Es ist eine spannende Sache, dieses Fermentieren: Man raspelt Gemüse klein, mischt es mit Salz, stopft es möglichst eng in ein Glas und wartet etwa eine Woche – fertig. So in etwa lautet die Kurzversion der Anleitung von Slow Food. Bestechend einfach, diese Art der Haltbarmachung. Das Problem dabei (je nach persönlichen Geschmacksvorlieben): Das fermentierte Rüebli ist am Ende sauer und damit nicht nur wegen seiner klein geschnittenen Form nicht mehr wie das Gemüse im Ausgangszustand zu verwenden. Was kann man also aus dem sauren Gut machen?
Sauer ist nicht gleich sauer
Es wird empfohlen, Fermentiertes überall dort einzusetzen, wo Säure erwünscht ist oder zumindest nicht stört. Nichts leichter als das, könnte man meinen. Der Salat aus milchsauren Karotten, versehen mit einer essiglosen Salatsauce fällt beim Geschmackstest aber schon mal durch. Die erste Erkenntnis: Säure ist eben nicht gleich Säure und daher sind die fermentierten Rüebli kein direkter Essigersatz. Schliesslich findet unter Luftabschluss im Glas eine milchsaure Gärung statt, bei der Zucker von Milchsäurebakterien zu Milchsäure umgewandelt wird. An der Essiggärung von Alkohol sind andere Bakterien beteiligt, die zudem Sauerstoff brauchen.
Ganz verloren ist die Idee des Salats nicht: Joghurt, Rahm oder Mayonnaise im Dressing mildern das saure Aroma. Man darf nur keinen «gewöhnlichen» Rüeblisalat erwarten, auch nicht, wenn man das fermentierte Gemüse abspült.
Salat aus fermentierten Rüebli
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In rohem Zustand enthält das Gemüse nach der Fermentation am meisten Vitamine und lebende Bakterien, die gut für die Verdauung sind. (Bild jsc)
Pro Person:
Zutaten
- 2 EL Rapsöl
- 1 EL Rahm, Joghurt oder Mayonnaise
- Nach Belieben wenig Salz oder etwas Knoblauch
- Ein Schälchen fermentierte Rüebli
Alle Zutaten für die Sauce mischen und Rüebli beifügen.
Hinweise: Hier ist es schwierig, genaue Mengenangaben zu machen, da sich der Säuregrad je nach Dauer der Fermentation ändert. Zusätzlich Rahm, Joghurt oder Mayonnaise helfen gegen starke Säure. Nur sehr zurückhaltend salzen, da das Gemüse schon reichlich Salz und Würze mitbringt.
Es geht auch raffinierter
Glücklicherweise führt die Milchsäuregärung nicht dazu, dass alles so Fermentierte gleich schmeckt. Das zeigt ein Versuch mit fermentiertem Rettich. Die scharfe Wurzel gewinne durch den mikrobiellen Prozess eine «geschmacklicher Tiefe», verspricht die Broschüre von Slow Food. Tatsächlich trifft es die Beschreibung nicht schlecht, die Schärfe ist gemildert und das Gemüse schmeckt voller, wenn man das so ausdrücken kann. Man könnte von umami sprechen, was so viel heisst wie würzig oder schmackhaft.
Rosmarin rundet den Geschmack ab
Der so gewandelte Rettich erweist sich als gute Zutat für selbst kreierte Puffer mit Hirseflocken als Grundzutat. Natron und Backpulver, die in anderen Rezepten einen Pfannkuchen aufgehen lassen, dürften ihren Teil zur Reduktion des säuerlichen Geschmacks beitragen. Denn beide Pulver wirken basisch und können damit die Milchsäure puffern. Kurz auf beiden Seiten angebraten merkt man den Puffern gar nicht an, dass sie saures Gemüse enthalten. Etwas gemahlener Rosmarin unterstützt das Umami-Aroma und rundet den Geschmack ab.
Hirsepuffer mit Rettich
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Der erste Versuch ergab zwar schön gebräunte, aber weniger schön geformte Puffer als jene auf dem Titelbild dieses Artikels. (Bild jsc)
Die Bratlinge sind schnell gemacht und passen zu Salat. Salz braucht es hier keines oder nur sehr wenig, da der fermentierte Rettich genügend Würze mitbringt. Das Rezept ergibt etwa
12 Stück, die sich als Beilage zu einem Salat als Vorspeise oder kleine Mahlzeit für zwei Personen eignen.
Zutaten
- 140 g Feine Hirseflocken
- 0,5 TL Backpulver
- 0,5 TL Natron
- 0,25 TL gemahlener
Rosmarin - Etwa 250 ml kochendes
Wasser - 4 EL Fein gehobelter,
fermentierte Rettich
- Hirseflocken, Backpulver, Natron und gemahlenen Rosmarin in einer hitzebeständigen Schüssel mischen.
