Sehr zufrieden über das deutliche Nein zeigte sich auf Anfrage Markus Ritter. Der Präsident des Schweizer Bauernverbandes erklärte, die Stimmbevölkerung habe damit der Landwirtschaft in der Schweiz eine Perspektive geben wollen.

Der St. Galler Mitte-Nationalrat sagte, er schätze das damit ausgesprochene Vertrauen von Konsumentinnen und Konsumenten in die Arbeit der Bauernfamilien. Die Stimmenden hätten die regionale Produktion nicht schwächen wollen und sich dafür ausgesprochen, dass die ganze Breite von Lebensmitteln von Bio bis konventionell produziert werde. Die Schweizer Landwirtschaft sei gewillt, Verbesserungen beim Pestizideinsatz voranzutreiben.

 

Markus Ritter im Interview mit SRF nach der ersten Hochrechnung:

 

 

 

Der SBV bedankt sich bei den Bauernfamilien

In einer Mitteilung bedankt sich der Schweizer Bauernverband herzlich für das Engagement der Bauernfamilen. «Von einer Ablehnung mit über 60 Prozent Nein-Stimmen und bis auf einen Halbkanton in allen Ständen, davon wagte vor wenigen Monaten oder gar Wochen kaum jemand zu träumen», heisst es darin. Das sei nur möglich gewesen, «weil sich Tausende engagiert haben, sei es durch den Aushang von Fahnen oder Blachen, das Aufstellen von Plakaten oder Landschaftssujets, die Beteiligung an Standaktionen oder Anlässen, das Schreiben von Leserbriefen, Aktivitäten in den Sozialen Medien, Flyerverteilaktionen und vielen weiteren originellen, kreativen Massnahmen.» Das Volk habe die Schlüsselbotschaften, die im Rahmen der Kampagne vermittelt wurden, verstanden und erkannt, dass die Schweiz bereits eine sehr nachhaltige Landwirtschaft habe. Trotzdem müsse auch diese weiterentwickelt und verbessert werden, wofür die der Absenkpfad eine gute Grundlage biete, so der SBV.

Zufriedene Stimmung, aber kein Siegesgeheul

Am Sonntag haben sich die beiden Gegenkomitees in Oberbottigen getroffen. Im Futtertenn bei Hamme und Kartoffelsalat war die Stimmung fröhlich, aber nicht überschwänglich. Zum Stimmungsbericht von Adrian Krebs. Stimmungsbilder finden Sie in unserer Fotogalerie zur Abstimmungsfeier in Oberbottigen.

Das Komitee gegen die beiden extremen Agrar-Initiativen ist laut Communiqué froh, dass eine Mehrheit der Bevölkerung «das Kind nicht mit dem Bade ausschütten» und die einheimische Produktion nicht mit zu extremen Forderungen gefährden will. Es dankt im Namen der einheimischen Bauernfamilien und der ganzen Ernährungswirtschaft den Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern für das Vertrauen. Die Schweizer Landwirtschaft sei gewillt, diesen Prozess voranzutreiben: Sie möchte sich im Sinne eines nachhaltigen Ernährungssystems weiterentwickeln, heisst es weiter.

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Kommentar: Auch ein Grund zum Danken

 

Dank für das doppelte Nein gilt den Landwirt(innen) für ihren aufopfernden Einsatz, aber auch an die Stimmbürger(innen), welche der Landwirtschaft ein weiteres Mal die Treue gehalten haben. Ein Kommentar von Chefredaktor Adrian Krebs.

 

Die Reaktionen der kantonalen Bauernverbände

 

Solothurner Bauernverband
«Komitee und Bauernverband sind froh, dass eine Mehrheit der Bevölkerung es vorgezogen hat, die einheimische Produktion nicht mit zu extremen Forderungen zu gefährden, sondern die lokale Lebensmittelproduktion zu unterstützen. Die Solothurner Bevölkerung kann sich damit darauf stützen, dass die bereits aufgegleisten Massnahmen und insbesondere die neue Pestizidgesetzgebung weitere grosse Schritte in Richtung einer noch umweltfreundlicheren Produktion mit weniger Pflanzenschutz gehen und tieferen Risiken bringen. Weitere Optimierungen sind damit garantiert.»

