164 Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) haben sich kürzlich anlässlich der WTO-Ministerkonferenz auf «konkrete Resultate zur Bewältigung der aktuellen handelspolitischen Herausforderungen» geeinigt. So schreibt es der Bundesrat und führt weiter aus, man habe eine Erklärung zu Handel und Ernährungssicherheit verabschiedet. Weiter gebe es neu ein Verbot von Exportbeschränkungen für Lieferungen an das Welternährungsprogramm.

Neuen Rahmen ausserhalb der WTO schaffen

Nach Meinung von Uniterre setzt der Bundesrat aufs falsche Pferd: Die aktuelle Ernährungskrise zeige, dass der Freihandel weder Ernährungssicherheit noch -souveränität gewährleisten könne. In einer Mitteilung fordert die Bauerngewerkschaft daher den Bundesrat auf, aus der WTO auszutreten. Die Regierung solle einen neuen Rahmen für die Regulierung von Handel und Landwirtschaft schaffen – einer, der auf Ernährungssouveränität basiert.

Öffentliche Nahrungsmittellager zulassen, um Bauern zu unterstützen

Weiter solle der Bundesrat verlangen, alle bestehenden WTO-Regeln aufzuheben, die den Ländern den Unterhalt öffentlicher Nahrungsmittellager sowie die Regulation von Markt und Preisen verunmöglichen. «Regierungen müssen das Recht haben, ihre eigenen Kriterien zu entwickeln, um ihre Ernährungssouveränität zu schützen und zu fördern», findet Uniterre.

Schilderungen aus Indien

«Bäuerinnen und Bauern brauchen starke Politiken wie Mindestpreise und öffentliche Lagerbestände, um ein menschenwürdiges Leben durch Nahrungsmittelproduktion führen zu können», wird Yudhvir Singh zitiert, der an den Bauernprotesten in Indien 2021 beteiligt war. Die Vorschläge von afrikanischen und asiatischen Ländern zur öffentlichen Lagerhaltung zwecks Ernährungssicherheit würden aber seit neun Jahren von reichen Ländern blockiert.

Rechte der Bauern umsetzen

Es geht dabei auch um Selbstbestimmung. So heisst es weiter, jedes Land müsse seine Landwirtschafts- und Ernährungspolitik selbst bestimmen und die Interessen seiner Bäuer(innen) verteidigen können, ohne anderen Ländern zu schaden. In diesem Sinne sei die – von der Schweiz unterstützte – UN-Erklärung über die Rechte von Bauern und der ländlichen Bevölkerung umzusetzen. 

Regeln sollen Dumping verhindern

Um für Ernährungssouveränität zu sorgen, müssten neben dem geltenden Vertrag zur Landwirtschaft der WTO auch der Agrarvertrag mit der EU aufgehoben werden, fährt Uniterre fort. «Der Handel muss Regeln gehorchen, die wirtschaftliches, soziales und ökologisches Dumping verhindern und eine einheimische Versorgung fördern.»

 

Was sind Ernährungssouveränität und Ernährungssicherheit?

Laut dem Weltagrarbericht definiert das Europäische Forum für Ernährungssouveränität den Begriff folgendermassen: «Ernährungssouveränität ist das Recht der Völker auf gesunde und kulturell angepasste Nahrung, nachhaltig und unter Achtung der Umwelt hergestellt. Sie ist das Recht auf Schutz vor schädlicher Ernährung. Sie ist das Recht der Bevölkerung, ihre Ernährung und Landwirtschaft selbst zu bestimmen. Ernährungssouveränität stellt die Menschen, die Lebensmittel erzeugen, verteilen und konsumieren, ins Zentrum der Nahrungsmittelsysteme, nicht die Interessen der Märkte und der transnationalen Konzerne.»

Die FAO definiert Ernährungssicherheit als den Zustand, wenn Menschen jederzeit ungehinderten Zugang zu ausreichender und ausgewogener Ernährung haben, um ein aktives und gesundes Leben zu führen. Dabei geht es um genügend Kalorien genauso wie um ausreichend Vitamine und Mikronährstoffe.