Ein Veterinär einer grossen Tierarztklinik aus dem Raum Dijon, Frankreich verkaufte während Jahren Schweizer Landwirten unter der Hand sogenannte kritische Antibiotika, berichtet die «SonntagsZeitung». Die Landwirte stammen aus dem Greyerzerland, dem Waadtländer Haute-Broye, der Walliser Rhone-Ebene und den Kantonen Bern, Aargau und der Innerschweiz.

Dies wäre der grösste bekannt gewordene Fall von illegalem Handel mit Tierarzneimittel der letzten Jahre, heisst es. Er zeige, wie Landwirte die Massnahmen des Bundes und der landwirtschaftlichen Organisationen zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen jahrelang unterlaufen konnten.

 

Beschlagnahmte Schmuggelmedikamente

Die kritischen Reserve-Antibiotika Meflosyl, Tylan, Marbocyl, Efficur und Cobactan (in Spritzen, zur Injektion in Euter) dürfen in der Schweiz nur ausnahmsweise und unter strengen Auflagen angewendet werden. Finadyne (weinrote Packungen) ist ein Schmerzmittel. Holstein-Züchter wenden es an Wettbewerben an, um die Schmerzen der Kühe durch übervolle Euter zu vertuschen.

 

Auch Biobauern unter den Abnehmern der Schmuggelware

Anfang Mai 2018 flog der Veterinär aus Frankreich auf, als der Zoll ihn am kleinen Zollübergang von Chacannes-de-Bogis VD kontrollierte. Die Zallfahnder beschlagnahmten neben Tierarzneimitteln einen Laptop mit 27'000 Kundenrechnungen. Gegen mehr als 200 Landwirte leiteten der Zoll, die kantonalen Staatsanwaltschaften oder die Veterinärbehörden ein Verfahren ein. Unter den Landwirten sind viele Westschweizer Milchproduzenten, Ziegen- und Schafhalter. Viele der gebüssten Landwirte lieferten in die konventionellen Programme QM Schweizer Fleisch oder IP-Suisse. Auch Bauern, die für das Label Bio Suisse produzieren, gehörten zu den Abnehmern der Schmuggelmedikamente.

Zudem gehörten Lokal- und Regionalpolitiker sowie Ausbildner von angehenden Bauern, Funktionäre von Bauernverbänden und Genossenschaften oder Mitglieder staatlicher Landwirtschaftsgremien zu den Kunden des Schwarzhändlers.

Kunden auch aus dem Milieu der Holstein-Züchter

Viele Kunden hatte der Tierarzt laut den Strafbescheiden im Milieu der Züchter der Holstein-Rasse. Es fanden Stalldurchsuchungen statt, bei denen die Behörden grosse Mengen von illegal beschafften Antibiotika für die Behandlung von Euterkrankheiten fanden. Auch wurden Euterspritzen mit Cobactan, einem Antibiotikawirkstoff, der in der Humanmedizin zum Einsatz kommt und daher in der Landwirtschaft nur ausnahmsweise und unter Aufsicht eines Tierarztes eingesetzt werden darf.

Sichergestellt wurden auch Medikamente, die an Holstein-Wettbewerben eingesetzt würden – das Medikament Finadyne, mit dem die Schmerzen der Kühe durch übervolle Euter vertuscht würden und Oxytocin-Injektionslösungen. Das Hormon provoziert bei den Tieren einen schnellen Milcheinschuss.

Gebüsste Bauern geben sich wenig einsichtig

Pro Jahr kauften die Bauern dem Schwarzhändler aus Frankreich Produkte für bis zu 11'000 Franken ab. Die Bauern geben sich trotz Geldstrafen wenig einsichtig: Die Medikamente seien im Vergleich zur Schweiz bis zu 50 Prozent billiger, sagten sie. Sie hätten die Produkte korrekt eingesetzt. Das Problem seien die in der Schweiz überhöhten Preise, rechtfertigte sich ein Gebüsster, ein in seiner Region bekannter Lokalpolitiker.

Die Strategie des Bundes gegen Antibiotikaresistenzen sieht aber vor, dass Landwirte Antibiotika nur auf tierärztlich Verschreibung beziehen dürfen. Um Antibiotikarückstände in Lebensmitteln zu verhindern, müssen Landwirte über den Einsatz Buch führen und Absetzfristen einhalten. Diese Pflichten ignorierten die Bauern. 

Wie die «SonntagsZeitung» berichtet, toleriere Bio Suisse solche Praktiken nicht, auch das Label QM Schweizer Fleisch kündige an, zusätzliche Sanktionen gegen fehlbare Bauern zu prüfen. Um den Medikamenten-Schwarzhandel der Landwirtschaft zu unterbinden, hat der Zoll seine Überwachungsmassnahmen an der Grenze inzwischen verstärkt.