Sowohl die Trinkwasser- als auch die Pestizidverbots-Initiative sind noch nicht abgestürzt. Aktuell würden sich laut dem Forschungsinstitut GFS Zürich 57 Prozent der 1009 Befragten aus der Deutsch- und Welschschweiz für den Kern der Trinkwasser- und 68 Prozent für jenen der zweiten Initiative aussprechen, wie "Der Bund" am Dienstag berichtet. Konkret wurden bei einer telefonischen Umfrage die Teilnehmenden zu ihrer Haltung bezüglich eines Verbots synthetischer Pestizide bzw. die Beschränkung von Direktzahlungen auf Betriebe, die ohne künstliche Pflanzenschutzmittel arbeiten, befragt. 

Verlorene Prozentpunkte

Im Vergleich zu den Tamedia-Umfrageergebnissen aus letztem Sommer verloren beide Volksbegehren an Boden: 2018 waren 68 Prozent für die Trinkwasser- und 72 Prozent für die Pestizidverbots-Initiative. Das bedeutet einen Verlust von elf beziehungsweise vier Prozent. Hierbei ist allerdings anzumerken, dass die Tamedia-Befragung im Gegensatz zu jener der GFS eine Wahlumfrage war. Darin wurden also Wahlberechtigte explizit nach ihren Meinungen bezüglich dieser beiden Initiativen gefragt, während die GFS Schweizer (auch Nicht-Stimmberechtigte) zu den jeweiligen Kernanliegen befragte. Ein Vergleich der beiden Ergebnisse kann daher zwar auf einen Trend hinweisen, ist aber mit Vorsicht zu geniessen. Schliesslich wurden in der GFS-Befragung nicht alle Aspekte der Volksbegehren berücksichtigt (etwa die Beschränkung der Importe auf Bio-Produkte bei der Pestizidverbots-Initiative).

Intensive Landwirtschaft als Gefahr 

Neben der Zustimmung zu den politischen Anliegen wurden weitere Fragen gestellt, etwa zu den grössten Gefahren für einwandfreies Trinkwasser. Dabei rangiert die intensive Landwirtschaft auf Rang zwei. Als grösste Gefahr gelten bei den Befragten «Verschmutzungen im Allgemeinen». Die Sorge ums Trinkwasser scheint indes ein grosses Thema zu sein; 83 Prozent wünschen sich laut Umfrage einen stärkeren vorsorglichen Schutz dieser Ressource. Ausserdem möchte eine Mehrheit möglichst natürliches (d.h. wenig aufbereitetes) Trinkwasser. 42 Prozent ist dies sehr wichtig, 20 Prozent beurteilen diesen Punkt als wichtig.

Widersprüchliche Ansprüche 

Die Ansprüche der Bevölkerung an die Landwirtschaft scheinen geprägt von Widersprüchen. Dies zeigte eine andere Umfrage der GFS von 2018. Dabei waren tierfreundlich Haltung, die generelle Bereitstellung von Lebensmitteln und eine umweltfreundliche Bewirtschaftung die als am wichtigsten beurteilten Aufgabenbereiche der Landwirtschaft. Für diese Bereiche sprachen sich die Befragten auch für den (vermehrten) Einsatz öffentlicher Gelder des Staates aus.

Auf der anderen Seite waren 84 Prozent der Meinung, dass Schweizer Landwirtschaftsbetriebe konkurrenzfähiger gegenüber dem Ausland sein sollten. Das heisst also, man forderte günstigere Produkte. Ausserdem widersprechen die Resultate der Umfrage auch den herrschenden Vorgaben in Bezug auf optische Mängel; die Aussage, man nehme Flecken und oder andere Fehler in Kauf, erreichte 3.6 Punkte (auf einer Skala von eins bis fünf).

Der Zusammenhang zwischen umwelt- und tierfreundlicher Produktion und hohen Preisen scheint folglich ausserhalb der Landwirtschaft nicht gut bekannt zu sein. Ausserdem kann man sich fragen, ob die Befragten ihre Gewohnheiten wahrheitsgemäss beschrieben haben. Oder ob sie nicht im Laden doch nach dem makellosesten Apfel greifen.

Beratung in der WAK steht bevor 

In der Politik geht die Beratung zu diesen zwei Initiativen voran. Am Donnerstag und Freitag beschäftigt sich die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) damit. Verschiedene Gegenvorschläge stehen zur Debatte. So schlägt die SP vor, einen Viertel der gefährlichsten Pestizide zu verbieten. Die GLP hingegen nimmt eher die Trinkwasser-Initiative zum Vorbild und möchte nur noch Direktzahlungen für Landwirte, die mit weniger giftigen Pestiziden arbeiten.

Ritter ist zuversichtlich 

Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbandes (SBV) ist gemäss Bund zuversichtlich, dass beide Volksbegehren 2020 an der Urne abgelehnt werden. Sobald die Leute verstehen würden, dass die Folge einer Annahme beispielsweise höhere Preise wäre, würde die Zustimmung einbrechen, ist Ritter überzeugt. Der SBV setzt in Sachen Umweltschutz bevorzugt auf die Aktionspläne Pflanzenschutz und Biodiversität des Bundes.

Die Fair-Food-Initiative habe ausserdem gezeigt, dass zuerst gut gestützte Vorlagen scheitern können.