Die junge Bäuerin kam zwar in Tracht, aber geschminkt – und hatte bunt lackierte Fingernägel. Das war nicht allen geheuer. «Ich bekam böse Telefonanrufe – von Männern», erzählt Agnes Schneider Wermelinger lachend von den Anfängen des «Tag der Bäuerin» an der Olma Messe in St. Gallen. «Von den Bäuerinnen wurde damals erwartet, dass sie traditionell auftreten.»

[IMG 6]

Dieses Jahr fand der Anlass zum 30. Mal statt. Das Organisationskomitee wählte ein Thema, das zum Jubiläum passte: «Bäuerin – gestern, heute und morgen, zwischen Tradition und Moderne.» In kurzen Referenten und einer Podiumsdiskussion erzählten zwei jüngere und zwei ältere Bäuerinnen aus ihrem Leben.

Ohne fliessend Wasser und Strom

Die älteste von ihnen war Milli Wittenwiler, Bäuerin und alt Nationalrätin aus Wattwil SG. Sie absolvierte vor mehr als 60 Jahren das bäuerliche Haushaltsjahr, wie die Weiterbildung zur Bäuerin zu der Zeit hiess. «Damals hielt es der Kanton nicht für nötig, dass es eine eigene Schule für Bauernmädchen gab», erzählte die 80-Jährige in ihrem Referat. Daher bot «Bäuerinnenmutter» Hanni Pestalozzi auf dem Hof ihrer Familie Praktikumsplätze an. 

Milli Wittenwiler wuchs als Bauerntochter in einem Haus ohne fliessend Wasser und Strom auf. «Ich weiss nicht, ob heute alles besser ist – es ist anders.» Vieles sei selbstverständlich geworden. «Es ist uns nichts geschenkt worden, weder als Frau und als Bäuerin. Doch es ging immer opsi.» 

Neue Aufgaben

In den Jahren 2003 und 2004 gab sie zuerst ihr Nationalratsmandat ab, dann den Hof an die nächste Generation. «Das war nicht einfach. Ich fragte mich, wer bin ich denn noch?» Doch es ergaben sich neue Aufgaben, als das Baby der Schwiegertochter viel zu früh auf die Welt kam. Milli Wittenwiler sprang ein und kochte viele Jahre für die ganze Familie. Doch sie legte immer Wert auf getrennte Wohneinheiten. «Ich bin der Meinung, dass die Schwiegermutter nicht vor die Tür der Schwiegertochter sehen soll.» [IMG 2]

Mehr Kinder als Kühe

 Eine bewegte Zeit als Bäuerin erlebte auch Agnes Schneider Wermelinger. Sie ist Initiantin des «Tag der Bäuerin» und hat 30 Jahre lang im Organisationskomitee mitgearbeitet. Agnes Schneider Wermelinger heiratete in erste Ehe einen Kleinbauern im Weisstannental. «Wir hatten mehr Kinder als Kühe – ich weiss, wie es ist, mit wenig Geld auszukommen», erzählte sie.  

[IMG 3] Als sie das erste Mal eine Rechnung nicht bezahlen konnte, überlegte sie sich, was sie beruflich ändern könnte, um mehr Geld zu verdienen. Im Laufe der Jahre bildete sie sich in verschiedenen Bereichen weiter. Seit 14 Jahren arbeitet sie unter anderem Teilzeit in der landwirtschaftlichen Beratung des Kantons Uri. «Ich sehe auch heute noch viele Fälle mit schwierigen finanziellen Situationen.»

Aufregung wegen kurzer Hosen

Einiges habe sich im Laufe der Jahrzehnte geändert, erzählt sie weiter. Damals sei sie etwa die erste Bäuerin im Weisstannental gewesen, die mit kurzen Hosen zum Heuen ging. «Das gab zu reden, meine Kinder mussten sich einiges anhören. Es wurde auch registriert, wenn ich erst spätabends von einer Sitzung kam.» 

