"Verstaubte Ausbildung: Junge Bauern lernen zu wenig über Nachhaltigkeit." Unter dieser Schlagzeile berichtete die Rundschau vergangene Woche über die Landwirtschafts-Ausbildung und den dazugehörigen Lehrplan (hier geht es zum Beitrag). Letzterem würden die konkreten Ziele im Bereich Nachhaltigkeit und würde Themen wie "Artensterben durch Pflanzenschutzmittel", "Food Waste durch Überschussproduktion" oder "Klimaerwärmung durch Viehhaltung" gar nicht aufnehmen.

 

Überzogene Kritik an der Ausbildung

Die Kritik ist überzogen, findet Robert Lehmann. Für alle politischen und gesellschaftlichen Themen "die Bildung zur Rechenschaft zu ziehen und in die Pfanne zu hauen ist gerade für zukunftsgerichtete Berufsbildner und Lehrpersonen sehr frustrierend", schreibt der Dozent für Didaktik und Methodik an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in einer E-Mail an die Redaktion.

Nachhaltigkeit ist Thema im Allgemeinbildenden Unterricht

Lehmann, der als Projektleiter Bildungsplan Landwirtschaft die letzte Revision des Bildungsplanes mitgestaltet hat, betont, dass der Themenbereich Nachhaltigkeit bereits berücksichtigt wird. "Wir haben bei den Bildungsplänen schon 2008 immer auch den Allgemeinbildenden Unterricht für Themen rund um Nachhaltigkeit einbezogen", so Lehmann. Dabei wird das Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie thematisiert. Laut Lehrplan können die Lernenden nach dem Besuch des Unterrichts unter anderem:

  • Die Auswirkung der zunehmenden Mobilität auf die Umwelt erklären.
  • Aus persönlicher Sicht das Spannungsfeld zwischen ökonomischem Wachstum und ökologischer Verantwortung beschreiben.
  • Verschiedene Energieträger bezüglich ihrer Erneuerbarkeit und Nachhaltigkeit vergleichen.
  • Politische Instrumente der Umweltschutzpolitik erklären.
  • Die Anschaffungs- und Unterhaltskosten von eigenen Fahrzeugen berechnen.

Nachhaltigkeit ist Thema im Berufsunterricht

Neben dem Allgemeinbildenden Unterricht ist Nachhaltigkeit auch Thema im Berufsunterricht – im dritten Lehrjahr werde sehr viel davon aufgenommen, "was die Rundschau so grosszügig nicht zur Kenntnis nehmen wollte", schreibt Robert Lehmann. Das Kapitel "Nachhaltig handeln" im Lehrmittel vermittelt die Bedeutung der Nachhaltigkeit für den landwirtschaftlichen Betrieb und wird im dritten Lehrjahr unterrichtet.

Auf 56 Seiten wird den angehenden Landwirten vermittelt, wie sie ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig handeln können. Dazu gehören die Grundlagen der Ökologie, der Biodiversität in der Landwirtschaft, der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen, der Einsatz von Gentechnik und die soziale Dimension der Nachhaltigkeit. Bei der Durchsicht des Kapitels wird deutlich, dass die Rundschau-Reporter sich mit Lernenden des ersten Lehrjahres zufriedengegeben haben.

Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist in der Ausbildung ein Thema

Denn das besagte Kapitel beinhaltet unter anderem Informationen zum Nutzen einer möglichst grossen Artenvielfalt und die Gründe für deren Abnahme. So werden nicht nur die Vorteile grosser Biodiversität beschrieben, sondern auch der Rückgang der Brutvögel-Bestände auf Kulturland. Auf Seite 17 wird der Einfluss der Landwirtschaft auf den Rückgang der Artenvielfalt thematisiert: dabei kommen nicht nur der Einsatz von Pflanzenschutzmittel und Dünger zur Sprache, sondern auch die intensive Nutzung des Dauergrünlandes, die Rodung von Hecken und die Entwässerung (etwa durch die Korrektur von Fliessgewässern).
Natürlich lässt sich über den Umfang einer Unterrichtseinheit und deren Gewichtung streiten. Tatsache ist aber, dass "Artensterben durch den Einsatz von Pflanzenschutzmittel" im Lehrmittel aufbereitet und präsentiert wird.

Auch dem Thema Nahrungsmittelverschwendung wird Platz eingeräumt – allerdings nur indirekt: So wird thematisiert, dass durch die Verfütterung von Getreide für die Fleischproduktion rund 80 Prozent der Nahrungsmittelenergie verloren gehen. Zusätzlich wird auch die globale Auswirkung der Schweizer Landwirtschaft thematisiert. Dabei geht es um die Tatsache, dass durch Kraftfutterimporte die Schweizer Ackerfläche praktisch verdoppelt wird.

Klimawandel ist ein eigenes Kapitel im Lehrmittel

Auch die generelle Kritik, die Landwirtschaftsausbildung würde sich nicht mit dem Klimawandel befassen, ist mit Blick auf das Lehrmittel überzogen. Ein ganzes Unterkapitel wird den Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft gewidmet - dabei handelt es sich zwar nur um eine Seite, aber die Sensibilität für das Thema ist wenigstens im Lehrmittel vorhanden.

Dennoch: der Bildungsplan wird sich weiterentwickeln müssen, wenn die Landwirte besser auf ihre Zukunft vorbereitet werden sollen. Wie genau, das wird sich in den kommenden Jahren zeigen.