Die Schweiz braucht mehr grünen Strom, und zwar innert nützlicher Frist. Bisher dauere es zu lange, bis grosse Wind- und Wasserkraftanlagen neu gebaut werden können, stellt der Bundesrat fest. Bis zur Realisierung eines Projekts verstrichen manchmal 20 Jahre. Es brauche daher zur Erreichung der Ausbauziele gemäss Energiestrategie 2050 Änderungen im Planungs- und Bewilligungsverfahren. Der Lösungsvorschlag des Bundesrats: Eine nationale Planung und klare Vorgaben für die kantonale Arbeit.
Gesamtschweizerische Planung mit vorgegebenen Standorten
Der Bund solle ein Konzept mit den Standorten der bedeutendsten Wasserkraft- und Windenergieanlagen erstellen, das als Vorgabe für die Richtplanung der Kantone dient. Im Falle der Windenergie sieht man Anlagen mit mindestens 40 GWh Jahresproduktion als «bedeutend» an, wobei mit «Anlage» gemäss erläuterndem Bericht auch ein Windpark gemeint sein kann. Um die geforderten 40 GWh pro Jahr leisten zu können, dürften je nach Standort und Modell sechs bis sieben Windräder nötig sein. Mit seinen 16 Masten liefert der grösste Windpark der Schweiz auf dem Mont Croisin derzeit jährlich rund 70 GWh.
Konzentriertes Verfahren für mehr Investitionssicherheit
Für die vom Bund definierten Anlagen bzw. Standorte soll auf Kantonsebene ein «konzentriertes» Bewilligungsverfahren eingeführt werden, das neben der eigentlichen Baubewilligung auch alle anderen rechtlichen Bereiche abdeckt. Dazu gehören z. B. rodungs- oder gewässerschutzrechtlichen Bewilligungen sowie das Enteignungsrecht.
Das Ziel der Übung besteht in einer allgemeinen Beschleunigung und darin, Anfechtungen vor Bundesgericht zu vermeiden. Statt dass jede Etappe im Verfahren einzeln vor ein Gericht gezogen werden kann, würde es künftig nur noch einen Rechtsmittelzug geben, in dem alle Rechtsfragen geklärt werden. Die Rechte der Gesuchssteller und Investoren sowie ihre Investitionssicherheit werden gestärkt.
Keine Abstriche beim Umweltschutz
Der Bundesrat betont, trotz der Beschleunigung werde es weder beim Natur-, noch dem Umwelt- und Denkmalschutz Abstriche geben. Im erläuternden Bericht heisst es aber klar, Rückweisungsentscheide wie jener des Bundesgerichts gegen den Ausbau des Grimselstausees sollten künftig vermieden werden. Verschiedene Umweltorganisationen hatten 2020 einen Sieg errungen, nachdem sie die Nicht-Bewilligbarkeit der teilweisen Überflutung einer Moorlandschaft von nationaler Bedeutung im Grimselgebiet geltend gemacht hatten. Entscheidend war eine laut Bundesgericht unzureichende Interessensabwägung durch die kantonalen Behörden.
Auch Windparks haben es schwer, eine Bewilligung zu bekommen. Wie eine Zusammenstellung von Suisse Eole für 2021 zeigt, wurde im vergangenen Jahr nur ein Projekt bewilligt (Sainte-Croix im Kanton Waadt mit sechs Masten). Neun weitere sind derzeit wegen laufender Gerichtsverfahren blockiert, in acht Fällen vor Bundesgericht. Im Bewilligungsverfahren befinden sich weitere 44 Windenergieanlagen an acht Standorten.
Mitwirkung und gleich lange Spiesse
Mit dem neuen Verfahren hätten die Standortgemeinden künftig weder Kompetenzen noch Autonomie über Planung und Bewilligung von bedeutenden Anlagen. Sie sollen aber in die Erarbeitung des schweizweiten Konzepts ebenso ein bezogen werden, wie Umweltorganisationen und die betroffene Bevölkerung. Für alle Beteiligten sichert der Bundesrat gleich lange Spiesse zu, da rechtliche Anfechtungen weiterhin möglich sein sollen. Gleichzeitig geht man aber davon aus, dass sich die Gerichte mit einer allfälligen Zurückweisung der bundesrätlichen Entscheide über bedeutende Energieanlagen zurückhalten werden und sie nicht «ohne triftigen Grund» umstossen.
Der Bundesrat sieht vor, dass das geplante Konzept für erneuerbare Energien mit den konkreten Standorten neuer Anlagen im idealfall innert zweier Jahre erarbeitet wird. Die Vernehmlassung des Vorschlags läuft bis am 23. Mai 2022.
Anreiz für Solaranlagen bei Neubauten
Beim Ausbau der Solarenergie sieht der Bundesrat ein grosses Potential brach liegen. Um es besser auszuschöpfen, sollen Investitionen in Solaranlagen auch bei Neubauten von den Steuern abgezogen werden können. Heute ist dies nur bei Sanierungen der Fall. Ausserdem will man das Meldesystem für Dachanlagen auch auf solche an Fassaden anwenden, was die Bewilligung vereinfacht. Eine Pflicht, Neubauten mit Photovoltaik auszustatten, lehnt der Bundesrat zwar ab, möchte aber in der laufenden Vernehmlassung die Akzeptanz einer solchen in Erfahrung bringen.