ist er vor allem für die Aussenwirtschaft und Schweine verantwortlich, sie für das Milchvieh und die Direktvermarktung. Zwei Mitarbeitende unterstützen sie. Im Hofladen sind neben Fleischprodukten auch Quark, Salat und Frischkäse aus hofeigener Milch im Sortiment, alle 14 Tage werden dafür 80 Liter Milch verarbeitet.

Das mache nur gerade 0,7 Prozent am Gesamtumsatz aus, sagt Sabrina Schlegel, aber sie rechnet den Hofladen auch als Pluspunkt fürs Image. «Das Bild von den Bauern als Jammeri und Umweltverschmutzer können wir nur ändern, wenn wir uns öffnen», lautet ihr Standpunkt.

«Je besser wir Produzenten und bündeln, desto mehr Macht haben wir.»

Sabrina Schlegel setzt Hoffnung in die Verbandsarbeit.

Ihre Talente sind aufgefallen

Kommunizieren, analysieren, verhandeln – diese Fähigkeiten und die Fachkompetenz von Sabrina Schlegel sind im weiteren Umfeld aufgefallen. Der Vorstand von Mittelland Milch schlägt die 36-Jährige als künftige Präsidentin vor. Eine schwierige Branche mit einem rauen Umgangston, viele Milchproduzenten sehen sich als Spielball der Abnehmer und mühen sich um Rentabilität. Sabrina Schlegel nimmt die Herausforderung an und bleibt optimistisch: «Sicher glaube ich an die Milchproduktion in der Schweiz. Wir müssen mehr kämpfen als andere Branchen, und zwar um jeden Rappen, aber beide Seiten brauchen einander. Je besser wir Produzenten uns bündeln, desto mehr Macht haben wir. Und wir haben mit Emmi einen Partner, der überdurchschnittlich bezahlt.»

Nicht der erste heikle Auftritt

Ihre Standpunkte zu Markt- und Politfragen müssten jetzt noch nicht unbedingt als Schlagzeilen in die Medien, findet Sabrina Schlegel im Hinblick auf das vorgesehene Engagement im Milchverband, «ein Vorstand muss letztlich einen Konsens finden und nach aussen vertreten.» Falls sie denn gewählt würde, fügt sie an.

Etwas anderes ist allerdings nicht zu erwarten, schliesslich ist der Vorstand von Mittelland Milch die Nomination sorgfältig angegangen. Zu zwei Vorstellungsrunden musste Sabrina Schlegel vor dem Männergremium antraben. Kein Problem für sie. «Ich hatte schon schwierigere Auftritte», sagt sie und schmunzelt, «zum Beispiel wenn ich als junge Schauexpertin in Appenzell Braunvieh einstellte mit einer Runde gestandener Appenzeller Bauern im Rücken.»

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Mittelland Milch
Mittelland-Milch-Präsident Andreas Hitz hat seinen Rücktritt per Delegiertenversammlung 2022 angekündigt und der Vorstand hat Sabrina Schlegel als seine Nachfolgerin nominiert. An der Delegiertenversammlung am 12. April 2021 wird sie zur Wahl in den Vorstand vorgeschlagen. Danach soll sie sich während eines Jahres an der Seite von Andreas Hitz in das Amt einarbeiten.
Der Verein Mittelland Milch wurde im November 2018 aus den drei PMOs der Emmi-Direktlieferanten Bemo, Mimo und Zenos gegründet.
Insgesamt sind dem Verein 1930 Betriebe mit 359,5 Mio kg Milch angeschlossen. Sie stammen aus den Kantonen Bern, Solothurn, Aargau, Zürich, Schwyz, Glarus, St. Gallen und weiteren angrenzenden Gebieten. Die Produzenten sind in 13 regionalen Wahlkreisen organisiert.