In der Politik erlebt man es immer wieder: Es wird etwas Neues, etwas «Gutes» vorgeschlagen. Alle sind begeistert. In der Diskussion zeigt sich dann aber, dass es noch etwas «Besseres» gäbe. Deshalb wird beschlossen, einen Bericht in Auftrag zu geben, um das «Bessere» abzuklären. Konkret passiert nun vorläufig gar nichts. Das bereits bekannte «Gute», das neu hätte eingeführt werden können, bleibt blockiert. Es ist also genauso, wie es der französische Philosoph Voltaire bereits vor über 250 Jahren auf den Punkt gebracht hat: «Das Bessere ist der Feind des Guten». Zwei Beispiele aus dem Ständerat.

Beispiel 1: Bekämpfung des Falschen Mehltaus

Im Rebbau stellt der Pilzbefall durch den Falschen Mehltau eine grosse Herausforderung dar. Besonders in Phasen mit anhaltend nass-feuchter Witterung, wie es letztes Jahr ausgeprägt der Fall war. Ohne Pflanzenschutzmittel (PSM) geht es dann nicht – aber wegen unerwünschter Nebenwirkungen auf die Natur wurden in den letzten Jahren wirkungsvolle PSM verboten, und die Zulassung neuer PSM verzögert sich. Im Gegensatz zur EU, wo beispielsweise das wirkungsvolle neue Fungizid Zorvec Zelavin zugelassen wurde.

Die unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten des Falschen Mehltaus sind im letzten Jahr in den Weinbergen in Schaffhausen entlang der Grenze optisch sichtbar geworden. So berichtet der Geschäftsführer des Branchenverbands Schaffhauser Wein: «Dies hat dazu geführt, dass viele deutsche Winzer-Kolleginnen und -Kollegen einige Meter neben den Schaffhauser Reben ohne grosse Schäden durchs Jahr gekommen sind. Derweil wir auf Schweizer Seite teilweise hundertprozentige Ausfälle hinnehmen mussten.»

Ich habe den Bundesrat nun in einer Interpellation aufgefordert, Zorvec Zelavin auch in der Schweiz zuzulassen, mindestens so lange, bis etwas Besseres vorhanden ist. Das Bessere, das es gar noch nicht gibt, soll nicht länger der Feind des Guten sein, das real und erhältlich ist.

Beispiel 2: Pflanzenzucht erleichtern durch Patentinformationen

In der Pflanzenforschung und -zucht können heute gewisse neue Sorteneigenschaften mit Patentrechten geschützt werden. Um diese Patente zu nutzen, braucht es eine Bewilligung des Patentinhabers. Viele kleinere Pflanzenzüchter stehen heute vor dem Problem, dass sie aus diversen vorhandenen Sorten neue Sorten züchten. Wenn dann eine der neuen Sorten nach jahrelanger Arbeit ein kommerzieller Erfolg wird, stehen die Züchterinnen vor dem Problem, dass sie nicht wissen, ob auf einer Eigenschaft dieser neuen Sorte ein Patent eingetragen ist. Ist dies der Fall, so kann der Patentinhaber eine hohe Lizenzgebühr verlangen oder die kommerzielle Nutzung auch verbieten.

Deshalb hat der Ständerat in einer Motion beschlossen, dass die Information über patentgeschützte Eigenschaften von Pflanzen vom Patentinhaber frühzeitig zur Verfügung gestellt werden müssen. Das ist zweckmässig, wenn es auch besser wäre, die Ausarbeitung neuer Vorschriften wäre nicht nötig. Doch das «Bessere», eine umfassende freiwillige Patentinformation, ist aus diversen Gründen nicht möglich. Also realisiert man das Machbare, das «Gute».

Die zwei Beispiele zeigen auch: Das «Bessere» ist nur solange der Feind des «Guten, als es gar nicht realisierbar ist. Sobald das «Bessere» aber realisierbar wird, ist es nicht mehr der Feind des «Guten», sondern dessen Freund. Denn es geht ja um den gleichen Zweck. Es sei denn, das «Bessere» verdrängt etwas, das wir lieb gewonnen haben. Zum Beispiel vor langer Zeit das Pferd, das als Transportmittel durch Traktoren, Autos und Lastwagen ersetzt wurde.