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Mit einem Dutzend Schafen nahm es seinen Anfang – damals, 1994, als das erste Blöken dem neuen Stall der fünfköpfigen Familie Büchi einen akustischen Anstrich gab. In Davos Wolfgang GR liegt ihre spartanische Stallung, nur 150 Meter vom malerischen Davosersee entfernt. Aktuell hausen bereits 200 Muttertiere bei Martin und Doris Büchi. Aber auch nach fast zweieinhalb Dekaden Milchschafhaltung stimmen beide überein, jedes Jahr dazuzulernen.


Wo sollte es hingehen?


Doch vorerst auf der Zeitachse zurück: 1992 bot sich der jungen Familie Büchi die Möglichkeit, von einem Bekannten einen Kleinbetrieb zu übernehmen: acht Kühe, acht Hektaren Land und ein Anteil an einer Privatalp. Weil damals grosse Investitionen anstanden, mussten sich Martin und Doris Büchi überlegen, wohin ihre biobetriebliche Reise hingehen soll. «Das Ziel war es, diesen Betrieb im Haupterwerb zu führen», erzählt Martin Büchi.


Der Anstoss in Richtung Milchschafhaltung kam letztlich vonseiten der Molkerei Davos, die mittels Aufruf nach grösseren Schafmilchproduzenten suchte. Und über eine nach Österreich ausgewanderte Cousine, die bereits erste Gehversuche mit mehreren Milchschafen unternommen hatte, gelangten auch gewisse Melk-Erfahrungen nach Davos. «Mehr wusste ich von Schafen damals eigentlich nicht», berichtet der dreifache Vater offen.


Ein gebastelter Melkstand


Das Wagnis Milchschafbetrieb startete schliesslich mit zwölf Tieren, welche die Familie auf Märkten erworben hatte, und viel Improvisation. Ein umfunktionierter Anhänger musste etwa als Melkstand herhalten. Und Erfahrungen einholen? Fast unmöglich. Die Milchschafhaltung sei nämlich dannzumal wirtschaftlich praktisch unbedeutend gewesen. «Als wir mit Milchschafen anfingen, war der durchschnittliche Schweizer Milchschafzüchter – salopp gesagt – ein pensionierter Lehrer», erzählt Martin Büchi schmunzelnd. Dennoch: Die Büchis entschieden sich, auf noch mehr Schafe zu setzen.

Weil das Junglandwirte-Paar aber keine Bundessubventionen erhielt, galt beim Stallbau die Devise: einfache vier Wände und ein Dach. «Schliesslich bauten wir keinen Milchschafstall, sondern ein landwirtschaftliches Ökonomiegebäude», so der Schafzüchter.


180 Schafe pro Stunde


Heute führt die Familie Büchi einen stattlichen Biobetrieb; 2010 wurde angebaut. Damals kamen ebenfalls ein Milchraum und ein Melkkarussell mit 24 Melkplätzen hinzu. «Stündlich melken wir zu zweit fast 180 Tiere», berichtet Martin Büchi aus seinem Hofalltag. Rund 50'000 Kilogramm Milch kommen so jährlich zusammen – aktueller Milchpreis: Fr. 2.90. «Keine Superleistung», wie der Betriebsleiter anfügt. Aber bei «Bio, Berg und Alp» stehe nicht «Kilogramm Milch um jeden Preis» im Vordergrund. Die Büchis freuen sich über robuste und gesunde Tiere, die jährlich lammern.


Die neue Biokäserei Prättigau in Jenaz GR ist der Hauptverarbeiter. Im vergangenen Jahr – im April war Inbetriebnahme – veredelte sie 150'000 Kilogramm Milch zu Weissschimmel- und Halbhartkäse. Die beiden Käsespezialitäten bereichern bereits die Ostschweizer Coop-Regale, und ab diesem Frühling sind sie in der Pro-Montagna-Linie landesweit zu finden. «Es gibt noch viele weitere Ideen», so Martin Büchi als Präsident der Käserei-Genossenschaft, «aber von null auf hundert geht es nicht.»


