Der bedeutendste Kunde der Freiberger Hengstaufzüchter ist der Bund. Das von ihm betriebene Schweizer Nationalgestüt (SNG) von Agroscope in Avenches VD hält gekörte Hengste. Heuer stehen der Züchterschaft 52 Freiberger Hengste im Besitz des Gestüts zur Verfügung. Entweder auf den Deckstationen oder aber im Gestüt selber. Natursprung, Frisch- oder Gefriersamen sind im Angebot. Letzteres auch von Hengsten, die nicht mehr am Leben sind. Diese Anzahl entspricht rund einem Viertel der in der Schweiz lebenden Freiberger Deckhengste. Ein beachtlicher Anteil.

100 000 Franken Budget jährlich

«Das Budget für die Beschaffung von Pferden liegt bei maximal 100 000 Franken pro Jahr», teilt Agroscope auf Anfrage der BauernZeitung mit, wie viel der Bund jährlich für die Beschaffung neuer Hengste einsetzt. Ein Teil dieses Geldes werde für die Anschaffung von Zuchthengsten der Freibergerrasse verwendet. Falls notwendig, stünden diese finanziellen Ressourcen aber auch für die Beschaffung von Forschungsstuten und von Reitpferden für die Ausbildung der Lernenden zur Verfügung.

Der Bund ist auch Dienstleister

Nach der Selektion der Freiberger Hengste, jeweils im Januar in Glovelier JU, gehen jene Hengste, die den Exterieuranforderungen des Schweizerischen Freibergerverbands (SFV) genügen, zum Stationstest. Das Gestüt führt den Test im Auftrag des SFV in Avenches durch. Damit fungiert der Bund also auch als Dienstleister des Verbandes und der Züchterschaft. Er prüft also Hengste, die er später auch kaufen wird. Welche Strategie verfolgt der Bund hier? «Im Rahmen der Biodiversitätskonvention von Rio 1992 hat sich der Bund verpflichtet, einheimische Rassen zu fördern und zu unterstützen. Auch hier leistet das SNG seinen Beitrag dazu. Es obliegt dem SFV, wo und in welcher Form er die Hengstleistungsprüfung auf ­Station durchführen möchte. Das SNG bietet hier, mit seiner Infrastruktur und den bestens ausgebildeten Pferdefachleuten, bestes Potenzial für die neu-trale Durchführung», erklärt Agroscope.

Wer entscheidet?

Aus den Reihen der Hengste, die jedes Jahr den Sprung in die Gilde der Deckhengste schaffen (rund zwölf pro Jahr), kauft das Nationalgestüt, in Absprache mit den Pferdezuchtgenossenschaften (Betreiber der Deckstationen), meist zwei bis vier Kandidaten. Das heisst, dass andere Hengste weichen müssen. Wie wird diese Auswahl getroffen und was geschieht mit ihnen? «Agroscope Schweizer Nationalgestüt (SNG) hält sich als Hengsteigentümer an die Regeln, die durch den SFV für die Freibergerzucht definiert wurden» heisst es beim Bund. Dazu gehörten Zuchtprogramm, die Herdebuchordnung, die ­Körungsordnung für Hengste sowie diverse Zusatzreglemente und Anweisungen, wird erklärt. Und: «Sobald ein Hengst im Eigentum des Bundes gemäss vorgängig erwähnten Reglementen, ein nicht erwünschtes Merkmal zeigt, wird das Pferd durch das SNG aus der Zucht zurückgezogen.» Dafür werde, wie auch bereits beim Einkauf der Hengste, ein sechsköpfiges Team eingesetzt. Dieses Team entscheidet dann auch, ob der Hengst kastriert oder «ganz», also als Deckhengst, verkauft oder ob er geschlachtet wird.

Was war mit dem Hengst Hannael?

Um die Freiberger ist es nach diversen Diskussionen im Verband und um den Körprozess 2020 wieder ruhiger geworden. Die letzte Diskussion, die allerdings verglichen mit den anderen Schauplätzen (wir berichteten), nur wenig aufzuflammen ­vermochte, war jene um den grauen Hengst Hannael. Die ­Pferdezuchtgenossenschaft Oberemmental hatte in erster Linie aus markttechnischen Überlegungen ihr Interesse am Dreijährigen kundgetan. Hannael stand im Januar in Glovelier auf dem dritten Rang und gefiel. Züchterisch hatte das Gebiet, das auf seiner Deckstation in Gohl BE immer noch vier Hengste über den Bund bezieht, bereits mit Hannaels Halbbruder Don Caprio gute Erfolge erzielen können. «Der Markt fragt nach ­solchen Pferden mit spezieller Farbe», äusserte Roland Rothenbühler von der Oberemmentaler Zuchtkommission damals in Avenches am Abschlusstest gegenüber der BauernZeitung.

Hannael erfüllte die medizinischen Kriterien nicht 

Hannael bestand und alles schien besiegelt. Doch dann kam es anders: Hannael wurde vom Bund nicht gekauft. Warum nicht? «Fakt ist, dass wir diesen Hengst nicht gekauft haben, weil er die medizinischen Anforderungen für den Ankauf eines Hengstes durch das SNG nicht erfüllt», erklärt Agroscope. Diese medizinischen Anforderungen seien höher als diejenigen des SFV für das Bestehen des Stationstestes, wird erklärt. Das könne dazu führen, dass durch den SFV gekörte Hengste nicht durch das SNG angekauft werden. Was die genauen Gründe sind, wird nicht kommuniziert. «Ausschliesslich die Eigentümer des Hengsts werden über die medizinischen Ergebnisse und die Gründe des Nicht-Ankaufes des Pferdes informiert», heisst es beim Bund. Weiterführend will man bei Agroscope das Stillschweigen nicht begründen.

Röntgenbilder waren ungenügend

Hinter vorgehaltener Hand heisst es, die Röntgenbilder von Hannael hätten den Ansprüchen des SNG nicht genügt. Es wird von Chips gesprochen. Chips in den Gelenken von Pferden können zu Gelenksentzündungen oder Knorpelschäden führen. Eine Krankheit, die beim Freiberger bislang kaum für Diskussionen sorgte.

Hannael ist gefragt

Aktuell steht Hannael bei Willy Birrer in Luthern LU auf der Deckstation. Die grosse Nachfrage nach dem Hengst überrascht den Züchter. «Wir erhalten Anfragen zum Decken aus der ganzen Schweiz, vom Jura bis nach Graubünden reichen diese», ­erklärt Birrer. Neben der speziellen Farbe unterstreicht der ­Züchter den herausragenden Charakter des Pferdes, der auch schon seinem Halbbruder und Bundeshengst Don Caprio vorauseilte. Charakter und Farbe sind zwei Eigenschaften, die auf dem Pferdemarkt immer wieder als wichtig eingestuft werden. Das bringt er also mit. Dem Bund reicht das aber nicht. Glück für Birrer und Pech für die Oberemmentaler, die nun keinen «Gris» auf Station haben.