AboDamit man im Grossen Moos weiterhin ohne grosse Einschränkungen Acker- und Gemüsebau betreiben kann, braucht es verschiedene Massnahmen. AufwertungIm Berner Seeland schrumpft der Boden, während der Schaden wächstMontag, 19. Dezember 2022 Ein idyllisches Landschaftsmosaik mit Feldern, einem mäandrierenden Fluss, kleineren Feuchtgebieten und vernässten Flächen – so illustrieren BirdLife, Pro Natura, der Schweizerische Fischereiverband, die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz und der WWF ihre Vision für das Drei-Seen-Land. «Es handelt sich nicht um definitives Projekt», erklärte Pro-Natura-Präsidentin Ursula Schneider-Schüttel in Bern vor den Medien. Vielmehr sei es eine Basis, um die Vision mit anderen Akteuren weiterzuentwickeln und die Umsetzung an die Hand zu nehmen.

Probleme analysiert und Lösungen gesucht

Die «Vision 3-Seen-Land 2050» fusst auf wissenschaftlichen Studien, die von den fünf nationalen Umweltverbänden in Auftrag gegeben worden sind. So wurden die Probleme der Region identifiziert und jeweils auch Lösungsansätze aufgezeigt (siehe unten). «Ganz wichtig ist», betonte Christa Glauser von BirdLife Schweiz, «dass wir nicht den Landwirt(innen) sagen, was sie zu tun haben». Die Wissenschaft zeige relativ klar die Richtung, in die es gehen müsse, ergänzte Marcel Liner von Pro Natura. Er ist sich aber bewusst, dass der intensive Gemüsebau eine wichtige Einkommensquelle ist.

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Trends ausnutzen, die sowieso kommen

Rollend statt per StichdatumPro Natura setzt für eine ökologischere Produktion bei Hofübergaben anDonnerstag, 23. Juni 2022 Marcel Liner ist es ein Anliegen, Veränderungen in der bäuerlichen Landwirtschaft sozialverträglich zu gestalten, weshalb er grosse Hoffnungen in den Generationenwechsel und somit die jungen Landwirt(innen) setzt. Die Bezeichnung «Gemüsegarten der Schweiz» für das Seeland treffe aber kaum zu: «Nur rund 6 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche wird für den Gemüsebau genutzt», führte er aus. Ein grosser Teil des sehr fruchtbaren Bodens sei mit Futterbau belegt. Den zu reduzieren – und damit auch den Nutztierbestand – wäre im Einklang mit den Absichten des Bundesrats zur zukünftigen Agrarpolitik und würde ausserdem mehr Flächen für die Natur, den Acker- und Gemüsebau schaffen.

Den Trend und den politischen Druck zum geringeren Fleischkonsum gelte es auszunutzen, sagte Liner. Wenn ausserdem das bundesrätliche Ziel der Foodwaste-Reduktion weiterverfolgt wird, braucht es gar keine so grosse Produktion mehr. «Unsere Vision ist keine Bedrohung für die Landwirtschaft», ist Marcel Liner überzeugt. Man wolle zusammenarbeiten und das Drei-Seen-Land auch zum Pioniergebiet machen. «Denn andernorts, etwa im Churer Rheintal, sind die Probleme dieselben.»

Geschäftsstelle wird eingesetzt

Als nächster Schritt soll für die Weiterentwicklung und Umsetzung der Vision 3-Seen-Land 2050 eine Geschäftsstelle geschaffen werden. Heute habe man ausserdem Einladungen zum Gespräch an landwirtschaftliche Akteure verschickt, heisst es bei Pro Natura. Wichtig sei die überkantonale Perspektive, statt unkoordinierte Einzelmassnahmen.

Wie es der Name sagt, ist die Vision der Umweltverbände langfristig ausgelegt. «Aber wir müssen jetzt handeln», machte Marcel Liner klar. «Denn die Probleme haben wir jetzt».

