Es gibt Alternativen zu umweltschädigenden Pflanzenschutzmitteln. Landwirte ergreifen sie freilich nur, wenn es sich für sie auch lohnt, meint ein interdisziplinäres Wissenschaftler-Team rund um den ETH-Professor Robert Finger: «Lenkungsabgaben können den entscheidenden Anreiz geben, damit Landwirte gefährliche Pflanzenschutzmitteln durch weniger schädliche Mittel ersetzen.»

Alle Akteure sind miteinzubeziehen

Trotz ambitionierter Pläne habe bislang kaum ein europäisches Land Risiken beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verringern können, schreibt Finger in einer Mitteilung vom Freitag. Auch in der Schweiz würden regelmässig Grenzwerte überschritten. Mit der Trinkwasser-​und der Pestizidverbots-Initiative stünden gleich zwei Volksbegehren an, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft massiv reduzieren oder gänzlich verbieten wollen. Freilich: «Pflanzenschutz ist komplex».

Um Risiken effektiv und effizient zu senken, brauche es eine umfassende Sicht: «Wir müssen Pflanzenschutz ganzheitlich betrachten und dazu von den Bauern über Behörden bis zu den Konsumentinnen alle Akteure einschliessen.» Wie das zu bewerkstelligen wäre, hat Fingers Team in «Nature Food» skizziert.

Toxizität, nicht nur Menge

Erstmal müssten die ausgebrachten Pflanzenschutzmitteln nicht nur – wie bisher üblich – mengenmässig gemessen werden, sondern auch bezüglich ihrer Toxizität. Risikobasierte Indikatoren sollen verwendet werden, um das Schadenpotenzial für Mensch und Umwelt zu berücksichtigen.

Diesen Weg ging bereits eine Studie von Agroscope, in der die Pflanzenschutzmittel mit den höchsten Umweltrisiken identifiziert und die Auswirkungen eines Verbots derselben untersucht wurden. Zur Studie

Resistente Sorten, auch mit Molekularbiologie

Weiter gelte es, bereits bekannte Alternativen anzuwenden: artenreichere Anbausysteme mit breiteren Fruchtfolgen, die den Krankheits- ​und Schädlingsdruck verringern; Methoden, welche die verbleibenden Schädlinge biologisch bekämpfen; und die Züchtung resistenter Sorten mit molekularbiologischen Methoden. Letztere würden in der Schweiz wie in der EU restriktiv reguliert - das gelte es zu überdenken.

Mehr Digitalisierung

Ausserdem sollte die Skepsis gegenüber digitalen Hilfsmitteln überwunden werden. «Technologien für einen smarten Pflanzenschutz» sollten weiterentwickelt und gefördert werden, verlangen die Experten: Roboter und Drohnen etwa, die durch Ausbringung von Substanzen Schädlinge, Unkräuter und Krankheiten gezielt bekämpfen.

Pflanzenschutzmittel sind zu günstig

«Neue Technologien, und seien sie noch so vielversprechend, sind wirkungslos, wenn Landwirte sie nicht annehmen. Heute sind Pflanzenschutzmittel generell zu billig, potenzielle Schäden für Mensch und Umwelt nicht in Preisen integriert», bemängeln die ETH-Fachleute.

Direktzahlungen und Lenkungsabgaben sollen helfen

Hier könnten Lenkungsabgaben in Kombination mit Direktzahlungen den entscheidenden Anreiz geben. Dänemark habe es beispielsweise geschafft, die Risiken von Pflanzenschutzmitteln mit einer Lenkungsabgabe in fünf Jahren um mehr als 30 Prozent zu reduzieren.

Ähnlich wie in der EU

Für all das brauche es einen übergeordneten ernährungspolitischen Rahmen, der die wichtigsten Spannungsfelder berücksichtige. Die von der EU kürzlich präsentierte Strategie «From Farm to Fork» sei ein guter Denkansatz, finden die ETH-Experten