Fahmi Megaly sitzt auf einer Plastikplane im Schatten von Palmen und sortiert Datteln. Gerade eben kletterte er noch barfuss den Stamm hoch in die Krone des Baumes, um zu zeigen, wie die süssen Früchte geerntet werden. «Die guten sind zum Essen», erklärt er, «nur die schlechtesten verfüttere ich an meine Schafe und Ziegen.» Aber eigentlich seien die Datteln kein Tierfutter, betont er. Doch jetzt im Dezember – zum Ende der Dattelsaison – sei die Qualität nicht mehr so gut.
Bis zu 4000 Saisonarbeiter reisen an
In der Oase Siwa im ägyptischen Teil der Libyschen Wüste (auch Westliche Wüste genannt), nur 50 km von der libyschen Grenze entfernt, werden zwischen September und Dezember die besten und meisten Datteln des Landes geerntet. In der Hochsaison reisen dafür bis zu 4000 Saisonarbeiter aus anderen Landesteilen an. Auch Fahmi Megaly kam vor 16 Jahren aus Oberägypten auf der Suche nach Arbeit nach Siwa. Heute bewirtschaftet der 40-Jährige einen der vielen Oasengärten, die oft nur durch einen Zaun voneinander getrennt sind.
Auf Datteln spezialisiert
In Siwa stehen an die 30'000 Dattelpalmen, 70'000 Olivenbäume und Tausende von Obstbäumen; auf den Flächen unter den Bäumen wachsen Luzerne, Gemüse oder Kräuter, grasen Schafe, Ziegen, picken Hühner und Enten. Drei Viertel der rund 25'000 Einwohner von Siwa arbeiten in der Landwirtschaft. Der wesentliche Erwerbssektor ist der Anbau von Datteln und Oliven. Da die Ländereien oft klein sind, arbeiten viele Siwaner im Nebenerwerb. In der Oase gibt es einige grössere Hotels, ein Mineralwasserunternehmen, aus mehreren Seen wird Salz gewonnen, Olivenöl und Datteln werden produziert.
«Die Guten sind zum Essen. Nur die Schlechten werden verfüttert.»
Landwirt Fahmy Megaly erklärt, was er mit den aussortierten Datteln macht.
Viel Handarbeit
Fahmi Megaly hat nur ein paar Feddan Land, das er intensiv bewirtschaftet. Feddan ist ein ägyptisches Flächenmass; ein Feddan entspricht 0,42 Hektar. Landwirtschaft in Siwa bedeutet viel Handarbeit, kaum einer kann sich einen Traktor leisten. Die Bewirtschaftung der Gärten folgt einem bestimmten Schema. Wenn die Bäume noch klein sind, werden um sie Gemüse oder Bohnen angebaut. Sobald sie Schatten werfen, wird Luzerne angebaut. Obst, Gemüse und Luzerne erntet Fahmi mit der Hand. Die Luzerne lässt er teilweise an der Sonne trocknen, und schnürt sie dann zu Bündeln – als Futterreserve für seine Tiere. Auch die Datteln liegen zum Trocknen in der Sonne aus. Schlechte Qualität vermischt er mit dem Presskuchen aus der Eigenproduktion von Dattelmolasse – einer ägyptischen Spezialität – und verfüttert sie ebenfalls. Im Gegenzug liefern seine Schafe Dünger für die Felder.
Alte Bewässerungsregeln
Landwirt Fahmi Megaly hat einen eigenen Brunnen sowie Verbindung zu einem Brunnen, der in staatlichem Besitz ist. Es gibt keinen Verwaltungsbeamten, der die Wasserentnahmen reguliert, vielmehr wird dies unter den Landwirten abgesprochen. Die Wasserentnahme beginnt zu einem vereinbarten Zeitpunkt, zu dem dann die beteiligten Oasengärtenbesitzer den Lauf des Wassers verändern. «Im Sommer kann ich alle zwei Wochen vier Stunden lang Bewässerungswasser aus dem öffentlichen Brunnen abzweigen, im Winter darf ich so viel entnehmen, wie ich möchte, weil wir da sowieso nicht so viel brauchen», erklärt er. Dieses Bewässerungssystem – die Wasserrechte nicht nach Menge, sondern nach der Zeit, in der Wasser entnommen wird, aufzuteilen – sei sehr alt, so Megaly.