Andere Themen sind gleich geblieben. Dazu gehören Stichworte wie Hofnachfolge, das Zusammenleben der Generationen oder die soziale Absicherung. Zu letzterem Thema ermunterte Agnes Schneider die Frauen, sich durchzusetzen – und zwar nicht erst in der Krise, sondern  schon, wenn es noch rund läuft. 

Est nur ein Ferienjob

Nadine Perren wuchs im Erzgebirge in der ehemaligen DDR auf. Ursprünglich wollte sie Ärztin werden. Doch weil die Noten nicht reichten, entschied  sich die passionierte Sängerin für eine Ausbildung als Musik-Erzieherin. In der Sommerferienzeit nahm sie einen Job als Kindermädchen in Zermatt an – und entschied sich zu bleiben.

Als sie einen Bergführer suchte, lernte sie den Gastronomen Robi Perren kennen. «Damals wusste ich noch nicht, dass er auch Bauer war», erzählt die 41-Jährige, die als Co-Präsidentin der Oberwalliser Bäuerinnen-Organisation amtet. «Heute liebe ich unseren Bauernbetrieb.» [IMG 4]

Zähe alte Rollenbilder

Sie erlebt es manchmal noch immer in Zermatt, dass am alten Rollenbild der Bäuerin festgehalten werde. «Das bin ich aus meiner Jugend nicht gewohnt». Sie wünscht sich mehr Akzeptanz für das, was man als Frau und Mutter alles leistet.

Das Restaurant gab das Paar vor Kurzem auf, um sich ganz der Landwirtschaft zu widmen. Nadine Perren hat den Alpsennen-Kurs absolviert und lernte, wie man Schaf- und Ziegenkäse herstellt. Den zum Betrieb gehören 120 Schwarznasenschafe, neun Weisse Alpenschafe und 21 Saanenziegen.

«Die Tiere liegen mir mehr als die Touristen. Ich bin dankbar, dass ich mit meinem Mann und unseren beiden Kindern diesen Weg gehen darf.» Früher habe sie sich immer heimatlos gefühlt, sei etwa 13 Mal umgezogen. «In Zermatt und bei meinen Mann Robi habe ich eine Heimat gefunden.»

Wunschberuf Bäuerin

Sarah Püntener ist ausgebildete Fachfrau Gesundheit und hat erst vor Kurzem die Weiterbildung als Bäuerin abgeschlossen – als Klassenbeste. «Ich bin selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen, das war immer mein Wunschberuf», sagt die 22-Jährige. 

[IMG 5] Während eines Alpsommers lernte sie ihren heutigen Lebenspartner kennen. «Ein Bauer ohne Hof», wie sie schmunzelnd weiter erzählt. Inzwischen lebt das Paar auf dem Hof von Sarahs Eltern in Attinghausen UR. Im Sommer bewirtschafteten die beiden die Alp Waldnacht auf 1400 Metern am Fusse des Brunnistocks. Nun arbeite sie Teilzeit auf dem Familienbetrieb und im Spital.

Sarah Püntener hofft, längerfristig vom Hof leben zu können. «Die Vorstellung als Eltern mit den Kindern auf einem Hof aufzuwachsen, gefiel mir schon immer.» Soziale Absicherung ist für sie eine Selbstverständlichkeit. «Uns wurde schon in der Schule vermittelt, dass wir selbst zu uns schauen müssen.» 

Auf eine Frage auf dem Publikum, was die vier Frauen den Bäuerinnen mit auf den Weg geben wollten, antwortete Milli Wittenwiler: «Macht, was euch Freude macht, aber richtig und mit Herzblut.»

Ähnlich antwortete Agnes Schneider Wermelinger: «Wenn ihr wirklich Freude daran habt, macht es, aber nur dann.» Und sie ergänzte ganz pragmatisch aus ihrer Erfahrung als Beraterin:» Und legt vor der Heirat die letzte Steuererklärung und den Bankauszug auf die Seite.»

 «Konzentrier dich auf dich selber», sagte Nadine Perren. «Denn du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben.» Es ist wichtig mit der Zeit zu gehen», meinte Sarah Püntener. «Mit Liebe und Leidenschaft arbeiten – und dabei immer mal wieder etwas aus der Reihe tanzen.»