AboAbsenkpfadeMassnahmenplan sauberes Wasser: Wer macht welche Arbeit?Freitag, 24. September 2021 Die Branche sei bereit und motiviert, sich aktiv an der Umsetzung der parlamentarischen Initiative zu den Absenkpfaden zu beteiligen. So lautet das Fazit aus zahlreichen Gesprächen, Interviews und Workshops mit Vertretern landwirtschaftlicher Organisationen, die im Rahmen des «Projekts Absenkpfad Nährstoffverluste» des Schweizer Bauernverbands (SBV), Der IG Agrarstandort Schweiz (IGAS) und der Schweizerischen Vereinigung für einen starken Agrarsektor (SALS) geführt worden sind. Verfasst haben den Bericht Roland Künzler und Irene Weyermann von Agridea im Januar 2022. Er zeigt auf, wo die Branche – teilweise im Gegensatz zum Bundesrat – bevorzugt ansetzen würde.

Auch beim Rindvieh auf das Futter achten

Der Bericht bewertet mögliche Massnahmen hinsichtlich der Wirkung auf die OSPAR-Bilanz (Hoftor-Bilanz der ganzen Schweiz, Input sind also Importe wie Futtermittel oder Mineraldünger), die Reduktion von Ammoniak-Emissionen und Nährstoffverlusten im Allgemeinen sowie der Branchenakzeptanz. Im Bereich Fütterung schneiden eine Belohnung für tiefe Harnstoffgehale in der Milch, die stickstoffreduzierte Phasenfütterung bei Schweinen und Fleischmehl für Monogastrier in diesen Punkten gut ab. Die Phasenfütterung wird nach Beschluss des Bunderats bis Ende 2026 weitergeführt und auch die Verfütterung von Tiermehl kommt politisch voran: Eine entsprechende Motion von Martina Munz ist im Nationalrat angenommen worden. Mit einer Umsetzung wird frühestens Anfang 2023 gerechnet, wie Urs Zimmerli vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) an der diesjährigen Geflügeltagung sagte.

Zur Reduktion des Milchharnstoffs gibt es laut Bericht bereits Praxiserfahrungen und verschiedenen laufende Projekte. Erst kürzlich konnte gezeigt werden, dass damit nicht unbedingt eine tiefere Milchleistung einhergehen muss.

Weidebeiträge, die zu verstärken der Bundesrat beschlossen hat, sieht die Branche als wenig zielführend für die Umsetzung des Absenkpfads an.

Den Bericht zum «Projekt Absenkpfad Nährstoffverluste» im Auftrag von IGAS, SBV und SALS finden Sie hier.

Hofdünger besser machen und einsetzen

PraxiswissenDer Bundesratsbeschluss über die Absenkpfade bringt viele Fragen für die landwirtschaftliche Praxis. Die Agridea hilft Antworten zu finden.Freitag, 15. April 2022 Zwar setzt man bei der Fütterung an der Quelle des Problems an, da das, was nicht verfüttert wird, am Ende auch nicht verloren gehen kann. Importierter Mineraldünger könne aber durch Hof- und Recyclingdünger ersetzt werden, hält man im Bericht fest. Sie sind mengenmässig hierzulande die wichtigsten Düngemittel. Mit deren Aufbereitung und Lagerung könnten attraktive Düngerprodukte besser im ganzen Land verteilt und mit dem Bedarf der Kulturen abgestimmt werden. Die Akzeptanz in der Branche sei gross, wenn auch nicht das Wirkungspotential auf dem einzelnen Betrieb. «Aber die Mehrheit der Schweizer Betriebe kann von dieser Massnahme profitieren». Im grossen Stil umgesetzt verspricht man sich daher doch einen wertvollen Beitrag zum Absenkpfad.

Was ist Recyclingdünger?
Gemäss der Definition in der Dünger-Verordnung gelten Kompost, festes und flüssiges Gärgut, unverrottetes pflanzliches Material (z. B. Nebenprodukte aus Gemüserüstereien, Brennereien oder Mostereien und Extraktionsschrot) sowie Klärschlamm als Recyclingdünger.

Wert und Vorteile werden unterschätzt

Um das Potential von Hof- und Recyclingdünger besser zu nutzen, wird professionelle Beratung als zentral angesehen.

Dazu, wie genau der Einsatz von Hofdüngern effizienter gestaltet werden kann, bleibt der Bericht eher vage. Die zielgerichtete Düngung könne durch viele einzelne Massnahmen unterstützt werden. Insbesondere im Ackerbau sei es wichtig, den Standort, die Kultur und deren Stadium bzw. Qualitätsansprüche zu berücksichtigen. Grössere Lager könnten helfen, Hofdünger zur richtigen Zeit auszubringen, statt ineffizient im Herbst. Weiter werden die gezielte Ausbringung in der richtigen Menge und die Wahl der Kulturen und Zwischenkulturen als Ansatzpunkte genannt.

Die Vorteile und der Wert solcher von Hof- und Recyclingdüngern würden oft unterschätzt. Die Autoren skizzieren die Idee eines Kompetenzzentrums, das Wissen zu den Einsatzmöglichkeiten weitergeben und ausserdem eine Plattform für die Vermittlung von Hof- und Recyclingdüngern betreiben soll. Dank einer auf diese Weise verbesserten Effizienz vorhandener Dünger könnten Mineraldünger eingespart werden, so der Plan. Die Beratung wird als effizientere Massnahme beurteilt als etwa Fördergelder für den Bezug von Vergärungsprodukten. Zumal für einen effizienteren Pflanzenbau das Wissen um und die Umsetzung von Düngerstrategien im Allgemeinen in den Vordergrund rücken solle. Weitere Forschung sei nötig zur Wirkung von Hofdüngern, etwa dazu, wieviel des ausgebrachten Stickstoffs im Ackerbau verfügbar sein wird.

