«Mein Grossvater väterlicherseits sagte oft, seine drei Enkelinnen würden ihm gros­se Freude bereiten», erinnert sich Julia Jeker, «aber er hätte gerne einen Enkel, damit der schöne Hof Espel in der Familie bleibe.» Julia ist die jüngste der drei Töchter. Jessica, ihre älteste Schwester, arbeitet bei einem Verpackungsunternehmen. Jasmin ist als Fachleiterin bei der Migros für die Abteilung Früchte und Gemüse zuständig. Als Hofnachfolgerin sah sich keine. Die Eltern drängten nicht, sondern taten ihren Töchtern kund, sie sollten frei und ohne irgendwelche Rücksicht über ihren Beruf entscheiden.

Julia selbst liebäugelte indessen mit dem Coiffeuse-Beruf und schnupperte während der Oberstufenschule eine Woche in einem Salon. «Bevor die Zeit um war, wusste ich, dass ich mein Berufsleben eher auf einem Hof, drinnen im Stall oder draussen auf dem Acker sehe», erzählt die junge Frau.

Gute Lehrzeit

AboGastbeitragMehr Frauen an der Spitze, aber der Anteil ist immer noch tiefDienstag, 22. August 2023 Bald nachdem sie ihr erstes Lehrjahr als Landwirtin EFZ bei Walter und Sieglinde Jäggi-Erzer in Seewen angetreten hatte, meinte ihr Grossvater, er wisse nun, dass nicht nur männliche Nachfahren als Hofnachfolger in Frage kämen. Fürs zweite Lehrjahr zog sie in die Romandie in die Nähe von Estavayer-le-Lac, weil sie Französisch lernen wollte. Da nicht alles rund lief, zog sie weiter auf einen anderen Milchviehbetrieb in der Nähe von Avenches. Die Erfahrung des Stellenwechsels sei eine gute Lebensschule gewesen, die sie nicht missen möchte. Trotz des Wechsels bleiben positive Erinnerungen: Sie lernte die Kultur Tabak kennen und konnte dort eigenen Honig herstellen.

Fürs dritte Lehrjahr kam sie zurück in ihre Gegend, nämlich auf den Gutsbetrieb Schlatthof in Aesch zu Andreas und Bethli Leimgruber. «Dort war ich wie in Seewen bei Jäggis liebevoll aufgehoben», lächelt Julia.

Farmleben in Neuseeland

Während der Ausbildung half sie nach Möglichkeit weiter daheim mit. Nach dem Lehrabschluss lockte die Ferne. «Ich hatte Lust auf eine richtig grosse Farm, wo ich gleichzeitig Englisch lernen konnte», blickt sie zurück. Sie reiste im Herbst 2014 in den Süden Neuseelands, wo sie vier Monate auf einer Milchfarm mit 1000 Milchkühen mitarbeitete. Gemolken wurde in einem Swing-Over-Melkstand mit zweimal 34 Plätzen und in einem Melkkarussell mit 60 Plätzen.

Bevor sie sich wieder auf den Heimweg machte, besuchte sie in Queenstown während eines Monats eine Sprachschule und lebte bei einer Gastfamilie. Zu den Highlights ihrer Neuseelandreise gehörten der Besuch des ­Methven Rodeos und das Nachtleben in Queenstown. Als unvergesslich bezeichnet sie den Besuch einer Melkroboterfarm mit 24 Robotern und 1500 Kühe in einem Stall – ein 22-Millionen-Dollar-Projekt! «Es hat mir prima gefallen auf der anderen Seite des Globus», schmunzelt sie. «Aber ich machte mich trotzdem gerne auf die Heimreise, weil ich vor der Abreise meinen Freund Marcel Lisser, einen Bauernsohn aus Ramis­wil, kennengelernt  hatte.»

Betriebsspiegel Hof Espel
 
Name: Andreas und Ursula Jeker-Heller
Ort: Büsserach
Fläche: 56 ha LN
Ackerbau: Mais, Gerste, Weizen und Kunstwiese.
Obstbau: Ca. 250 Hochstammbäume, Obst wird in der eigenen Brennerei zu Edelbränden verarbeitet.
Tierhaltung: Milchkühe, vorwiegend Holstein und Red Holstein, dazu 50 Aufzucht­rinder. Die Milch geht an mooh.
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar, Tochter Julia ist als ­Betriebshelferin angestellt.

Wieder daheim fand sie, dass eine Weiterbildung in der Hauswirtschaftsschule keinem jungen Menschen schade, und absolvierte am Wallierhof den Vollzeitkurs. Danach stieg sie ebenfalls in Riedholz in die Vorbereitung zur Betriebsleiterin mit eidgenössischen Fachausweis ein. Nachdem sie dieses Ziel erreicht hatte, drängte es sie weiter zum nächsten Meilenstein als Meisterlandwirtin, den sie im August 2019 erreichte. «Dieses Diplom ist mir wichtig, falls ich in der Zukunft jungen Leuten eine Lehrstelle anbieten möchte», erklärt sie. Seit Juni 2019 arbeitet sie in einem Teilzeitpensum bei der Landi Laufen, was ihr Abwechslung in den Alltag zum Leben auf dem Bauernhof bringt.

Frauen ermutigen

AboJanine Albrecht, Betriebsleiterin auf dem Sunnehof, begrüsst die Teilnehmerinnen des Arbeitskreises. Sie managt den Betriebszweig «Beeren» und erklärt ihren Berufskolleginnen die verschiedenen Arbeitsschritte. Berufsfrauen in der LandwirtschaftBetriebsleiterinnen unter sichDonnerstag, 3. August 2023 Ihr Wunsch für die Zukunft ist, dass Bauernfamilien von der nichtbäuerlichen Bevölkerung (noch) besser akzeptiert werden. Als Beispiel führt sie an, wie Verkehrsteilnehmer den Kopf schütteln oder gar den Stinkefinger zeigen, wenn sie mit dem Traktor unterwegs sei.

Zudem wünscht sie sich, dass jungen Frauen der Beruf der Landwirtin zugetraut wird. Sie habe während ihrer Ausbildung oft Bemerkungen gehört, das sei doch eher für Männer. Doch ihre Devise lautet: «Jede/r soll das lernen, was ihm/ihr zusagt. Egal, ob es sich um einen traditionellen Frauen- oder Männerberuf handelt.»