 

 

St. Galler Bäuerinnenverband und St. Galler Bauernverband
«Vernunft und die Realität haben über Polemik und falschen Ideologien obsiegt. Die grossen Leistungen der Schweizer Landwirtschaft und der bereits vor Jahren eingeschlagene Weg wurden vom Volk mit diesem Ergebnis klar bestätigt. Der Entscheid ist ein klarer Vertrauensbeweis in die Arbeit unserer Bäuerinnen und Bauern. Die beiden Verbände sind froh, dass eine Mehrheit der Bevölkerung es vorgezogen hat, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten und die einheimische Produktion nicht mit zu extremen Forderungen zu gefährden.»

 

 

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Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband und Komitee UR/NW/OW
«Wuchtig ist die Ablehnung in den Innerschweizer Kantonen. Die Initiativen hätten die einheimische Lebensmittelproduktion massiv reduziert und viele Bauernbetriebe in ihrer Existenz gefährdet. Das Innerschweizer Komitee wertet das Ergebnis als grossen Vertrauensbeweis in die Bauernfamilien. Für Hella Schnider, Luzerner Kampagnenleiterin, ist das heutige Abstimmungsergebnis ein unerwartet deutlicher Erfolg: «Im Abstimmungskampf ist es uns gelungen aufzuzeigen, dass die beiden Initiativen am Ziel vorbei schiessen.» Sie sei froh und dankbar, dass die Bevölkerung Augenmass bewahrt habe. «Die beiden Initiativen hätten mit ihren extremen Forderungen die einheimische Lebensmittelproduktion massiv gefährdet», so Hella Schnider.» 

 

Berner Bauernverband
«Der BEBV ist froh, dass eine Mehrheit der Bevölkerung es vorzieht, die laufenden und künftigen Anstrengungen für eine perspektivenreiche Land‐ und Ernährungswirtschaft zu unterstützen und die einheimische Produktion nicht mit zu extremen Forderungen zu gefährden. Das Abstimmungsresultat zeigt, dass auch die Stimmbevölkerung die Landwirtschaft als Teil der Lösung sieht. Die bereits aufgegleisten Massnahmen wie das Berner Pflanzenschutzprojekt oder die Berner Bio‐Offensive und insbesondere die neue Pestizidgesetzgebung gehen weitere grosse Schritte in Richtung einer noch nachhaltigeren und umweltfreundlichen Produktion mit weniger Pflanzenschutz und geschlossenen Nährstoffkreisläufen.»

 

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Gabi Schürch: «Ich bin erleichtert»

«Ich bin erleichtert, dass es vorbei ist und wir für die Bauernfamilien Perspektiven zum Weitermachen haben», sagt Bio-Bäuerin Gabi Schürch aus Bütikofen bei Kirchberg im Interview mit SRF. Schürch hatte sich stark im Abstimmungskampf engagiert und unter anderem mit ihrem Briefwechsel mit Franziska Herren für Aufsehen gesorgt.

 

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Enttäuschung bei Umwelt- und Naturschutz

Umwelt- und Naturschutzorganisationen sehen mit der Ablehnung der beiden Landwirtschafts-Initiativen kein Problem gelöst. Sie setzen auf Dialog mit der Landwirtschaft, um nun gemeinsam Lösungen zu finden, wie Philipp Sicher, Leiter der 2xJa-Kampagne auf Anfrage sagte.

Er habe ganz klar mit einer besseren Resonanz der beiden Initiativen bei der Stimmbevölkerung gerechnet, sagte Sicher. Im Abstimmungskampf seien von den Gegnern Ängste über die Versorgungssicherheit, die Existenz von Bauern und steigende Lebensmittelpreise geschürt worden. Die Kampagne sei zudem von der Agrarindustrie stark finanziert worden. Von Seiten der Landwirtschaft seien sehr viele Zusagen gemacht worden. Diese werde man nun prüfen.