Überzeugungsarbeit im Stallbau

Video mit PraxiserfahrungenDiese Massnahmen gegen Ammoniak empfiehlt Agridea für alle Rindvieh-StallneubautenMontag, 9. Mai 2022 Stallbauliche Massnahmen sind teuer, werden aber von den Behörden finanziell unterstützt. Der Bund bzw. die Kantone fördern etwa die mittlerweile obligatorische Abdeckung von Güllelagern und es gibt kantonale Beiträge für erhöhte Fressstände mit Quergefälle und Harnsammelrinne. Damit Letzteres, wie es Agridea empfiehlt, bei allen Neu- und grösseren Umbauten umgesetzt wird, brauche es noch Überzeugungs- und Informationsarbeit bei Betriebsleitenden und Stallbauplanern, heisst es im Projekt-Bericht. Bei neueren Methoden zur Ammoniak-Reduktion wie Gülleansäuerung und -stabilisierung sieht man wegen der hohen Kosten eine gewisse Gefahr, dass sie zu grösseren Herden führen könnten. Um die Ziele des Absenkpfads zu erreichen, gilt es das zu verhindern.

Die Nutzungsdauer von Kühen anders berechnen

Der Bundesrat fördert die längere Nutzungsdauer von Kühen, konzentriert sich dabei aber auf die Anzahl Abkalbungen. Die Branchenvertreter(innen) hingegen würden eine höhere Lebtagesleistung (vermarktete Milch oder verkauftes Schlachtgewicht) als Ersatz oder Ergänzung davon befürworten, wobei es in erster Linie um eine Verringerung des Methan-Ausstosses gehe. Als wichtigste agrarpolitische Massnahme nennt der Bericht die Streichung der 10-Prozent-Toleranzgrenze in der Suisse-Bilanz. Es wird aber auch eine Null bei der Branchenakzeptanz konstatiert. Diese Haltung zeigte sich deutlich, nachdem der Bundesrat tatsächlich die Streichung ab 2024 beschlossen hat.

Die Suisse-Bilanz sei aber in anderer Hinsicht anzupassen: Eingesparte N-Emissionen müssten darin sichtbar werden. Zwei laufende Projekte könnten laut Projektbericht dazu beitragen. Ein ähnliches Problem sieht man bei der OSPAR-Bilanz, die daher mit neuen, von Bund und Öffentlichkeit akzeptierten Indikatoren ergänzt werden solle.

Mehrwert am Markt, ergänzt durch Bundesgelder

Die Massnahmen zur Reduktion der Nährstoffverluste müssen sich für die Betriebe rechnen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder es können die Produkte mit entsprechendem Mehrwert vermarktet werden, oder der Bund zahlt entsprechende Beiträge. Ersteres scheint schwer umsetzbar, wobei der SBV den grössten Hebel in der generellen Erhöhung der Labelanteile sehe. Möglich wäre ausserdem die Anpassung von Branchenstandards mit entsprechenden Preisverhandlungen zur Deckung der Mehrkosten. Gespräche mit dem Detailhandel in dieser Sache haben bereits stattgefunden und weitere sind geplant, halten die Autoren fest. Mehrpreise zu realisieren, wird aber als schwierig angesehen.

 


Verordnungspaket zur PI 19.475: Das wurde beschlossen

Im April hat der Bundesrat das erste Verordnungspaket verabschiedet. Zum Absenkpfad Nährstoffe umfasst es Folgendes (ab 2023 in Kraft):

  • Förderung der Bodenbedeckung: Max. sieben Wochen zwischen Ernte und Ansaat auf offener Ackerfläche.
  • Förderung der schonenden Bodenbearbeitung (z. B. Direkt- oder Mulchsaat).
  • Beitrag für Ackerflächen von Betrieben, die in der Nährstoffbilanz beim Stickstoff mit maximal 90 Prozent abgeschlossen haben.
  • Weidebeiträge: Von Mai bis Oktober mindestens 70 Prozent der täglichen TS auf der Weide aufgenommen, von November bis April mindestens 22 Mal pro Monat Auslauf, bei RAUS neu mindestens vier Aren Weidefläche pro GVE.
  • Förderung längerer Nutzungsdauer von Kühen: Gemessen an der durchschnittlichen Anzahl Abkalbungen der in den vorangehenden drei Jahren geschlachteten Kühe eines Betriebs (ab mehr als drei Abkalbungen bei Milchkühen und mehr als vier bei anderen Kühen).
  • Förderung der stickstoffreduzierten Phasenfütterung von Schweinen bis Ende 2026.
  • Neues zentrales Informationssystem zum Nährstoffmanagement.
  • Mitteilungspflicht für Nährstoffabgaben: Für Hof- und Recyclingdüngern sowie stickstoff- und phosphorhaltige Dünger und Kraftfutter.
  • Bis 2030 je mindestens 20 Prozent weniger Stickstoff- und Phosphorverluste. Die Berechnungsmethode ist noch zu definieren.

Ab 2024 in Kraft:

  • 10-Prozent-Toleranzgrenze bei der Suisse-Bilanz wird aufgehoben.
  • Mindestens 3,5 Prozent BFF auf Ackerflächen für den ÖLN.
  • Mindestens zwei Futterrationen mit unterschiedlichen Proteingehalten in der Schweinemast.

Spätestens 2024 sollen ausserdem weiterentwickelte Vorschläge für ein Programm zur reduzierten Proteinzufuhr bei Raufutterverzehrern sowie die Förderung des Humusaufbaus mit einem Humusbilanzrechner in die Vernehmlassung geben.

Weitere Informationen zum Verordnungspaket finden Sie hier.