Mangelhaftes AmpelsystemBauernverband schliesst sich dem Protest gegen den Nutri-Score anMontag, 4. Oktober 2021 Die Wissenschaftskommission des Ständerats ist besorgt über mögliche problematische Effekte des Nutri-Scores und hat aus diesem Grund eine Motion auf den Weg gebracht. Der Bundesrat solle die gesetzlichen Rahmenbedingungen so legen, dass der Nutri-Score z. B. Naturprodukte gegenüber stark verarbeiteten Lebensmitteln nicht benachteiligt.

Prinzip wie bei der Waschmaschine

Mit dem Verweis auf Energieetiketten für Elektrogeräte wies Kommissionssprecher Benedikt Würth (Mitte / SG) auf den Trend zum Scoring hin. Lebensmittel seien aber keine Waschmaschinen und der Nutri-Score vereinfache zu stark. So schneiden etwa Apfelsäfte und Schorle wegen hoher Zuckergehalte schlechter ab als z. B. ein Zero-Softdrink und beim Käse führt der hohe Fettgehalt zu Rottönen auf der Ampel. «Käse hat nun mal einen gewissen Fettgehalt», hielt Würth fest. Gerade im Fall von AOP-Produkten verunmögliche es das Pflichtenheft, irgendwelche Fettanteile zu reduzieren. Die anstehende Revision des Lebensmittelgesetzes sei eine Chance, gewisse Leitplanken für den Nutri-Score zu legen.

Anträge zur Verbesserung eingereicht

SMP kritisiert Gesundheits-LabelNutri-Score lasse Milchprodukte zu Unrecht ungesund aussehenFreitag, 1. Oktober 2021 Die Kritik am Nutri-Score ist nicht neu und kam in den letzten Jahren unter anderem vom Schweizer Bauernverband (SBV), dem Schweizer Obstverband (SOV) und dem Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP). Gefordert wurde etwa eine bessere Berücksichtigung des Verarbeitungsgrads und die Differenzierung zwischen unterschiedlich gesättigten Fettsäuren.

Der Nutri-Score ist eine Marke im Besitz von Santé Publique France, der französischen Gesundheitsbehörde. Aber die Schweiz ist im internationalen Lenkungsausschuss vertreten und man habe die verschiedenen Eingaben dort deponiert, hält der Bundesrat fest.

Bereits Beschlüsse gefasst

Im Juli 2022 wurde laut Bundesrat eine Verbesserung des Algorithmus beschlossen, der Lebensmittel nach dem Ampelsystem für den Nutri-Score einteilt. Die Weiterentwicklungen des Systems sollen eine bessere Klassifizierung im Einklang mit den wichtigsten Ernährungsempfehlungen bewirken und ab Ende 2023 in Kraft treten.

Die Freiwilligkeit sicherstellen   

Insofern rennt die Ständeratskommission mit ihrem Vorstoss offene Türen ein. Aber wie Benedikt Würth ausführte, geht es ihr insbesondere auch um die Freiwilligkeit des Nutri-Scores. Dies soll weiterhin gewährleistet bleiben, denn man stelle eine gewisse Euphorie fest und befüchte eine baldige Verpflichtung zur Verwendung des Nutri-Scores. Dem widersprach der anwesende Bundesrat Alain Berset und stellte klar, es gebe keine solchen Bestrebungen. Angesichts der fast einstimmigen Zustimmung in der Kommission habe er den Eindruck, es gebe eine Art neue Allianz zwischen jenen die den Nutri-Score geschwächt oder gar nicht mehr haben möchten und jenen, die ihn stärken wollen.

Grosse Mehrheit dafür

Es müsse darum gehen, objektive, gute und leicht zugängliche Informationen für die Konsument(innen) zu liefern, fasste Bundesrat Berset seinen Standpunkt zusammen. «Das ist allerdings schneller gesagt als getan, dessen bin ich mir bewusst.» Sollte die Motion angenommen werden, versuche man, in diese Richtung zu arbeiten und die «manchmal recht hohen Hürden» mit Elan zu überwinden.

Schlussendlich haben sich 33 Ständerats-Mitglieder für eine Annahme der Motion ausgesprochen, es gab eine Enthaltung. Mit diesem klaren Ja geht der Vorstoss nun in die grosse Kammer.

 

Pizzas vergleichen, aber nicht Joghurt und Pizza
Der Nutri-Score ist zwar dank der verwendeten Ampelfarben intuitiv verständlich, aber nicht selbsterklärend. So dient er dazu, ähnliche Produkte zu vergleichen: Eine grün gekennzeichnete Pizza gilt als gesünder als eine mit rotem D. Der Nutri-Score macht aber keine Aussage dazu, ob z. B. ein Joghurt gesünder ist als eine Pizza. Nach Meinung des SBV ist das System zu stark vereinfacht. Eine gute Ernährung hänge nicht von einzelnen Lebensmitteln ab, sondern genauso von Mengen und der gesamten Zusammensetzung. «Eine gesunde Ernährung lässt sich nicht an einen Algorithmus delegieren», schreibt der SBV.