 

Campaigner Dominik Waser nahm ebenfalls Stellung. Er hat in den letzten Monaten kräftig mitgemischt im agressiven Abstimmungskampf. Er ist froh, dass das Thema jetzt so lange auf der öffentlichen Bühne diskutiert werden konnte.

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Für die Mitinitiant Jean-Denis Perrochet ist der Abstimmungssonntag trotz sich abzeichnender Niederlage ein Erfolg: «Wir sind sieben einfache Bürger und hatten alle sieben Bundesräte gegen uns», sagt er zu den Kräfteverhältnissen.

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«Pflästerlipolitik genügt nicht»

Für den Präsidenten der Kleinbauern-Vereinigung (VKMB), Kilian Baumann, ist der Ausgang der Abstimmungen über die beiden Landwirtschaftinitiativen absehbar gewesen. Die Initiativen hätten den Finger auf wunde Punkte in der Schweizer Landwirtschaft gelegt.

Der Nationalrat der Grünen (BE) erklärte der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, dass es nicht das Ziel der Initiativen gewesen sei, der Landwirtschaft zu schaden. Im Abstimmungskampf mit einem David-gegen-Goliath-Szenario habe dies aber offenbar zu wenig kommuniziert werden können. Die Gegenkampagne der Agrarkonzerne sei zu stark gewesen.

Haben die Bio-Bauern zum Nein zu den Agrarinitiativen beigetragen? Kilian Baumann erinnerte im SRF-Studio daran, dass Bio Suisse die Pestizidverbots-Initiative klar unterstützt habe. Doch er habe auch gesehen, dass sich die Bio-Bäuerinnen «vor den Karren» der Agrar-Industrie spannen liessen. «Das ist ein tragischer Fall», so der Präsident der Kleinbauernvereinigung. Dass Bio-Bauern auf Plakaten dafür kämpften, weiterhin synthetische Pestizide einsetzen zu können, ist für ihn «absurd».

 

Nun will die Kleinbauern-Vereinigung die Initiativ-Gegner beim Wort nehmen, wie sie in einer Medienmitteilung schreibt. «Wenn diese ihr Bekenntnis zu einer ökologischen Landwirtschaft ernst gemeint haben, müssen nun sämtliche Branchenverbände, Behörden und Industrie-Vertreterinnen zu weiteren Schritten Hand bieten. Die bisherige ‘Pflästerlipolitik’ genügt nicht», sagt Kilian Baumann. Genügend Nahrungsmittel für die Bevölkerung liessen sich längerfristig nur mit intakter Umwelt, gesunden Böden und Biodiversität produzieren. Der Handlungsbedarf geht dabei über politische Massnahmen hinaus. «Auch die Ausbildung und Beratung in der Landwirtschaft muss ökologischer ausgerichtet werden.»

Bewusstsein in breiter Öffentlichkeit geweckt

Die Gegner der Trinkwasserinitiative haben, laut der Initiantin der Trinkwasserinitiative Franziska Herren, die Initiative im Abstimmungskampf als extrem dargestellt. Sie bedauere es sehr, dass die Volksinitiative an der Urne abgelehnt worden sei, erklärte Franziska Herren auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Die Trinkwasserinitiative habe Chancen und Lösungen für die grossen Problembereiche der heutigen Landwirtschaft angeboten, indem sie Subventionen, Investitionshilfen, Forschung und Bildung in eine nachhaltige Produktion habe umlenken wollen. Erstmals sei von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen worden, dass die Landwirtschaft trotz Milliarden-Subventionen weder ihre Umwelt- und Klimaziele erreiche noch die geltenden Gewässerschutzgesetze einhalte.

 

Trinkwasser-Initiantin Franziska Herren will sich nach zehnjährigem Kampf vorläufig aus der Landwirtschaftspolitik zurückziehen. Sie sieht nun den Bauernverband in der Pflicht bei der Lösung der Probleme, wie sie im Interview mit der BauernZeitung sagt.

 

 

Die Klimastreik-Bewegung ist enttäuscht über das Nein der Stimmbevölkerung zur Pestizidinitiative. Pestizide seien klimaschädlich und Betriebe, die diese herstellten, gehörten zu den grössten Klimasündern, erklärte der Klimastreik-Aktivist Cyrill Hermann.

