«Ich kann gut mit Dingen abschliessen», sagt Rosmarie Bühlmann. Sie sitzt an einem grossen Holztisch in ihrem Haus, das einmal als Schopf des gegenüberliegenden Bauernhauses diente. Dort und im Stöckli wohnen heute Bühlmanns Mieter und die 54-Jährige geniesst die Aussicht auf die Alpakas der Nachbarn. «Zuschauen, ohne sich um die Tiere kümmern zu müssen – das hat schon auch etwas», findet sie.
Einst Landwirtin als Traumberuf
Rosmarie Bühlmann ist gelernte Konditorin-Confiseurin, Köchin und Diätköchin. Sie arbeitete im Berner Lindenhofspital und kam dank ihrem Ehemann auf dessen elterlichen Betrieb in Deisswil BE. «Als ich sah, wo er wohnte, dachte ich: Das ist es», erinnert sie sich. Einst hatte sie Landwirtin werden wollen, «die männliche Version, weil ich nicht primär den Haushalt führen wollte», wie sie sagt. Als Kind half sie auf Betrieben in der Nachbarschaft. Aber sie wäre damals die einzige Frau in dieser Ausbildung gewesen und sah auch die Nachteile, wie etwa die lange Arbeitszeit.
Tiere auf dem Nebenerwerbsbetrieb
So wurde Bühlmann Konditorin statt Landwirtin und zweifache Mutter, hielt aber in Deisswil Pferde, Hühner, Schafe, Kaninchen und Mini-Shettis, kümmerte sich um die Hostet, verkaufte Dörrobst, Konfitüre und Most an die Landi und Drogerie. Dank ihrer Tiere und einiger Pensionspferde erreichte der Bauernhof die nötige Anzahl SAK, um weiterhin als Nebenerwerbsbetrieb zu gelten.
Station im Bürojob
Die Kinder wurden grösser und Rosmarie Bühlmann behielt ihre Tiere bis zu deren Lebensende. Heute sind die Flächen des Hofs und der Stall verpachtet. Nur die Hostet betreut die Deisswilerin noch selber, erntet das Obst, trocknet und sterilisiert Birnen und bringt die Äpfel zum Mosten. «Ich vermisse die landwirtschaftliche Arbeit nicht, ich habe 10 Jahre lang Pferde gehabt», meint die Bernerin. Auch der Auszug der Kinder habe sie nicht belastet, da sie deren Selbstständigkeit als Ziel der Erziehung sieht. Statt sich um Kinder und Pferde zu kümmern, absolvierte Bühlmann die Handelsschule und schrieb in einem Bürojob Offerten für eine Firma. «Aber ich habe eine Krise bekommen und gespürt, dass ich zurück in die Küche muss», schildert die Landfrau.
Alltag mit diversen Tätigkeiten
Heute hat Rosmarie Bühlmann wieder eine andere Rolle: Sie ist Vermieterin, führt den Haushalt im ehemaligen Schopf, den sie mit ihrem Mann bewohnt und pflegt Hof, Garten sowie Umschwung. Ausserdem gibt sie wöchentlich Pilates-Kurse und kocht in einem Teilzeitpensum im Seniorenhof. «Dort arbeite ich sehr unregelmässig, mal einen Tag pro Woche, manchmal fünf Tage», erklärt sie. Das ist zwar schwer planbar, passt aber auch zu der umtriebigen Bernerin. Mal ist Bühlmann tagelang damit beschäftigt, ein Zimmer auf dem Hofgelände für die Renovation zu räumen oder hilft beim Ausbau. Dann kocht sie am Openair Deisswil oder malt Gegenstände und Landschaften in satten Farben.
Ein interessantes Nebenprodukt nutzen
Das Thema Ernährung spielt nicht nur beruflich eine wichtige Rolle für Rosmarie Bühlmann. Eine TV-Sendung mit dem britischen Koch Jamie Oliver über die Verwendung von Biertreber weckte ihr Interesse an diesem Nebenprodukt der Bierherstellung. «Treber ist eine gute Proteinquelle und wirkt dank der Ballaststoffe verdauungsfördernd», erklärt die gelernte Diätköchin. Meistens wird er allerdings als Viehfutter verwendet, wenn auch einzelne Private damit backen und man viele Rezepte mit Frischtreber findet. Schon während ihrer Ausbildung habe sie lieber Brot gebacken als Pralinen verziert und so holte sich Rosmarie Bühlmann aus Neugier einen Kessel Frischtreber aus einer nahen Brauerei. Da dieser aber rasch verdirbt, trocknete Bühlmann den milde nach Malz riechenden Treber im Trockenschrank und zerkleinerte ihn im Thermomix zu Mehl. Dieses bot sie im Hofladen des Hofs Sunnehubel in der direkten Nachbarschaft zum Verkauf an und baute eine Website auf, um auf das spezielle Produkt aufmerksam zu machen.
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Trebermehl ist vielseitig verwendbar
«Die Welt hat nicht auf mein Trebermehl gewartet», stellt Rosmarie Bühlmann fest. Sie sagt es ohne Frust, auch wenn der Verkauf im Hofladen kein Erfolg war. Dafür kann sie regelmässig Kräcker, Knuspermüesli und Knäckebrot mit Trebermehl liefern. «Und wenn wieder eine Sendung mit Jamie Oliver über Treber ausgestrahlt wird, habe ich plötzlich lauter Bestellungen», bemerkt die Bernerin. Einen Onlineshop betreibt sie aber nicht mehr – zu klein ist die Nachfrage und zu gross wäre der Aufwand, vom Porto für ein Säckchen Trebermehl nicht zu sprechen.
Von dem Produkt an sich ist Bühlmann aber weiterhin überzeugt. «Treber wirkt im Brot wie ein Feuchthaltemittel, weil er viel mehr Feuchtigkeit aufnimmt als normales Mehl», so ihre Begründung. Ausserdem bekommt das Gebäck ihrer Erfahrung nach eine schöne, caramellbraune Farbe, einen intensiveren Getreidegeschmack sowie eine luftige Struktur und bleibe auch unverpackt über mehrere Tage feucht. Man könne praktisch jedes Brot, aber auch z. B. Teigwaren damit bereichern. Allerdings empfiehlt die Landfrau nicht mehr als 5 Prozent normales Mehl mit Trebermehl zu ersetzen und entsprechend mit Wasser zu ergänzen.
Produktion im Kleinen
Rosmarie Bühlmann ist mit dem kleinen Rahmen zufrieden, in dem sie heute Treber verarbeitet. «Für eine Produktion im grossen Stil bräuchte es entsprechende Infrastruktur», ist sie sich bewusst. Sie würde sich aber freuen, wenn andere sich inspirieren liessen, selbst Biertreber zu nutzen. «Treber ist so ein tolles Produkt. Es wäre schön, wenn jemand etwas daraus machen würde», findet die Bernerin. Sie könnte sich auch eine Zusammenarbeit vorstellen. Das Kapitel Treber ist für Rosmarie Bühlmann auf jeden Fall noch nicht abgeschlossen.
Die Website von Rosmarie Bühlmann: www.trebermehl.ch