Das Wasser in der Fläche behalten

Der Klimawandel verschlimmert die Lage überdies, denn er bringt sowohl lange Trockenperioden als auch Starkregenereignisse und beschleunigt durch die hohen Temperaturen die Torfsackung. Zum Problemfeld Wasser beschrieb David Bittner, Geschäftsführer des Schweizerischen Fischereiverbands,  verschiedene Ansatzpunkte gegen Mangel: «Man kann das technisch lösen mit Betonbecken oder den Gewässern mehr Raum geben.» Mit Letzterem würden Flüsse und Bäche eine Pufferwirkung bekommen und auch für die Landwirtschaft stünde die Wasserressource zuverlässiger zur Verfügung.

Dass bisher primär die Landwirtschaft über die Zukunft des Drei-Seen-Lands bestimmt habe, sei historisch bedingt und keine Kritik, betonte Marcel Liner. Veränderungen nun aber gemeinsam anzugehen, sei eine Chance für Landwirtinnen und Landwirte.

Weitere Informationen zur «Vision 3-Seen-Land» finden Sie hier.


Bessere Böden, sauberes und genug Wasser

Zu sieben Themenbereichen gibt es auf der neuen Website «dreiseenland2050.ch» ausführliche Informationen und Faktenblätter. Wissenschaftler haben jeweils Probleme analysiert und Lösungsansätze gegeben. Hier ein Auszug:

Boden: Torfsackung, Drainageprobleme und CO2-Ausstoss durch Torfabbau sollen mit standortgerecht gerechten Bewirtschaftung dank Bodendaten angegangen werden. Tieftorfige und degradierte Flächen zu Naturschutzzonen machen. Besonders belastende Gemüsekulturen bodenunabhängig in Gewerbezonen anbauen. Gezielte Bodenaufwertungen mit behördlichen Auflagen.

Wasser: Die Ausscheidung der Zuströmbereiche mit entsprechenden Auflagen, reduzierter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, angepasste Düngung und weniger Nutztiere für eine Verbesserung der Wasserqualität und Sicherung der Trinkwasserressource. Naturnahe Gewässer für eine bessere Wasserversorgung in Trockenperioden (Wasser in der Landschaft behalten).

Biodiversität: Den Verlust von Arten und Lebensräumen stoppen bzw. umdrehen, indem Auen wiederhergestellt, eine ökologische Infrastruktur in der Landschaft aufgebaut werden und (neu entwickelte) biodiversitätsfreundliche Bewirtschaftungsmassnahmen zu, Einsatz kommen.


«Völlig praxisfremd»
In einer Mitteilung zeigt sich der Verein Pro Agricultura Seeland gar nicht erfreut über die «Vision 3-Seen-Land 2050». Sie sei völlig praxisfremd und von Leuten ohne jeden Bezug zur Landwirtschaft erarbeitet worden. «Leider wurden die betroffenen Landwirte und Gemüseproduzenten bei dieser Studie nicht einbezogen.» Ausserdem habe man die Marktanforderungen völlig ausgeblendet. In erster Linie müssten die Konsumenten umerzogen werden, bevor sich der Anbau verändern kann, ist Pro Agricultura Seeland überzeugt. Weiter gibt er Verein zu bedenken, wie aufwändig der Unterhalt von Ökofläche und Biotopen sei und gleichzeitig wie schwierig die Rekrutierung von Personal dafür.

Die Kritik der Umweltverbände, grosse Bewässerungsprojekte und Bodenaufwertungen mit Bauaushub würden in eine Sackgasse führen, lässt man in der Mitteilung nicht gelten. Das geplante Bewässerungsnetz sei im Übrigen elektrisch betrieben und könne so Dieselpumpen ersetzen. Pro Agricultura Seeland fordert ein gemeinsames Vorgehen und vor allem mehr Verständnis für die Landwirtschaft.