- Das Gemisch mit heissem Wasser übergiessen und kurz quellen lassen.
- Den Rettich untermischen.
- Mit einem Löffel portionenweise in eine heisse Bratpfanne geben und sofort zu kleinen, flachen Bällchen formen.
- Auf beiden Seiten knusprig braten und warm
servieren.
Hinweise: Statt Hirse- können auch Haferflocken verwendet werden. Der Rettich sollte nicht zu grob sein, da die Puffer sonst zerfallen. Bratfett braucht es nicht unbedingt, jedenfalls nicht in einer beschichteten Pfanne. Dazu passt ein Salat.
Säure passt zu Marroni
Bei der Zubereitung von geschälten Edelkastanien in der Pfanne kommt je nach Rezept ein Schuss Zitronensäure dazu. Gerade wenn man geschälte Marroni nicht mit Zucker glasieren will, kann man damit eine weniger süsse Variante zaubern. Das Ergebnis erinnert eher an die Marroni im Papierbeutel, wie man sie unterwegs kaufen kann.
Hier klappt es mit dem sauren Gemüse anstelle von Zitronensaft. Da die fermentierten Rüebli nicht mehr gegart werden müssen, gesellen sie sich erst gegen Ende der Kochzeit zu den Marroni in die Pfanne. Zimt, der auf Früchtekuchen Säuren mildert, tut es auch bei dieser Marroni-Rüebli-Kreation. Das orientalische Gewürz passt zu den herbstlichen Kastanien. Wie schon bei den Puffern mit Rettich bewährt sich die Kombination. Auch wer sonst das Gemüse lieber einzeln isst und sorgfältig aussortiert, sollte hier Marroni und fermentierte Rüebli als Ensemble probieren.
Marroni mit fermentierten Rüebli
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Marroni müssen nicht unbedingt süss mit Zucker zubereitet werden. (Bild jsc)
Pro Person:
Zutaten
- 200 g Marroni (geschält, tiefgekühlt gekauft und angetaut)
- Etwa 2 EL Wasser
- 5 EL fermentierte Rüebli
- 0,5 TL Zimt
- 1 EL Butter
- Die Marroni in einer Pfanne mit dem Wasser erhitzen.
- Zugedeckt etwa 10 Minuten garen, bis sie knapp weich sind. Vorsicht: immer wieder die Festigkeit überprüfen, damit sie nicht zerfallen.
- Jetzt das Gemüse und den Zimt beigeben und nur noch heiss werden lassen.
- Mit Butter verfeinern.
Eintopf überzeugt immer
Einfach und unkompliziert ist ein Eintopf meist per se. Mit Sauerkraut und Kartoffeln ist er besonders schnell zubereitet. Die Zugabe von edelsüssem Paprika macht das Gericht zusätzlich wärmend, verleiht einen leicht süsslichen Geschmack und eine ansprechendere Farbe. Ein weiteres Plus: Das Grundrezept lässt sich beliebig ergänzen, z. B. mit Hülsenfrüchten.
Eintopf mit Sauerkraut
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Wärmend und gar nicht sauer wird der Eintopf, unter anderem dank dem Paprika. (Bild jsc)
Für zwei Personen als Vorspeise:
Zutaten
- Eine halbe kleine Zwiebel, in Ringen
- Eine kleine Knoblauchzehe, gepresst
- 3 EL Rapsöl
- 250 g Kartoffeln mehligkochend, in Würfeln (etwa 1 Zentimeter gross)
- 200 Sauerkraut roh
- 1 EL Paprikapulver edelsüss
- 300 ml Bouillon
- Kräutersalz, nach Belieben
- Zwiebelringe und Knoblauch im Öl erhitzen.
- Kartoffeln hinzugeben und kurz unter ständigem Rühren dämpfen.
- Sauerkraut dazu geben, mit Paprika bestäuben und in der heissen Pfanne ebenfalls kurz unter Rühren dämpfen.
- Mit Bouillon ablöschen und etwa 10 Minuten köcheln lassen, bis die Kartoffeln gar sind.
- Mit Kräutersalz abschmecken.