Ostfriesische Schafgruppen


Angefangen mit Ostfriesischen Milchschafen, erfolgte für den Biohof über die Jahre der Wechsel auf französische Lacaunes. Doch warum? Speziell an den Ostfriesen sei, dass sie Gruppen von 20 bis 30 Tieren bilden würden. «Das war auf der Alp sehr mühsam. Die Gruppen waren überall verstreut», erzählt Doris Büchi – betreffend das Melken, Grossraubtiere waren nämlich noch kein Thema, ein anstrengendes Tierverhalten.

Neben dem heikleren Fressgebaren der Ostfriesischen Milchschafe spielte ein weiterer Umstand den Lacaunes in die Karten. «Ostfriesen-Lämmer mästen geht fast nicht, zumindest bei uns im Berggebiet», betont Martin Büchi. Diese würden nicht richtig Fleisch ansetzen.

80 Jungtiere nachgezogen

Alle Lämmer werden von den Büchis selber aufgezogen oder ausgemästet, je nachdem wie viele Tiere für die Remontierung genutzt werden. Etwa 80 Lacaunes sind für die Nachzucht eingeplant. Die Familie selektioniert jeweils im Herbst; die Ablamm-Saison fällt grossteils auf den Oktober und dann noch auf den Februar.  


Beachtliche 48 ha Grünland stehen dem Biobetrieb als Futtergrundlage zur Verfügung – Kraftfutter und Mais gibt es nur vereinzelt, ein bisschen Eiweisskonzentrat erhalten die Tiere beim Melken. Auf 33 ha wird mindestens einmal jährlich gemäht. Ein Gros der Nutzfläche sind Steillagen. So verwundert es wenig, dass die Schafe im Sommer gen Alp ziehen. Dort fressen sie genüsslich auf 1600 bis 2400 Metern über Meer, ihr Stall liegt auf 1760 Metern.


Touristen und Schutzhunde


Und der Wolf? Noch ist bei den Büchis nichts passiert. Die Empfehlung vom kantonalen Herdenschutzbeauftragten ist aber eindeutig: «Ganz klar rät dieser zu Herdenschutzhunden!», sagt Martin Büchi. Das klappe auch. «Aber für uns gibt es eine grosse Hemmschwelle: die Nachbarn und den Tourismus.» Auch wenn die Hunde innerhalb der Zäune seien, empfänden die Leute diese als unangenehm. Im Tal nahe dem Davosersee oder auf der Alp entlang einer Bike-Route wäre das Gebell unerträglich.

So behilft sich die Familie mittels zusätzlicher Einzäunungen – etwa über Nacht, so dass die Tiere beim offenen Unterstand bleiben und nicht Richtung Berg ziehen. «Ich behaupte, wir in der Berglandwirtschaft müssen das Problem aussitzen.» Denn immer häufiger passiere etwas in Siedlungsnähe. «Irgendwann kippt die Stimmung, wenn die Wölfe in den Städten sind.»


Von hinten anfangen


Nach so vielen Jahren Schafhaltung: einige Tipps für Neueinsteiger? «Von hinten anfangen», rät Martin Büchi. Zuerst gelte es zu prüfen, wer die Milch erwerbe. Und zweitens: «Es sind nicht einfach kleine Kühe. Schafe sind eine ganz andere Tierart.» So müsse ein Neuschäfer gewillt sein, Neues zu lernen und Dinge anders zu machen. «Wenn etwa die Weide für Kühe schön ist, ist sie für Schafe zu spät.»

Zudem empfiehlt der Davoser, nur mit zehn bis 20 Tieren zu starten. Am besten aus dem gleichen Bestand heraus erworben, um potenzielle Krankheiten besser kontrollieren zu können. «Wir machen es seit bald 25 Jahren und jedes Jahr haben wir das Gefühl, dass wir endlich wissen, wie es geht», bekräftigen Doris und Martin Büchi lächelnd.   

Curdin à Porta