Der Sunnehof in Boppelsen ZH ist umgeben von Obstbäumen, Getreidefeldern und einer gedeckten Beerenanlage. An diesem sonnigen Junimorgen treffen sich hier zwölf Frauen. Die Stimmung ist locker, die Freude über das Wiedersehen gross.

Die Frauen sind zwischen 25 und 50 Jahre alt und wohnen im Kanton Zürich und näherer Umgebung. Die meisten sind gelernte Landwirtinnen, einige wenige Quereinsteigerinnen. Sie alle führen als Betriebsleiterinnen selbstständig oder zusammen mit ihrem Partner einen Landwirtschaftsbetrieb – was auch der Hauptgrund für das Zusammenkommen ist.

Seit letztem November treffen sich insgesamt 18 Frauen – wenn möglich – viermal jährlich zum Arbeitskreis Betriebsleiterinnen. Moderiert und organisiert werden die Diskussionsrunden von Susanne Spaltenstein, Beraterin und Coach im Bereich Betriebsentwicklung am Strickhof.

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Themen selber bestimmen

Die Treffen finden rotierend auf den Betrieben der Frauen statt. Nach dem Betriebsrundgang wird ein von den Teilnehmerinnen definiertes Fokusthema aufgegriffen und diskutiert.

Janine Albrecht ist zweifache Mutter und präsentiert den Anwesenden den vielseitigen Sunnehof. Von den 40 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche gehört die Hälfte zur Ackerfläche, auf 2 Hektaren werden Intensivkulturen wie Beeren und Obst angebaut, dazu noch 1 Hektare Grünspargeln. Der Grossteil der Produkte wird im eigenen Hofladen veredelt und vermarktet. Im Stall stehen 30 Red-Holstein-Kühe und eine Gruppe von Mastkälbern.

Übernahme ist geplant

Der arbeitsintensive Betrieb wird von Elsbeth und Hans-Heinrich Albrecht geführt. Zusätzlich werden drei Vollzeit- und zwei Teilzeitangestellte beschäftigt. Die Rekrutierung und Führung der Angestellten ist anspruchsvoll. Die Meisterlandwirtin Janine wohnt fünf Autominuten entfernt und arbeitet auf dem elterlichen Betrieb mit. Ziel ist es, dass sie in den nächsten zwei Jahren den Sunnehof übernehmen wird.

Eine Herausforderung für die Mutter zweier schulpflichtiger Kinder ist das Zeitmanagement und den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht zu werden. Für ihre Kinder plant Janine Albrecht bewusst genug grosse Zeitfenster ein, etwa am Morgen vor der Schule: «Mit Kindern braucht es Flexibilität und sie spüren sofort, wenn ich unter Stress bin.» Wichtig im Betriebsalltag ist der gemeinsame Znüni mit allen Mitarbeitern. «Dann teilen wir die Arbeiten ein und informieren über wichtige Ereignisse. Weil wir viele Leute sind, halten wir uns strikte an die Pausen- und Essenszeiten.»

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Expertin auf ihrem Gebiet

Zeitmanagement ist das aktuelle Thema des Arbeitskreises. Eine Thematik, die die Teilnehmerinnen beschäftigt. Einige geben offen zu, dass sie schon einmal «am Anschlag gelaufen» sind oder «die persönlichen Grenzen» erfahren mussten.

Die Betriebsleiterinnen suchen lösungsorientiert nach Veränderungsmöglichkeiten. Gegenseitig zeigen sich die Frauen Methoden zur Reduktion psychischer Belastung und Planungsinstrumente, um effiziente Tages- oder Wochenstrukturen zu erstellen. «Von dieser Offenheit lebt ein Arbeitskreis. Jede der Teilnehmerinnen ist Expertin auf ihrem Gebiet, durch die Weitergabe von Wissen und persönlichen Erfahrungen profitieren alle», erklärt Susanne Spaltenstein.

«Von dieser Offenheit lebt ein Arbeitskreis.»

