Ernst Waber aus Kiesen, ist hörbar verärgert über den vom Kanton Bern begangenen Fehler, und vor allem dem Umgang damit. Die Abteilung Direktzahlungen des Kantons Bern hat in den Jahren 2019 bis 2021 Fehler bei der Berechnung der Übergangsbeiträge gemacht. Bei Einkommen ab 80'000 Franken und Vermögen ab 800'000 Franken gibt es Begrenzungen. Die Steuerdaten wurden bei der Berechnung der betroffenen Jahre falsch verarbeitet. Die Folge ist nun, dass 707 Betriebe das zuviel erhaltene Geld zurückerstatten sollen. 85 Betriebe erhalten eine Nachzahlung.

Die Gerichte erhalten wohl Arbeit

Vielleicht ist die Rückzahlung aber gar nicht nötig. Das zu entscheiden wird Sache des Gerichts sein, erklärt der Rechtsdienst des Berner Bauernverbands (BEBV) auf Anfrage. Das Landwirtschaftsgesetz sage nichts über einen solchen Fall. Dafür das Subventionsgesetz. «Unter gewissen Vorausetzungen», müsste der Kanton auf die Rückforderungen verzichten, «Wir raten daher unseren Mitgliedern, Einsprache gegen die erhaltene Widerrufsverfügung zu machen», so der Rechtsdienst weiter. Solange diese Verfügung nämlich nicht rechtskräftig ist, darf der geforderte Betrag nicht mit einer nächsten Abrechnung verrechnet werden. Wird keine Einsprache erhoben, wird die Verfügung 30 Tage nach Erhalt rechtskräftig.

Viel Geld ist falsch verteilt worden

Die Rückforderungen betragen im Durchschnitt knapp 2000 Franken pro Betrieb, bei wenigen Betrieben belaufen sie sich auf 10'000 bis 16'000 Franken. Insgesamt belaufen sich die Rückforderungen auf 1,8 Millionen Franken, die Nachzahlungen auf 115'000 Franken. Dies teilt der Kanton Bern vergangenen Freitag mit. Ebenfalls in der zweiten Hälfte der vergangene Woche wurden die betroffenen Betriebsleiter(innen) schriftlich informiert. Und ebendieses Schreiben stösst Bauer Waber sauer auf. Es sei so kompliziert verfasst, dass nicht mal ein befreundeter Agronom den Inhalt verstanden habe. «Für ihn sei nicht klar ersichtlich, was genau falsch berechnet wurde», bemängelt Ernst Waber. Eines hat er jedoch verstanden, er müsste 100 Prozent seiner Übergangsbeiträge zurückzahlen, was bei seinem Betrieb etwas über 5000 Franken ausmacht.

Die fehlende Entschuldigung stösst sauer auf

Und so richtig sauer macht Ernst Waber die Tatsache, dass sich der Kanton Bern im Schreiben zwar für die Umstände, jedoch nicht für den begangenen Fehler entschuldigt. Für Landwirt Waber ist klar: «Ich mache Einsprache gegen die Verfügung.» Dies ist laut Schreiben innert 30 Tagen nach Erhalt der Verfügung möglich.

Der Bauernverband in der Pflicht

AboKommentarDas ist eine Schande für den Kanton BernMittwoch, 26. Oktober 2022 Ernst Waber bemängelt auch den Berner Bauernverband und eine allererste Aussage dessen Präsidenten Hans Jörg Rüegsegger, dass klar sei, dass die unrechtmässigen Zahlungen zurückbezahlt werden müssten. «Das macht mich sauer», sagt Ernst Waber. «Ich bin überzeugt, dass die Beträge nicht unrechtmässig sind.» Er erwarte mehr Hilfe vom BEBV. Wenn er als Landwirt Fehler machen würde, etwa bei Aufzeichnungen im Ackerbau oder bei der Rindviehhaltung, müsse er auch dafür geradestehen und werde sogleich mit Kürzungen bestraft. Fehler zu begehen sei menschlich. Aber dabei müssten auf beiden Seiten die gleich langen Spiesse gelten, betont er.

Das Lanat hat das Vertrauen verloren

Auch Karin Oesch, Geschäftsführerin BEBV, missfällt die Art und Weise, wie der Kanton mit dem Fehler umgeht. «Die Betriebsleiter werden bei Fehlern jeweils sofort finanziell sanktioniert. Wenn aber die Verwaltung einen Fehler macht, passiert gar nichts. Sie entschuldigen sich nicht einmal dafür. Das ist inakzeptabel.» Sie nahm umgehend mit Michael Gysi, Amtsvorsteher beim Amt für Landwirtschaft und Natur (Lanat), Kanton Bern, Kontakt auf, um die Sachlage zu besprechen. Es sei in der Tat nicht nachvollziehbar, wie die einzelnen Beträge zustande kommen, erklärt sie weiter. Und: «Kein Bauer will Geld, das ihm nicht gehört.» Aber die Art und Weise, wie der Kanton reagiere, mache die Situation noch schlimmer, «Mit dieser Aktion hat sich das Lanat noch weiter von seiner Basis entfernt, das Vertrauen ist völlig weg.» Karin Oesch betont, dass der BEBV die Abteilung Direktzahlungen auffordert, den betroffenen Betrieben die Berechnungsgrundlage für den offenen Betrag darzulegen. Ausserdem müsse zuerst eingehend abgeklärt werden, wie sich die rechtliche Situation über die Rückzahlungsforderungen darstellt.  

Der Rechtsdienst des Berner Bauernverband hilft bei Fragen weiter: recht(at)bernerbauern.ch oder Tel. 031 938 22 89.