Als Süssäpfel werden Sorten bezeichnet, die besonders reich an Zucker und gleichzeitig säurearm sind. Als Tafeläpfel entsprechen sie nicht den heutigen Anforderungen an ein ausgewogenes Zucker-Säure-Verhältnis und sind deshalb weitgehend in Vergessenheit geraten. Selbst in seiner Ursprungsregion um Uster sind die meisten der mächtigen Usterapfelbäume verschwunden, teilt Fructus in einer Mitteilung zur auserkörten Obstsorte mit.

Ein bis zwei Süssapfelbäume für die Selbstversorgung

Der einst so beliebte Usterapfel sei jedoch viel mehr als eine geballte Ladung Fruchtzucker. Äusserlich ist er gut zu erkennen an den kleinen, länglichen und leicht unregelmässig geformten Früchten mit hellgelber Schale. Mit seinen besonderen Aromen lässt er sich laut Fructus vielfältig verarbeiten und passt damit bestens in den aktuellen Ernährungstrend, bei dem die Entdeckung traditioneller Produkte und vergessener Geschmäcker eine grosse Rolle spielt.

Seit Urzeiten lieben Menschen süsse Nahrungsmittel. Bevor der industriell hergestellte Zucker billig zu kaufen war und in den Küchen Einzug hielt, standen deshalb in fast jedem Obstgarten ein bis zwei Bäume mit Süssäpfeln. Diese Zuckerbomben unter den Äpfeln lieferten süsse Beilagen, süssaromatische Trockenfrüchte und klebrigen Zuckerersatz in Form von Apfeldicksaft, in der französischen Schweiz vin cuit genannt.

Es gab unzählige lokale Süssapfelsorten und manche Region hatte ihren eigenen Lieblings-Süssapfel. Der Usterapfel jedoch war so beliebt, dass er in fast allen Regionen der Schweiz angepflanzt wurde. Er ist nicht nur sehr süss, sondern auch von einem besonderen Aroma.

Zwei Legenden, keine Belege

Obstsortenexperte Göpf Mülli aus Uster hat sich gemäss der Mitteilung intensiv mit dem Usterapfel und seiner Geschichte befasst. Zur Herkunft kursieren zwei Legenden, die besagen, dass Heimkehrer aus fremden, militärischen Diensten um 1750 Zweige des Usterapfels nach Uster gebracht und hier auf einen Apfelbaum gepfropft haben sollen.

Trotz seinen Nachforschungen konnte Mülli weder einen Beleg dafür finden, dass der Sohn einer Familie Manz aus Nänikon die Zweige aus Frankreich mitgebracht hat noch, dass es ein Oberst Blatter aus dem Schloss Uster war, der die Reiser in den Niederlanden geschnitten und mitgenommen hat. Allerdings stellte sich heraus, dass es auf dem Schloss Uster keinen Oberst Blatter gab, jedoch einen Oberst Schlatter. Beide Namen sind in zwei Synonymen für den Usterapfel enthalten: Blatterapfel und Schlatterapfel.

Die Konfusion ist also komplett und die Herkunft des Usterapfels bleibt weiterhin im Dunkeln. Woher der Apfel auch stammt, die Begeisterung für diese Sorte war vor 250 Jahren so gross, dass sie sich rasch verbreitete. Usterapfelbäume standen bis vor 50 Jahren in den Obstgärten vom süddeutschen Raum bis ins Welschland. Wie bei allen verbreiteten Sorten entstand bald eine Fülle von Lokalnamen wie Citronenapfel, Chridebüchsler, Ankebälleli, Museau de mouton, Pomme citron und andere.

Es fehlt ihm die Säure

Seine Beliebtheit verdankte der Usterapfel laut Fructus auch seinem hohen Zuckergehalt. Der grösste Unterschied zu anderen Süssapfelsorten ist jedoch sein Aroma mit einer leichten Vanillenote. Dieses bleibt den Menschen, die als Kinder Usteräpfel gegessen haben, oft ein Leben lang im kulinarischen Gedächtnis.

Als Tafelapfel löst die Sorte heute selten Begeisterung aus, dafür fehlt ihr die Säure. Aber sorgfältig verarbeitet entfalten reife Usteräpfel ein ganzes Universum an Aromen, die an eine holzgetäfelte Stube, Kachelofenwärme und den Duft von Weihnachtsgewürz erinnern. Werde ein getrockneter Usterapfelschnitz lange gekaut, entfaltet sich im Mund eine wohlige Welle von Süsse und Geschmack, heisst es in der Mitteilung.

Sterilisiert in einem Sud mit etwas Karamell und Zitronenschale seien Usteräpfel ein allzeit bereites und feines Dessert. Beim Kochen zerfallen sie nicht und passen in Schnitzen gegart als Beilage zu kräftigen Gerichten. In der Mischung mit sauren oder geschmacklich neutralen Äpfeln sind Usteräpfel zuverlässige Verbesserer. Sie verleihen dem Apfelsaft oder Mus ein feines Aroma und die nötige Süsse.

Entweder viele Usteräpfel oder fast keine

Ein typisches Sortenmerkmal des Usterapfels sind die unregelmässigen Erträge. Nach einer oft überreichen Ernte folgt in der Regel ein Jahr ohne Früchte. Diese Alternanz lässt sich nicht verhindern und die Äpfel müssen darum gefeiert werden, wenn es sie gibt, schreibt die Organisation.

Nebst diesem kleinen Makel ist der Usterapfelbaum robust und nur wenig anfällig für Pilzkrankheiten. Die Früchte reifen in der zweiten Hälfte des Septembers und lassen sich ungekühlt nur wenige Wochen, gekühlt bis Ende Jahr lagern. Mit zunehmendem Alter entwickeln Usterapfelbäume grosse, sortentypisch-runde Kronen und werden zu prägenden Elementen in der Landschaft. Bis es aber soweit ist, braucht es anhaltende Pflege und Geduld.

Dank der finanziellen Unterstützung durch die Stadt Uster werden engagierte Landwirtinnen und Landwirte auf dem Gemeindegebiet dieses Jahr etwa 25 junge, hochstämmige Usterapfelbäume pflanzen. So wird der Usterapfel in seinem Ursprungsort weiterhin anzutreffen und seine Früchte hoffentlich auch zu kaufen sein. Fructus sei überzeugt, dass dem zitronengelben Usterapfel die Rückkehr in die Küchen gelingen wird. Wiederentdeckt oder neu interpretiert von innovativen Köchinnen und Köchen, die die Vielfalt unserer lokalen Produkte zelebrieren, so hofft man.