Günstige Bedingungen
Siwa hat sich auf den Anbau von Datteln und Oliven spezialisiert. Die Oase ist ideal, das Klima trocken, das ganze Jahr sonnig – und es gibt genug Wasser. Eine Palme kann bis zu 90 Kilogramm Datteln im Jahr produzieren. Geerntet werden sie entweder im noch harten Zustand und reifen dann im Schatten der Bäume langsam nach oder sie bleiben am Baum, bis sie anfangen, braun zu werden. Im Gegensatz zu anderen Früchten beginnen Datteln nicht zu faulen, stattdessen setzt ein stetiger Trocknungsprozess ein. Daher sind sie besonders lange haltbar. Ausserdem sind sie nahrhaft, mit einem hohen Gehalt an Vitaminen, Kalzium, Eisen, Magnesium und Zink. Nicht umsonst werden sie als Brot der Wüste bezeichnet.
«Das war ein sehr schlechter Preis.»
Landwirt Ahmed Mansour war in den letzten Jahren mit dem Preis nicht zufrieden.
Hoffen auf bessere Dattelpreise
Siwas Dattelbauern hoffen auf bessere Preise. «Die letzten Jahre bekamen wir gerade mal drei bis sechs Pfund für das Kilogramm», so Ahmed Mansour. Das sind umgerechnet 17 bis 33 Rappen. «Das war ein sehr schlechter Preis», so der 35-jährige Ägypter, der ursprünglich aus Alexandria stammt und vor drei Jahren nach Siwa umsiedelte. Auf 60 Feddan hat er1000 Dattelpalmen und 200 Olivenbäume stehen. Noch überlässt er seine Bäume einem anderen Landwirt, der sie für ihn instand hält. Seit diesem Jahr gibt es für Datteln bis zu 13 Pfund auf dem Markt, umgerechnet 72 Rappen.
Bei diesem guten Preisen will Ahmed demnächst selbst in das Dattelgeschäft einsteigen. Die Nachfrage nach Datteln aus Siwa hat in den letzten Jahren zugenommen. Siwas Datteln gelten nicht nur in Ägypten als die besten, die Qualität hat sich inzwischen auch im Ausland herumgesprochen. Vor allem die Nachfrage aus Malaysia und China sei gestiegen, so Ahmed Mansour.
Fakten zur Oase Swia
Die Oase Siwa liegt als die westlichste Oasengruppe Ägyptens in der Libyschen Wüste und erstreckt sich zwischen der Qattarasenke im Norden und dem Ägyptischen Sandmeer im Süden. Sie ist bis zu 80 Kilometer lang und bis zu 20 Kilometern breit. Die Oase liegt in einer Depression, rund 18 Meter unter dem Meeresspiegel.
Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt 20,7°C, dabei gibt es hohe Temperaturschwankungen. Die Sommer sind sehr heiss. Trocken ist es das ganze Jahr über. Der jährliche Durchschnittsniederschlag liegt bei 9,9 mm, in der Regel gibt es keine stärkeren Niederschläge.
Erst seit 1986 verbunden
Erst seit 1986 verbindet eine Teerstrasse die Oase mit der nächstgelegenen Stadt. Vier Stunden dauert die 300 Kilometer lange Fahrt durch flache, menschenleere Wüste nach Marsa Matruh an der Mittelmeerküste. Auf der Strasse viele bunte Lastwagen, sie transportieren vorwiegend Datteln – und Salz. Ein weiteres wichtiges Exportgut aus Siwa, erzählt Ahmed Mansour. Während in Siwa im Winter sommerliche Temperaturen herrschen, werde sein Salz als Streusalz auf den winterlichen Strassen Kanadas und Europas eingesetzt.