Sollen Rentnerinnen und Rentner analog zum 13. Monatslohn eine zusätzliche AHV-Rente ausbezahlt erhalten? Diese Frage wirft im Vorfeld der Abstimmung vom 3. März auch in der landwirtschaftlichen Welt Gräben auf. Zwar haben sowohl der Schweizer Bauernverband (SBV) als auch der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) die Nein-Parole zu der von SP und Gewerkschaften lancierten Initiative «Für ein besseres Leben im Alter» herausgegeben. Doch gerade die Bauernfamilien sind für die Befürworter eine wichtige Zielgruppe im Abstimmungskampf.

Kampf ums Land

Weil es für eine Annahme der Initiative nicht nur eine Mehrheit der Stimmbürger, sondern mit dem Ständemehr auch eine Mehrheit der Kantone braucht, sind diese auf Stimmen aus dem ländlichen Raum angewiesen. Und dass im Alter das Geld knapp werden kann, ist auch und gerade in der Landwirtschaft kein unbekanntes Problem.

«Verhelfen arme Bauern den Linken zum grossen Sieg?», titelte deshalb kürzlich die «Neue Zürcher Zeitung». Die Gewerkschaften wollten die Bauern «umgarnen», war im FDP-nahen Blatt zu lesen. Tatsächlich hatte sich der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), Pierre-Yves Maillard, bei seinem Auftritt an der Albisgüetli-Tagung der SVP im Januar explizit an die Landwirtschaft gewandt: Er erzählte ausgiebig von seinem bäuerlichen Hintergrund und stellte die rhetorische Frage, ob ein Landwirt, der nach einem langen Berufsleben nur 1800 Franken AHV erhalte, nicht mehr verdient habe.

«Gemeinsame Anliegen»

Ist das Werben der Gewerkschaften um Stimmen aus dem ländlichen Raum nur Taktik? Nein, sagt Gabriela Medici vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB): «Arbeitnehmer und Bauern haben viele gemeinsame Anliegen», gibt sie zu bedenken, «eine gute Zusammenarbeit liegt deshalb auf der Hand.» Ein Schulterschluss von Bauern und Arbeitnehmern habe bei der AHV Tradition. Zuletzt 2017, als es um eine Erhöhung der AHV-Renten ging: «Wir setzten uns beide dafür ein und scheiterten nur knapp.»

Eine Verbündete finden die Gewerkschaften in der Landwirtschaft in der Kleinbauern-Vereinigung (VKMB). Diese hat die Ja-Parole zur Initiative herausgegeben. Co-Geschäftsleiterin Barbara Küttel verweist auf die prekäre Situation von Frauen, die ohne Lohn auf einem Hof mitgearbeitet haben und nach der Scheidung mit dem Minimum auskommen müssten. «Sie haben auf eine gerechte Aufteilung verzichtet, damit der Hof weiterexistieren kann», gibt sie zu bedenken.

«Die finanzielle Lage der AHV würde wesentlich verschlechtert.»

Anne Challandes, Präsidentin SBLV

Eine Frauenfrage

Überhaupt seien die Prioritäten auf vielen Höfen zu wenig auf die Altersvorsorge gelegt worden – «aufgrund des Kostendrucks und der im Vergleich geringen Einkommen», wie Küttel ausführt. «Es braucht also eine Verbesserung für diejenige Generation, die jetzt die AHV erhält und in den kommenden Jahren erhalten wird.» Die 13. AHV-Rente löse keine Strukturprobleme, aber: «sie sichert die Vorsorge jener Generation, in der das Bewusstsein dafür nicht so gross war».

Dass die Altersvorsorge gerade bei Frauen in der Landwirtschaft oft nicht rosig aussieht, weiss man auch beim SBLV. Dieser will sich dazu aber im Rahmen der nächsten AHV-Revision, die der Bundesrat 2026 vorlegen soll, einsetzen, wie SBLV-Präsidentin Anne Challandes sagt. Die Initiative sei nicht der richtige Weg: Sie würde «die finanzielle Lage der AHV wesentlich verschlechtern und einen zusätzlichen grossen Finanzierungsbedarf auslösen», gibt Challandes zu bedenken.

Dieser Argumentation folgt auch die Nein-Parole des SBV. Natürlich wäre eine 13. AHV-Rente zunächst ein Gewinn für die Bauernfamilien, räumt Direktor Martin Rufer ein – «wenn man die Finanzierung ausser Acht lässt». Denn «langfristig muss jemand die Mehrkosten in der Höhe von 4 bis 5 Milliarden Franken pro Jahr finanzieren». Und ein Loch in der Bundeskasse könne für die Landwirtschaft schnell zu einem grossen Problem werden. «Deren Lage ist heute schon angespannt, weshalb wir alle Hände voll zu tun haben, um Sparübungen beim Agrarkredit zu verhindern», sagt Rufer. Die Gefahr sei gross, dass die Landwirtschaft die 13. AHV-Rente am Ende über tiefere Direktzahlungen bezahlen müsste. «Das wollen wir nicht», sagt Rufer.

