Ich lebe einen Jugendtraum – seit 15 Jahren gehe ich mit meiner Familie z Alp. Als Hirtin bin ich von der Alpgenossenschaft Jenaz Jahr für Jahr 90 Tage angestellt und werde von meiner Familie bei allen anfallenden Arbeiten tatkräftig unterstützt. Mein Kernteam besteht aus:

  • meinem Mann, Peter, allzeit motivierter Hirte, unermüdlicher Zaun-, Ausdauer- und Behandlungsspezialist
  • meinen Kindern, Andri (14), Nina (12) und Julia (7), welche die Alpleidenschaft mit uns teilen
  • Eni Peter-Ueli, der hilfsbereite Retter in der Not mit technischem Geschick, unbezahlbaren mechanischen Fähigkeiten und Strasseninstandhalter
  • Nani Elsbeth, die vielseitige Entlastung, Wäschefrau, Flick-, Putz-, Kinderhüte- und Gartenprofi im Tal.

Z Alp gehen als Familie ist ein Projekt, das nur gemeinsam gelingt und von allen Beteiligten viel fordert.

Erforderlich ist ein grosser Spagat 

Wir wohnen eine Stunde Autofahrt von St. Antönien entfernt, in Trin Mulin. Während der Schulzeit ist es für mich ein grosser Spagat, meinen Mutter- und Alppflichten gerecht zu werden. Es ergibt sich manche Fahrt hin und her. Die Belastung wurde jedoch glücklicherweise nie so gross, dass wir das z Alp gehen an den Nagel gehängt hätten! Die Alp Gafien ist für mich nicht nur eine Arbeitsstelle, es ist auch ein vertrautes Zuhause. Ich schätze hier oben die Reduktion auf das Wesentliche, die äusseren Einflüsse sind weit weg und die täglich anfallenden Aufgaben sind klar. Das Arbeiten in der Natur, die Zeit mit den Tieren und das zeitlose Unterwegs sein sind eine Bereicherung für uns alle.

Die Bewirtschaftung unserer rund 280 Hektaren grossen Alp hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert und wurde arbeitsintensiver. In den Anfangsjahren hatten wir eine Herde von 200 bis 220 Kälbern, Rindern und Mutterkühen zu behirten. Unterdessen sind es vier verschiedene Herden – ungefähr 300 Tiere, die wir an verschiedenen Standorten beaufsichtigen. Die 50 Mutterkühe mit ihren Kälbern halten wir meist separat auf Weiden, um die Nähe zu Wanderwegen zu vermeiden.

Ebenfalls auf einer eigenen Weide beaufsichtigen wir zehn Pferde und bei den 71 Ziegen, welche für die Entbuschung eingezäunt sind, machen wir täglich eine Zaun- und Tierkontrolle. Daneben bleiben knapp 50 tragende Rinder zu beobachten und einen Kindergarten von gut 120 Kälbern zu erziehen. Für die Weideeinteilung erstellen und unterhalten wir rund 15 Kilometer Zaun.

Mehr Behandlungsaufwand

Wir möchten im Herbst gesunde, gut genährte und möglichst zahme Tiere wieder ins Tal schicken. Wir setzen uns täglich dafür ein, Probleme früh zu erkennen und vor allem zu verhindern, dass verletzte oder kranke Tiere lange leiden müssen.

Häufiges «Doktern» überschattet so manchen schönen Alptag. Leere Pen-Strep-Dosen (Penizillin) und mit Rotstift markierte Kälber zeugen von viel Behandlungsarbeit. Nebst Husten und Fieber verursachen zahlreiche dick anschwellende Panaritiumfüsse (Zwischenklauenphlegmone) zusätzliche Arbeit. Das Panaritium-Bakterium ist in unseren Weiden leider sehr verbreitet. Täglich begutachten wir aufmerksam rund 800 Füsse, damit erkrankte Tiere möglichst rasch behandelt werden können und sich die Ausbreitung und Verschleppung der Erreger vermindern lässt. Probleme werden auf dem «Rodel» (Auflistung aller Tiere) notiert und je nach Schweregrad mit Pen-Strep behandelt oder weiter beobachtet. Unterdessen können wir meist gut erkennen, wenn nicht ein klassischer Panaritiumbefall der Grund des Hinkens ist. In diesen Fällen wird der Tierhalter zur Behandlung aufgeboten.

Geübt im Separieren

Es ist jeweils eine grosse Entlastung, wenn auch der Tierhalter oder der Tierarzt die kranken Tiere beurteilt und wenn nötig behandelt. So kann ein Teil der Verantwortung abgegeben werden und das richtige Beurteilen der Situation lastet nicht nur auf unseren Schultern.

Schon seit einigen Jahren hat sich bei uns die Einfangtechnik durchgesetzt, die hinkenden oder kranken Tiere von der Weide zu den Behandlungsständen zu treiben. Da wir oft genügend Familienmitglieder auf der Alp sind, geht das Separieren von der Herde und Treiben relativ gut und wir müssen nur mässig über Stock und Stein springen. Der grosse Vorteil vom Einfang in den Gattern ist, dass die Verletzungen der Tiere gut angeschaut und behandelt werden können.

Weide zurückgewonnen

Nebst den Veränderungen der Bestossung, der Behandlungstechniken und der Behandlungshäufigkeit konnten wir in der grossen Zeitspanne, welche wir in Gafien sind, auch Veränderungen der Vegetation beobachten. Die Blackenfelder sind immer noch gleich gross und sehr beliebte Liegeplätze, die Stauden und der Wald wachsen jedoch rasant. Leider können die Stauden mit Schneiden nicht nachhaltig verdrängt werden, aus dem Strunk wachsen immer wieder neue Triebe nach. Das Ziegenprojekt hingegen zeigt sehr erfreuliche Wirkung.

Nach vier Jahren gezielter Beweidung sieht nun manche Staude dürr und abgestorben aus und es wird allmählich Weide zurückgewonnen. Die Weideflächen im Wald müssen jedoch mit der Motorsäge freigehalten werden oder man zupft die zahlreichen ganz kleinen Frischlinge rigoros aus. Das unliebsame Alpenkreuzkraut hat sich in Gafien invasiv vermehrt, dies auch, weil diese Problempflanze anfänglich nicht als Problem erkannt wurde. Der Samen wurde wahrscheinlich mit Strassenkies eingeschleppt. Auch der Farn überwuchert Weideflächen und die schönen Alpenrosen und der Gemeine Germer breiten sich stark aus. Die Natur nimmt überhand, viel Weidepflegearbeit steht an. Zwischen all den wuchernden Problempflanzen wachsen jedoch erfreulicherweise auch zahlreiche wunderschöne Alpenblumen und nährstoffreiche Gräser.

Und so ist es auch mit den Alptagen: Zwischen düsteren Regentagen lässt die Sonne die Weiden grün leuchten, nach sorgenvollen Tagen folgen freudvolle Tage, nach Stressmomenten folgen Genussmomente und nach jedem Winter folgt der nächste, lang ersehnte Alpsommer im Gafiental.