Wirtschaft erleichtert

«Die Bevölkerung will keine Extremlösungen. Das Abstimmungsergebnis zu den Landwirtschaftsinitiativen zeigt, dass die Bevölkerung mit dem eingeschlagenen Weg einverstanden ist», erklärte Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder. Eine Annahme der Initiativen hätte aber weit über die Landwirtschaft hinaus verschiedene Branchen und Industrie betroffen.

Der Wirtschaftsverband Scienceindustries zeigte sich erfreut über die deutliche Ablehnung der beiden «extremen Agrarinitiativen». Bei den Pflanzenschutzmitteln seien nun Politik und Verwaltung gefordert Taten folgen zu lassen und die zurzeit blockierten Zulassungsprozesse auf eine wissenschaftliche Basis zurückzuführen.

Der Agrochemiekonzern Syngenta betonte in einer Stellungnahme, dass das Abstimmungsresultat ein wichtiges Zeichen für den Forschungs- und Produktionsstandort Schweiz sei. Der Konzern mit seinen Schweizer Wurzeln setze sich für eine nachhaltige Landwirtschaft ein.

Rechts-Links-Graben

Die bürgerlichen Parteien sind zufrieden mit dem doppelten Nein zu den Landwirtschafts-Initiativen. Die Ablehnung der beiden Landwirtschafts-Initiativen sei ein Zeichen zugunsten der produzierenden Schweizer Bauernfamilien, erklärte der Landwirt und SVP-Nationalrat Marcel Dettling auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Der Ausgang der Abstimmungen zeige, dass die Bevölkerung einen gewissen Selbstversorgungsgrad in der Schweiz wolle und die Existenzprobleme ernst genommen hätten, die es durch die Initiativen für die Bauern gegeben hätte.

In den letzten zehn Jahren sind laut Dettling in der Schweizer Landwirtschaft bereits die Pestizide um 40 Prozent und die Antibiotika um 50 Prozent reduziert worden. Der vom Parlament verabschiedete Aktionsplan Pflanzenschutz würde zudem den Pestizideinsatz bis 2027 um 50 Prozent reduzieren.

Der Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann ist dankbar für das «Augenmass» der Schweizer Stimmbevölkerung, wie er im SRF-Abstimmungsstudio sagte. Das Resultat sei ein klares Verdikt. Der neue Präsident der Schweizer Gemüseproduzenten fordert jetzt von den Befürworterinnen und Befürwortern Bescheidenheit. 

 

Enttäuscht über die beiden Nein zur Trinkwasser- und Pestizid-Initiative haben sich SP Schweiz und Grüne gezeigt. Positiv gewertet wird allerdings, dass das Problembewusstsein in der breiten Öffentlichkeit durch die Initiativen gestiegen sei. Die Grüne Partei sei voll hinter den Initiativen gestanden, sagte Kilian Baumann, Nationalrat der Grünen (BE). Der Partei sei klar, dass es nicht nur eine grosse Klimakrise, sondern auch eine grosse Biodiversitätskrise gebe.

Die Grünliberalen bedauerten das Nein zur Trinkwasserinitiative. Auch Gegner der beiden Initiativen könnten die grossen ökologischen Probleme nicht wirklich bestreiten. Das Ziel bleibe es, die Überdüngung zu beenden.

Guy Parmelin: Jetzt braucht es gegenseitiges Vertrauen

Das Nein zu den beiden Agrar-Initiativen bestätige den Weg des Bundesrates und des Parlaments in der Agrar-Politik, sagte Agrarminister an der Pressekonferenz des Bundesrates zu der heutigen Abstimmung. Die Bevölkerung zeige damit auch ihre Unterstützung einer nachhaltigen und regionalen Landwirtschaft.

Nach dem sehr emotionalen Abstimmungskampf müssten sich die Befürworter und Gegner aufeinander zu bewegen. «Dazu braucht es gegenseitiges Vertrauen. Nur gemeinsam schaffen wir den Weg in eine zukünftige Landwirtschaft», so der SVP-Bundesrat.

 

 

Grafiken: So haben die Gemeinden abgestimmt

 

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