Am Donnerstagnachmittag hat das erste Schweizer Agrarpolitik Forum zum Thema Grenzschutz bei Nahrungsmitteln begonnen. Der zweitägige Anlass ist ein gemeinsames Unterfangen der Hochschule für Agrar-, Forst und Lebensmittelwissenschaft (HAFL) und des Berner Bildungszentrums Inforama.

Zwei Befürworter des EU-Freihandels

Zum Auftakt setzten Alt-Bundesrat Pascal Couchepin und der ehemalige Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft, Hans Burger, ein paar Duftmarken. Der Alt-Bundesrat (1998 bis 2009) und sein ehemaliger Chefbeamter (1992 bis 2000) erinnerten sich an die Aktivitäten rund um die Jahrtausendwende, als beide ein umfassendes Freihandelsabkommen mit der EU anstrebten. Resultiert hat dann nur der Käse-Freihandel.

Burger zeigte sich leicht frustriert über diesen Sachverhalt. "Was die 'marktwirtschaftliche Erneuerung zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit', eines der Hauptziele der AP 02, angeht, sind die Ziele bis heute nicht erreicht", sagte er in seinem Referat (eine Zusammenfassung findet sich im Kasten unten).

Für Burger ist die Reform irgendwo auf halbem Weg stehen geblieben. An der Dringlichkeit für Änderungen hat sich für ihn, der bis 2000 im Amt war, wenig geändert: "Wenn sich für 3% der Bevölkerung, die weniger als 1% zum Bruttoinlandprodukt beitragen, die Bundesausgaben auf 3,7 Mrd Fr. belaufen, die OECD den Wert des Grenzschutzes zusätzlich auf 3,5 Mrd Fr. schätzt, der direkte Einkommenstransfer fast das Sektoreinkommen erreicht und dennoch alle Beteiligten unzufrieden sind, gibt es  – mit Verlaub – Handlungsbedarf", so Burger.

Dupraz ruft an

Die beiden pensionierten Agrarstrategen sorgten für einige Lacher. Sei es Hans Burger, als er beschrieb, wie absurd korsettiert die Agrarpolitik früher war. Pascal Couchepin wiederum erhielt während seinem Referat einen Anruf von einem anderen alten Haudegen der Agrarpolitik, dem Genfer Alt-Nationalrat John Dupraz. 

Couchepin nahm das Telefon zwar nicht ab, nutzte aber die Gelegenheit, eine alte Anekdote zu erzählen. Er habe Dupraz vorgerechnet, dass man pro Hektare Weizen 6000 Franken verdiene, aber lediglich 25 Stunden dafür arbeiten müsse. Das habe der Genfer Getreidebauer natürlich nicht gerne gehört. 

Der Alt-Bundesrat forderte die Landwirte auf, in Sachen Mercosur ein paar Konzessionen beim Fleisch zu machen. Schon heute importiere man ja stets mehr, als die WTO-Konzessionen vorsehen, so Couchepin. Trotzdem gelinge es, rund 90% des im Inland konsumierten Fleisches daselbst zu produzieren. Deshalb dürfte es leicht fallen, hier noch ein wenig Zugeständnisse zu machen, "um die Verhandlungen etwas zu schmieren ('graisser')".

Couchepin kritisiert Gesprächsverweigerung der Bauern

Er empfahl der "sympathischen, leidenschaftlichen und schwierigen Landwirtschaft" das Gespräch mit den Behörden nicht zu verweigern. "Sonst können wir gleich alle die Gewehre hervornehmen und aufeinander schiessen", so Couchepin. Die Bauern seien ja von den besten Verhandlern, die er kenne, umso weniger verstehe er es, wenn sie diese Stärke nicht ausspielten, sagte er in Anspielung auf die zwischenzeitliche Funkstille zwischen Bundesrat und Bauernverband nach der Präsentation der Gesamtschau im Winterhalbjahr.

akr