Frau Herren, das Verdikt ist recht deutlich ausgefallen…
Franziska Herren: Wo stehen wir jetzt?

Bei gut 60 Prozent Nein, was wäre Ihr Ziel?
Wir hätten gerne ein Volksmehr gehabt. Aber 40 Prozent, welche wie wir einen Systemwechsel wollen, ist eigentlich ein schönes Resultat.

Aber Ihr Ansatz hat sich doch nicht wirklich durchgesetzt.
Das kommt ein bisschen darauf an, wie man es anschaut. Die Übermacht der Agrarlobby war ja enorm.

Was verstehen Sie eigentlich unter Agrarlobby?
Das sind alle diese Bauernverbände und Firmen. Gerade im Abstimmungskampf hat man es gesehen, wer am meisten von Landwirtschaftspolitik und Subventionsgeldern profitiert, das sind ja nicht Bäuerinnen und Bauern, sondern Firmen wie Fenaco, Syngenta und Bayer. Das sind genau diejenigen Kreise, die nicht dafür sorgen, dass die Landwirt(innen) kostendeckende Produzentenpreise erhalten.

Aber die Bäuerinnen und Bauern waren ja auch zu mindestens 95 Prozent gegen ihre Initiative.
Ja, ich habe mich oft gefragt, was Bäuerinnen und Bauern neben Subventionen, Investitionshilfen und Forschungsgeldern noch alles gebraucht hätten, um mit uns in diesen Systemwechsel zu gehen. Ich habe von keinem Bauern der dagegen war eine konkrete Vision gehört, wie er Umwelt- und Klimaziele sowie Gewässerschutzgesetz erfüllen möchte. Dass wir ökologischer werden müssen, ist ja unbestritten. Jetzt übergebe ich den Ball zurück an die Verantwortlichen.

Für Sie ist das Thema abgeschlossen?
Jetzt mache ich mal Pause, ich will etwas durchschnaufen. Ich war jetzt 10 Jahre dran. Jetzt will ich etwas reflektieren, ich habe viel gelernt. Ich bleibe aber Präsidentin des Vereins sauberes Trinkwasser für alle.

Eine weitere Initiative ist kein Thema?
Im Moment nicht, nein. Ich kann mirs nicht vorstellen, diese Initiative hat mir so viel abgefordert.

Würden Sie es noch einmal tun, wenn sie wüssten wie streng es ist?
Ja.

Woran ist die Initiative gescheitert?
Man hat es geschafft, Bäuerinnen und Bauern zu instrumentalisieren, am meisten weh getan haben mir die 2x Nein-Fahnen als Symbol dafür, dass sich die Bauern vorführen lassen von der Industrie.

Diesen Vorwurf finden die allermeisten Bauern bis weit in die Bioszene abwegig.
Wenn Sie hören, warum Bio uns nicht unterstützt hat, kann man Bio nicht ernstnehmen.

Haben Sie nie überlegt, dass Ihre Initiative und deren Formulierung das Problem sein könnte?
Nein, ich bin weiterhin überzeugt vom Initiativtext. Ich habe mit Bio vorher geredet, ich wusste, was mir entgegenkommt.

Sowohl Urs Niggli und Urs Brändli haben sie beraten und Sie haben nicht reagiert bezüglich Formulierung.
Ich weiss nicht genau, wovon die beiden reden. Ich war einmal bei Herr Niggli und er war ziemlich begeistert und dann habe ich nichts mehr gehört, diese Geschichte könnte man auch anders erzählen. Die Initiative haben wir aus grosser Besorgnis heraus gemacht. Ich gehe davon aus, dass Herr Ritter nun dafür sorgt, dass das Gewässerschutz gewährleistet ist und die Umweltziele erreicht sind.

Aber Ihren Initiativtext, vor allem den Futtermittelpassus, den würden Sie wohl nicht mehr gleich formulieren?
Jeder weiss, es gibt einen riesen Spielraum. Man kann jetzt schon auf dem Initiativtext rumhacken. Eigentlich hätte der Bauernverband Ja sagen müssen zu unserer Initiative, da der Passus Standortangepasstheit und Ressourceneffizienz aus seinem Ernährungssicherheits-Artikel absolut nichts ausgelöst hat, nicht einmal eine Diskussion.

Sie würden den Initiativtext also noch einmal genau gleich schreiben?
Ich habe vor 10 Jahren angefangen. Wenn unsere Initiative durchgekommen wäre, hätte sie im Gegensatz zur Ernährungssicherheits-Abstimmung etwas bewirkt. Die Probleme bleiben jetzt ungelöst, Fakt ist, dass wir riesige Gülle- und Ammoniaküberschüsse haben. Man muss einfach das Ganze anschauen. Beim Frauenstimmrecht musste man auch dreimal Anlauf holen. Dieser Prozess ist mit der heutigen Abstimmung nicht zu Ende. Die 40 Prozent Ja-Stimmenden werden von der übrigen Bevölkerung nicht ernstgenommen. Das ist wie beim Rauchverbot in Beizen, es geht hier auch um die Gesundheit der anderen. Ich bin stolz auf mich und nicht am Boden zerstört.