«Es war so klar, dass dieser Bauernhof für Kinder eine magische Anziehung hat», erzählt Heidi Lutstorf mit einem Leuchten in den Augen von den Anfängen der Bauernhofspielgruppe. Damals führten noch die Schwiegereltern den Betrieb. Heidi Lutstorf wohnte damals wie heute mit ihrer Familie auf dem Hof in Utzenstorf BE, aber in einem separaten Wohnhaus. Jedes Mal, wenn sie Besuch von Kindern gehabt hätten, durfte der Rundgang auf den Bauernhof nicht fehlen, erzählt sie weiter.

Von der Idee zur Umsetzung

Als die Betriebsübernahme näher rückte, stand für sie als ausgebildete Lehrerin die Frage im Raum, ob und wie sie sich einbringen kann. «Die Spielgruppe passte vom Zeitrahmen und vom Platz her», so die 44-Jährige. Nun ist die Bauernhofspielgruppe seit sieben Jahren ein fester Betriebszweig in der Betriebsgemeinschaft, zu der sie und ihr Mann, sowie Schwager und Schwägerin gehören. In den ersten drei Jahren war ihre Schwiegermutter, bevor sie pensioniert wurde, fester Bestandteil als Betreuungsperson. «Das war ein Wunsch von mir», sagt die Mutter von zwei Töchtern, 11 und 13 Jahre alt. «Ich konnte mir die Zusammenarbeit mit ihr gut vorstellen. Und vor allem brauchte ich eine Person, die sich auf dem Betrieb auskennt, die wusste, wie man mit den Kühen umgeht, wie man füttert und die gleichzeitig vertraut ist mit Kindern.»

Heidi Lutstorf ist in Münchenbuchsee BE aufgewachsen, zwar nicht auf einem Bauernhof, aber umgeben von der Natur. Sie wünschte sich als Kind immer viele Tiere. Nun hat sie einen halben Zoo: Hühner, Kaninchen, Laufenten, Mutterkühe, Ziegen, ein Pony und ein Hund sind auf dem Hof anzutreffen. Sie sind mittlerweile ein wichtiger Bestandteil geworden.

Tiere als Eisbrecher

«Ich habe in den ersten Jahren der Bauernhof-Spielgruppe gemerkt, dass bei den Kindern teilweise ganz viel über das Tier passiert.» Sie erzählt von Kindern, die ganz verschlossen waren und plötzlich lebendig wurden, wenn es darum ging, den Kaninchen das Frühstück zu bringen. Oder von schweigsamen Kindern, die plötzlich redselig wurden, wenn sie das Pony striegeln durften. «Darüber wollte ich mehr erfahren, ich wollte fähig sein, diese Beziehung zwischen Tier und Kind mehr einzusetzen. Deshalb habe ich die Ausbildung zur Fachkraft für tiergestützte Pädagogik gemacht.» Das habe ihr geholfen, zu beurteilen, welche Situationen Sinn machen.

Auf die Frage, was denn weniger Sinn mache, sagt sie – nicht ganz ohne Ironie: «Zum Beispiel, das Kaninchen dem Kind in die Finger zu drücken, damit es das Tier nachher ganz glücklich streicheln kann.» Dies bedeute für das Tier einen Übergriff und könne unter Umständen auch beim Kind für Stress sorgen.

Eine sinnvollere Tätigkeit bei den Kaninchen sei zum Beispiel, zu lernen, mit dem Sackmesser Rüebli zu schneiden, mit diesen ins Gehege reinzugehen und sie zu verteilen. Man könne sogar probieren, ein Futterstückchen auf den Schoss zu legen und abzuwarten, ob ein Kaninchen dies holen kommt. Das sei dann für das Kind ein viel schöneres Erlebnis, als das Kaninchen einfach auf den Schoss gesetzt zu bekommen. Die Freude an den schönen Begegnungen zwischen Tieren und Kindern ist Heidi Lutstorf förmlich anzumerken, wenn sie darüber spricht.

Vieles bleibt hängen

Jeden Montag- und Dienstagmorgen trudeln also die kleinen Zwerge in die Spielgruppe Weidli ein. «Kinder, die mit einem Lachen heimgehen oder schon zufrieden kommen, das gibt mir persönlich sehr viel», sagt Heidi, die noch in einem kleinen Pensum an der Grundschule in Utzenstorf die vierte Klasse in Musik, Zeichnen und Werken unterrichtet. Andererseits bleiben bei den Kindern die Erlebnisse in der Spielgruppe auch präsent: «Meine ersten Spielgruppenkinder sind jetzt meine Schüler in der vierten Klasse. Sie erinnern sich an ganz viele Sachen, das ist sehr schön.» Nebst den Kindern aus der Spielgruppe sind auch Schüler und Schülerinnen der Heilpädagogischen Schule oder aus der eigenen Klasse gelegentlich auf dem Betrieb anzutreffen. Auch Besuch von einem Behindertenheim steht bald an. «Mich auszutauschen mit Fachleuten, z. B. Sozialpädagoginnen oder Heilpädagogen, das mache ich halt wahnsinnig gerne.»

Zusammenhänge erkennen

Die Spielgruppenkinder können schon früh begreifen, wie die ganzen Zusammenhänge funktionieren, sagt sie. «Die komp-lexen Sachen zusammen an-zuschauen, das ist extrem spannend.» Ihre Lieblingstätigkeit mit den Kindern ist deshalb auch das Kochen oder «alles, wo man die Entstehung vom Produkt sehen kann. Dazu gehört zum Beispiel, die Eier zu den Hühnern holen zu gehen und dann Spiegeleier auf dem Feuer zuzubereiten oder Most pressen, nachdem man die Äpfel geerntet hat.» Sie berichtet mit Begeisterung von dem einen Kind, das nicht gerne Kartoffeln hat, aber, als es sie selber im Garten ausgraben konnte und nach Hause nahm, plötzlich die Rösti doch ass. «Das finde ich sehr schön», sagt die fröhliche Frau mit einem Lächeln.

Bewunderung für die Kleinen

«Als richtige Bäuerin sehe ich mich nicht unbedingt», sagt Heidi Lutstorf etwas zögernd. «Ich weiss ja auch, was dahintersteckt, wenn jemand die Ausbildung gemacht hat. Ich halte mich fern vom Ackerbau.» Grosse Maschinen seien nichts für sie. Sie helfe aber sehr gerne auf dem Betrieb mit, zum Beispiel beim Kartoffeln graben, jäten, einmachen oder Fleisch verpacken. «Das ist ja das Tolle an unserer Betriebsgemeinschaft – jeder und jede hat sein oder ihr Spezialgebiet. Meine Stärke ist es, dass ich die Verbindung zwischen Kindern und Bauernhof anbieten kann.»

Man spürt, dass die Spielgruppe für Heidi Lutstorf wichtig ist und dass sie mit Herzblut dabei ist. «Die Drei- bis Vierjährigen sind so authentisch, so klar und von Grund auf ehrlich.» Das sagt sie und es ist gleich klar – sie hat eine grosse Bewunderung für die Art, wie die Kleinkinder die Welt sehen. «Das Grundbedürfnis der Kleinen, die Natur zu erleben, das Feuer, das Wasser, den ‹Pflotsch› und dass sie auch mal Dreck in den Händen haben wollen, das spüre ich sehr stark und das gibt mir sehr viel. Schlussendlich hat es auch mir als Lehrerin viel gegeben: Nicht immer mit Wissen füttern müssen, sondern einfach mal schauen können, was da entsteht.»

Weitere Informationen: www.spielgruppeweidli.ch