«Schon zu meiner Zeit lag der Schwerpunkt bei den Frauenrechten und Fragen der Sozialversicherung», weiss Annemarie Will, SBLV-Präsidentin von 1994 bis 2002. Die soziale und rechtliche Situation der Frauen in der Landwirtschaft, im ländlichen Raum und in der Gesellschaft war auch für ihre Nachfolgerinnen ein Dauerbrenner.

Der Zusammenschluss

Im Jahr 2006 schlossen sich der Schweizerischen Landfrauenverbands (SLV) und der Schweizerischen Verband Katholischer Bäuerinnen (SVKB) zum Schweizerischen Bäuerinnen und Landfrauenverband zusammen.

«Man hat die Notwendigkeit gesehen die Kräfte zu bündeln, da in beiden Verbänden die gleiche Arbeit gemacht wurde», erinnert sich Ingeborg Schmid, damals SVKB-Präsidentin. «Doch nach dem Entscheid für kam die Knochenarbeit: Welche Frau macht weiter, wer tritt zurück? Ein wichtiger Punkt für den SVKB war, dass die Bäuerinnen weiterhin gesehen wurden und nicht als Verliererinnen dastanden.»

Das Rad weiter drehen

Die Themen Frauenrechte und soziale Absicherung blieben, auch nach dem Zusammenschluss. «Jede Präsidentin, unterstützt von den Frauen in den verantwortlichen Gremien, hat das Rad vorwärtsgedreht», sagt Ruth Streit, SBLV-Präsidentin bis 2011.

Das galt auch für ihre Nachfolgerin Christine Bühler, SBLV-Chefin bis 2019. «Es hat mich immer gestört, dass jede Frau bei dem Thema selbst aktiv werden und mit dem Partner eine Lösung aushandeln musste. Bei den Männern geht das doch auch von Gesetz wegen.»

Politischer geworden

Und wo steht der SBLV heute? Welches sind die aktuellen Herausforderungen? «Der Verband ist sehr politisch geworden, ist nun ein Berufsverband. Das ist schon gut so», sagt Annemarie Will. «Wir legten früher mehr Wert auf Kultur und alte Traditionen.»

Ingeborg Schmid ist es ein Anliegen, dass man die Bäuerinnen nicht mit Arbeit überlastet: «Nicht jede Bäuerin muss einen eigenen Betriebszweig haben oder ausser Haus arbeiten. Ich erwarte von einem Dachverband unter anderem, dass er auch Bäuerinnen wertschätzt, die sich ausschliesslich um ihre Familie, Haus und Hof kümmern.»

Bindeglied zwischen Stadt und Land

Für Ruth Streit übernimmt SBLV unter anderem eine wichtige Rolle als Bindeglied zwischen Stadt und Land, zwischen Produzentinnen und Konsumenten sowie zwischen den Bauernverbänden und nicht-bäuerlichen Kreisen. «Der SBLV liegt voll im Trend, etwa bei  seinem Einsatz für ausgeglichene Ernährung, für nachhaltige Alltagskompetenzen in Familie und Haushalt, im Kampf gegen Foodwaste und bei gelebten Sozialkompetenzen.

Bildung anpassen

«Der Verband darf es nicht verpassen, die Bildung anzupassen», gibt Christine Bühler zu bedenken. «Vielleicht ist es nicht mehr zeitgemäss, das Hauptgewicht auf die Hauswirtschaft zu legen.» Themen wie Produkteverarbeitung, und -präsentation, Vermarktung und Betriebswirtschaft könnten mehr Gewicht bekommen. «Eine Bäuerin muss wissen, wie sie bei ihrer Arbeit auf einen Stundenlohn von 30 Franken kommt, damit sie keinen Verlust schreibt.»

Die sinkenden Mitgliederzahlen beim SBLV sind den Alt-Präsidentinnen sehr bewusst. Doch Christine Bühler ist optimistisch: «Die Pandemie hat gezeigt, wie flexibel die Frauen vom Land auf neue Situationen reagieren. Das ist auch für den Verband wichtig.» Es gehe darum, neue und relevante Themen aufnehmen und dranzubleiben. «Das ist dem SBLV bisher recht gut gelungen. Wichtig ist auch, dass sich die Basis mit der Verbandsführung identifiziert. Dass man den Frauen zeigt: Wir sind wie ihr, wir haben die gleichen Probleme und gehen sie an.»

Bezug zur Basis behalten

«Der Verband verliert den Bezug zur Basis», befürchtet Annemarie Will. «Bei uns im Dorf war es sogar schon ein Thema, ob der Ortsverein aus den Dachverbänden austreten soll.» Sie hofft:  «Wenn der Wert von Lebensmitteln und Hauwirtschaft wieder steigt, sieht man vielleicht auch die Wichtigkeit eines Dachverbandes wieder.»

«Viele Frauen holen sich ihr Fachwissen heute woanders», weiss Ingeborg Schmid. Das Angebot einer guten Berufsbildung sei aber nach wie vor ein wichtiges Bindeglied. «Es braucht den Kontakt zur Basis um herauszufinden, was die Frauen brauchen.»

Ähnliches Thema, anderere Schwerpunkt

Anne Challandes, die aktuelle Präsidentin, setzt sich mit ähnlichen Fragen auseinander wie ihre Vorgängerinnen. «Aber der Schwerpunkt ändert manchmal», sagt sie.» Zu den aktuellen Themen gehören unter anderem die Anerkennung und Wertschätzung des Berufsstandes der Bäuerin und Verbesserungen für die soziale Absicherung. Dazu gehört die Ausbildung Bäuerin, auch im Hinblick auf die zukünftige Revision.

«Es ist herausfordernd zu entscheiden, was angepasst werden soll und was man behalten soll.» Es geht dem SBLV im weiteren Sinne auch um die Verbesserung der Situation von Frauen im ländlichen Raum. Zudem ist dem Verband die Förderung der Hauswirtschaft und einer gesunden, regionalen und saisonalen Ernährung ein Anliegen.

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Noch immer wichtig

Der Mitgliederschwund sei ein wichtiges Thema, ergänzt sie. Braucht es überhaupt noch grossen Frauenverbände? Anne Challandes: «Es braucht politische und gesellschaftliche Fortschritte und Verbesserungen. Und es braucht Zusammenhalt, Mut, Solidarität und Sichtbarkeit. Deshalb denke ich, dass grosse Frauendachverbände immer noch nötig sind, gerade auch, wenn sie zusammenarbeiten.

Der Verband habe nach wie vor politische Relevanz in den Diskussionen rund um Landwirtschaft und Frauenanliegen. Er pflegt regelmässigen und guten Kontakt zu Parlamentarierinnen und Bundesräten und Bundesrätinnen und wird zu Anhörungen eingeladen. «Unsere Meinung und unsere Standpunkte werden zu verschiedenen Fragen eingeholt und geschätzt. Ich glaube, unsere Art Themen zu bearbeiten und Stellung zu beziehen, kommt an: Wir sind glaubwürdig und werden gehört.»