Susanne Spaltenstein, Beraterin am Strickhof.

Wer ist die Chefin?

Eine Betriebsleiterin schildert, dass sie gerne mit ihren Eltern und den Angestellten einmal wöchentlich eine Sitzung machen möchte, um die Arbeitsverteilung zu regeln. Doch ihr Wunsch wird ignoriert, mit der Aussage, früher habe man das auch nicht gemacht und es sei auch so gegangen. Da widersprechen die Berufskolleginnen: «Du bist jetzt Chefin. Wenn du eine Sitzung willst, dann wird diese regelmässig eingeplant und durchgeführt.» – «Früher war früher, heute darf es auch anders sein.» – «Geht etwas vergessen, trägst du die Verantwortung und musst den Kopf hinhalten.»

Als Führungsperson gehört auch der Lernprozess dazu, sich durchsetzen zu können, was nicht immer einfach ist. Eine erfahrene Betriebsleiterin rät ihren Kolleginnen: «Wenn ihr an euch selbst zweifelt, spiegelt sich das in eurer Haltung, eurem Tun und euren Aussagen. Das Umfeld spürt eure Unsicherheit. Zeigt selbstsicher, dass ihr die Führungsperson seid, und steht selbstbewusst vor eure Herde.»

Genauso wichtig wie der Austausch ist die Vernetzung. Nur sieben Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in der Schweiz werden von Frauen geleitet. In einer solchen Minderheit ist es schwierig, Gleichgesinnte zu finden, um sich auszutauschen. Daher haben die Betriebsleiterinnen begonnen, sich auch ausserhalb der offiziellen Termine zu treffen.

Nicht rechtfertigen müssen

AboEs gibt Tage, da scheint die Zeit davonzurennen. Mit etwas Planung lässt sich mehr Ruhe in die Tage bringen.OrganisationDiese Tipps helfen beim ZeitmanagementDonnerstag, 3. August 2023 «In dieser Runde muss ich nicht zuerst erklären, was ich bin und tue. Schon gar nicht muss ich mich rechtfertigen. Das schätze ich sehr», sagt Karoline Schweingruber. Die 32-Jährige ist Mutter von zwei Kleinkindern und führt zusammen mit ihrem Mann einen Betrieb mit 16 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche und 2 Hektaren Wald. Ein gesundes Selbstbewusstsein erlangte sie durch ihre Ausbildung als Agronomin: «Kommt ein Vertreter auf den Betrieb, können wir auf Augenhöhe diskutieren und ich kann mir mit meinem Wissen eine eigene Meinung bilden. Das gibt mir Sicherheit.»

Karoline Schweingruber erzählt, dass ihr Mann und sie sich die Arbeiten je nach Stärken und Präferenzen aufgeteilt haben: «Im Notfall muss aber jeder alles machen können.» Da eines ihrer Kinder noch im Säuglingsalter ist, funktioniert die Aufteilung der Care-Arbeit noch nicht ganz wie gewünscht. «Später möchten wir uns die Kinderbetreuung hälftig aufteilen», sagt die gebürtige Österreicherin: «Das ist der Vorteil in der Landwirtschaft, wenn Mutter und Vater auf dem Betrieb arbeiten.»

Künftig sollte es selbstverständlich sein, dass auch Frauen Betriebe eigenständig übernehmen, wünschen sich die Betriebsleiterinnen. Sie wollen gegenüber ihren männlichen Berufskollegen als vollwertig wahrgenommen und nicht belächelt werden. Das Beispiel des Verkäufers oder Beraters, der auf dem Hof nach dem Chef fragt, obwohl die Betriebsleiterin vor ihm steht, wird öfter genannt. Für die Frauen ist es frustrierend, sich trotz ihrer Leistungen immer wieder rechtfertigen und behaupten zu müssen. «Es braucht ein Umdenken in der Branche und es braucht Vorbilder, die junge Frauen motivieren», ist Susanne Spaltenstein überzeugt.