Dass die Gefahr von Sparmassnahmen für die Landwirtschaft gross sei, sieht man beim SGB nicht – die Direktzahlungen seien nicht gefährdet. Selbst wenn es finanziell enger würde, hätte der Bund noch ein bis zwei Milliarden an Spielraum in der Schuldenbremse und das neue Parlament nimmt die Anliegen der Landwirtschaft sehr ernst. Wenn, dann sei es also nicht die 13. AHV-Rente, die weitere Sparübungen nötig mache, argumentiert Gabriela Medici. Eine viel grössere Gefahr für die Bundesfinanzen seien Steuersenkungen, wie sie vom Wirtschaftsverband Economiesuisse gefordert werden. Just mit diesem ging der SBV bei den Parlamentswahlen 2023 im Rahmen der Kampagne «Perspektive Schweiz» eine Partnerschaft ein.

Für Grossbank entschieden

«Wir würden gerne mit dem Bauernverband zusammenarbeiten, Markus Ritter hat sich leider für eine Zusammenarbeit mit der Pharma und den Grossbanken entschieden», kritisiert Gabriela Medici. VKMB-Frau Barbara Küttel haut in dieselbe Kerbe. Sie sehe «klar einen Zusammenhang» zwischen dem SBV-Nein zur Initiative und der politischen Allianz mit Economiesuisse und Arbeitgebern. «Wir sind überzeugt, dass die Unterstützung der 13. AHV-Rente bei der direkt betroffenen Basis viel grösser ist und der SBV diese mit seinem Nein schlecht vertritt.»

«Die Partnerschaft mit der Wirtschaft spielt hier keine Rolle», sagt dagegen SBV-Direktor Martin Rufer. «Wir haben die Nein-Parole aus Vernunft gefasst, weil die Finanzierung nicht geregelt ist», sagt er. Das werde auch an der Basis verstanden. «Wir spüren in der Landwirtschaft viel Verständnis und Unterstützung für unsere ablehnende Haltung», so seine Beobachtung. «Eine 13. AHV-Rente wäre zwar verlockend, wenn sie aber über Kürzungen beim Agrarkredit finanziert wird, hilft dies der Landwirtschaft nicht», ist er überzeugt.

Eine Monatsrente mehr?

Darum geht es: Die Initiative «Für ein besseres Leben im Alter» fordert, dass AHV-Bezüger analog zum 13. Monatslohn jährlich eine zusätzliche Monatsrente erhalten.

Die Befürworter: Hinter der Initiative stehen die grossen Gewerkschaften (SGB, Unia) und die SP. Unterstützt wird sie von den Grünen und Teilen der Mitte. In der Landwirtschaft setzt sich die Kleinbauern-Vereinigung (VKMB) für die Annahme ein. Die 13. AHV-Rente soll den Anstieg der Lebenshaltungskosten ausgeglichen, argumentieren die Befürworter

Die Gegner: Die bürgerlichen Parteien (Mitte, FDP, SVP) und die grossen Wirtschaftsverbände lehnen die Initiative ab. Auch der Schweizer Bauernverband (SBV) und der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) haben die Nein-Parole beschlossen. Eine zusätzliche Rente reisse ein Loch in die Finanzierung, warnen die Gegner. Dies könne Sparmassnahmen zur Folge haben – zum Beispiel in der Landwirtschaft.

AHV erst ab 66?
 
Darum geht es: Die Initiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge» fordert, dass das Rentenalter für Männer und Frauen von 2028 bis 2033 schrittweise auf 66 Jahre erhöht wird. Danach soll es an die durchschnittliche Lebenserwartung gekoppelt werden. Steigt diese um ein Jahr, würde das Rentenalter um einen Monat erhöht. Bis 2050 könnte es damit knapp unter 68 Jahren liegen.

Die Befürworter: Die Initiative wird von FDP, SVP, Teilen der Mitte und der GLP sowie Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden unterstützt, darunter auch der Schweizerische Gewerbeverband (SGV). Sie wollen damit verhindern, dass die Überalterung der Gesellschaft zu Finanzierungslücken führt.

Die Gegner: Zu den Gegnern zählen SP, Grüne, Mitte und GLP. Auch SBV und SBLV haben die Nein-Parole ausgegeben. Die Gegner befürchten eine Benachteiligung von Geringverdienern. Länger arbeiten müsste in der Praxis vor allem, wer sich keine Frühpensionierung leisten kann.