Laut bellend steht der Hund mitten auf dem Weg. Eingeschüchtert weicht der Wanderer zurück. Nimmt das Tier seine Funktion als Wachhund wahr oder ist er ein Wadenbeisser? Der Wanderer will es nicht darauf ankommen lassen und macht kehrt.


Auch die Hunde von Erika Howald rennen bellend los, wenn sich jemand ihrem Hof hoch oberhalb von Rüti bei Büren BE nähert. «Doch wie auch immer die Menschen reagieren, meine Hunde lassen sie garantiert in Ruhe», sagt die Bäuerin. Der Brustton der Überzeugung stammt daher, dass die Bäuerin seit gut zehn Jahren zertifizierte Hundetrainerin ist.


Die ersten 16 Lebenswochen sind entscheidend


«Gerade auf einem abgelegenen Hof wie dem unseren ist es wichtig, dass ein Hund als Welpe auch das Leben in dicht besiedelten Gebieten kennenlernt und mit möglichst vielen unterschiedlichen Lebewesen, Fahrzeugen, Geräuschen und Gerüchen in Kontakt kommen kann», erklärt die Fachfrau. Ziel der Sozialisationsphase ist es, dass Hunde auch mit für sie ungewohnten Situationen umgehen lernen und wissen, dass Unerwartetes auf dem Hof nicht zwingend eine Gefahr darstellt für sie. Diese Phase ist bereits in der 16. ebenswoche abgeschlossen. Verläuft sie nicht optimal, resultiert daraus oft Verhalten, das schwer zu korrigieren ist.


In der Regel seien Hunde nicht von Natur aus bösartig, sondern würden beissen, weil sie mit einer bestimmten Situation überfordert sind, sagt Erika Howald. Darum aus ihrer Sicht ganz wichtig in diesem Zusammenhang: Der Hund muss seinem Besitzer vertrauen und sich darauf verlassen können, dass dieser seinen Beitrag leistet, wenn ein Problem gelöst werden muss. Für einen Wachhund heisst das, dass er zwar bellen darf, aber alles weitere seinem Besitzer überlassen muss – ausser dieser iniitiert weitere Aktivitäten wie Angriff auf Feinde oder Jagd.

Der Mensch führt das Rudel an


Das Vertrauen in den Halter oder die Halterin basiert unter anderem darauf, dass in der Familie, in welcher der Hund lebt und die für ihn sein Rudel darstellt, zwischen Mensch und Hund eine klare Rangordnung etabliert und konsequent gehalten wird. Der Mensch agiert, der Hund reagiert. Der Mensch ist dasjenige Individuum im gemischten Rudel, das soziale Interaktionen ini­tiiert und/oder beendet und das insgesamt das soziale Miteinander innerhalb der Gruppe regelt.

Das ist nicht für alle Hundehalterinnen und -halter selbstverständlich. «Ich habe relativ oft Klientinnen und Klienten, bei welchen ich einen Rollentausch auslösen muss», sagt Erika Howald. So gesehen stimmt für sie die Bezeichnung Hundetrainerin nur bedingt. «Ich schule eigentlich die Besitzer und nicht die Hunde.» Wenn das Verhältnis zwischen Halter und Hund stimme, reagiere der Hund automatisch richtig.


Es hat also nichts mit Hartherzigkeit zu tun, wenn man den Hund wegweist, wenn er beispielsweise kommt und zum Streicheln animiert. Oder ihn  nicht grad füttert, wenn er es bellend oder winselnd fordert, sondern erst nachdem er sich einige Minuten ruhig verhalten hat. «Nur wenn der Besitzer jederzeit die Kontrolle hat, kann sich der Vierbeiner sicher und geborgen fühlen», sagt Erika Howald.


Damit der Hund versteht, was von ihm erwartet wird, ist eine klare Kommunikation wichtig. Die Körperhaltung und die Mimik müssen mit den Worten übereinstimmen. Ist beispielsweise die Anwesenheit des Hundes unerwünscht, muss ihm dies sowohl mit kühler Stimme als auch mit einer abweisenden Körperhaltung vermittelt werden, illus­triert Erika Howald. Umgekehrt hat auch der Hund viel zu erzählen mittels Körperhaltung, Rute, Ohren, Nase und Schnauze. Es lohnt sich deshalb, die Mimik des eigenen Hundes gut zu kennen.

Nebst der Ausbildung von Welpen arbeitet Erika Howald häufig auch schon mit etwas älteren Hunden (siehe dazu auch Kasten unten), weil diese ihren Haltern Schwierigkeiten machen. «Manche Menschen kommen mit der Vorstellung, dass ich aus jedem Hund einen guten Hund machen kann», sagt sie. Sie könne aber nur so viel zur Entwicklung des Hundes beitragen, wie dieser bereit sei zu geben. Diese Haltung ist Ausdruck von Erika Howalds Philosophie, die im Wesentlichen auf dem Prinzip «Einfachheit» basiert und für die sie sich an der Natur orientiert: «Die Natur gibt uns allen das Nötige mit.»

Esther Zimmermann