Das Sömmerungsgebiet ist dank offener Alpweiden bekannt für seine Biodiversität, auf die gerade in der Wolfsdiskussion gerne hingewiesen wird. Um diese Flächen zu pflegen bzw. weiterhin die Verbuschung zu verhindern, will der Bundesrat im Rahmen des landwirtschaftlichen Verordnungspakets 2023 das Mulchen erlauben, teilweise unter Auflagen zur Verhinderung ökologischer Schäden. Genau diese fürchtet Pro Natura und spricht von «brachialen Maschinen», die massive Spuren hinterlassen und eine Bedrohung für die Insektenwelt bedeuten würden.
«Rückschritt für die Biodiversität»
Im Grossen und Ganzen zeigt sich Pro Natura mit den vorgeschlagenen Änderungen auf Verordnungsebene zufrieden, die neuen Regelungen zum Mulchen aber seien ein Rückschritt für die akut bedrohte Biodiversität, den es zurückzuweisen gelte. Moderne Mulchgeräte würden in sensiblen, bisher wenig beeinflussten alpinen Naturgebieten Verwüstung hinterlassen, mit aufgerissenem Boden und zerhackten Zwergsträuchern. Neben Boden und Biodiversität wird durch einen solchen Anblick auch der Tourismus in Mitleidenschaft gezogen, warnt der Umweltverband.
Kaum umsetzbar und aufwändig
Nach Meinung von Pro-Natura-Landwirtschaftsexperte Marcel Liner hat der Bundesrat in Sachen Mulchen dem Druck gewisser Kantone nachgegeben. Die vorgesehene Unterscheidung zwischen dem Einsatz zur Weidepflege (soll laut Bundesrat im ganzen Sömmerungsgebiet erlaubt sein) und Entbuschung (nur mit Bewilligung und ökologischen Auflagen) hält er für in der Praxis kaum umsetzbar bzw. mit hohem administrativem Aufwand für die Kantone verbunden.
Maschinen lösen das Problem nicht
Zwar stimmt Pro Natura zu, dass Weiden vor Verbuschung und Vergandung geschützt werden müssen. Das sehe die jetzige Direktzahlungsverordnung aber bereits vor. Mehr Maschineneinsatz sei im Übrigen ungeeignet, um die Probleme immer grösser werdender Betriebe, fehlender Arbeitskräfte, schwindender Biodiversität und weniger alptauglicher Rinder oder Ziegen zu lösen.
Vielmehr schlägt Marcel Liner regionale Alpkonzepte vor: Sie sollen aufzeigen, welche Alpen in den kommenden Jahrzehnten überhaupt weiterhin bestossen werden können, wo genügend Tiere vorhanden sind und wo eine Bewirtschaftung besser aufgegeben würde. «Zuerst braucht eine grundsätzliche Diskussion über die Alpwirtschaft der Zukunft», ergänzt Liner.
«Richtig angewendet eine gute Technik»
Im Gegensatz zu Pro Natura begrüsst der Schweizerische Alpwirtschaftliche Verband (SAV) die Vorschläge des Bundesrats zum Mulchen im Sömmerungsgebiet. Richtig angewendet sei das eine gute Technik, um Weiden offenzuhalten und die hohe Biodiversität im Sömmerungsgebiet sicherzustellen. «Die vorgeschlagenen Präzisierungen verhindern einen kantonal uneinheitlichen Vollzug und Unsicherheiten bei den Produzenten», schreibt der SAV in seiner Stellungnahme zum Verordnungspaket. Der Verband hält die Unterscheidung von Weidepflege und Entbuschung mit einem Mulcher – deren Umsetzbarkeit Pro Natura anzweifelt – für wichtig:
Entbuschung: Im Frühling oder Herbst, um Vögel und Bodenleben zu schonen
Weidepflege: Ohne zeitliche Einschränkung, um insbesondere krautige Problempflanzen bekämpfen zu können. Hier könne auch mehrmaliges Mulchen pro Jahr sinnvoll sein.
«Unnötige administrative Einschränkungen» müssten laut SAV noch aus der Vorlage entfernt werden, etwa das Anhören verschiedener Fachstellen vor der kantonalen Bewilligung des Mulchens zur Entbuschung.